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Nördliche Tundra im Herbst, 1987 |
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Fantastische Winterträume mitten in der Stadt |
Ich hatte am 17.11. des letzten Jahres an dieser Stelle versprochen, mich genauer mit dem großen Maler W. I. Surikow zu beschäftigten. Dies hatte ich heute auch vor, als ich mich heute vormittag vor den elektronischen Stadtplan Krasnojarsks von "2ГИС" setzte, dann aber feststellen musste, dass es hier drei "Museen des Namens W. I. Surikow" gibt. Ich musste mich entscheiden und fuhr also zu dem am weitesten von zuhause entfernten Museum, wo ich auch als einziger Gast von drei netten, älteren Damen wortreich empfangen wurde. Eine der drei Damen merkte auch sehr schnell, dass ich kaum etwas verstand und bemühte sich bemerkenswerterweise um eine langsame und klare Aussprache. Im Verlaufe unseres Gespräches erfuhr ich sehr schnell, dass dieses "Surikow-Museum" nur diesen Namen trägt, aber einem moderneren Krasnojarsker Künstler namens Gennadij Gorenskij gewidmet ist. Aus dem Gespräch konnte ich weiter erfahren, dass dieser Gorenskij die Liebe zu seiner sibirischen Heimat in Bildern verarbeitet, die in einem Surikow ähnlichen Stil geschaffen wurden. Leider verließ der 1938 geborene Künstler später seine Heimatstadt und siedelte ins benachbarte Minussinsk (nur 600 km) um. Dort allerdings malte Gorenski bis zu seinem Tod 2009 fast ausschließlich Motive aus dem Krasnojarskij Kraj.
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Nenzische Fischer, 1972 |
Nun, jetzt war ich einmal hier und war mittlerweile auch an den Bildern, die ich auf Entfernung zum Teil sehen konnte, sehr interessiert - also zahlte ich die nur 50 Rubel Eintritt und tauchte ein in die faszinierende Bilderwelt der sibirischen Taiga und Tundra. Hier lernte ich mit dem Bild
Neue Kleidung, 1969 die Lebensweise der ursprünglich hier ansässigen Ewenken, insbesondere die Arbeitsweise der ewenkischen Frauen, kennen, während ein anderes Bild -
Nenzische Fischer, 1972 - die Arbeit der Männer des weit im Norden siedelnden Volkes der Nenzen thematisierte. Andere Gemälde widmeten sich der sibirischen Natur zu jeder Jahreszeit, wobei mich besonders der Winter faszinierte. Es ist wohl so, dass der sibirische Winter eine besondere Ansteckungsgefahr beinhaltet, denn ich muss jetzt einfach mal zugeben, dass auch ich von diesem Winter, der jetzt langsam frostiger wird, absolut fasziniert bin.
Das einfache Leben der Bewohner der sibirischen Taiga hat auch Gorenskij besonders im Winter porträtiert und diesen stillen Menschen damit ein Denkmal gesetzt.
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Orthodoxe Kirche in der Krasnojarsker "Taiga" |
Aber eigentlich wollte ich doch Surikows Gemälde bewundern! Wieder half mir die nette Dame sehr wortgewaltig und trotzdem einfühlsam und erklärte mir den kurzen, aber etwas komplizierten Weg zum zweiten Surikow-Museum, in dem leider auch nur sehr wenige von Surikows Kunstwerken zu finden seien, da sich das Moskauer Tretjakow-Museum die Sahnestücke unter den Nagel gerissen hat. Der Weg war mit der Beschreibung auch nicht schwer zu finden, aber dennoch latschte ich an dem Museum vorbei und musste erst eine Dame auf der Straße nach dem richtigen Gebäude fragen. Diese gab auch sehr klar Auskunft und fragte mich dann, woher ich denn käme.
"Я Немец," sagte ich, worauf sie gleich in wunderbarem Deutsch sagte, dass sie jahrelang in Deutschland gelebt habe.
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Aufbruch der Bauernin der Taiga im März, 1994 |
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Der gute, alte Surikow bleibt aber hier! |
Nun kam ich also in ein sehr schönes Gebäude aus den 1870er Jahren, dessen Fassade wie auch Inneres den Eindruck einer gerade erst stattgefundenen Renovierung erweckte, und sah mich erwartungsfroh um. Wieder kostete der Eintritt nur 50 Rubel und diesmal die Fotoerlaubnis weitere 60 Rubel. Dann war ich doch ein wenig enttäuscht von diesem Museum. Nein, die Gemälde, Skulpturen und weiteren Kunstwerke waren wunderbar und absolut sehenswert. Aber für Surikow höchstselbst blieb nur ein relativ kleiner Nebenraum übrig, so dass ich herrliche Kunst erfahren konnte, aber eben Nichts zu Surikow. Ich hatte gehofft, dass die Moskauer uns vielleicht die "Bojarin Morosowa", das mir liebste Gemälde von Surikow, da gelassen hätten. Aber welche Naivität: Warum sollte man die gerade die besten Werke des Maler unbeachtet lassen? Es ist wie zu Zeiten der Romanows - wer etwas zu bieten hat, wird nach Moskau verschafft, und wer nichts hat, darf ruhig im fernen Sibirien bleiben! Dabei haben schon die alten Zaren nicht erkannt, dass gerade hier in Sibirien, fernab der Überwachung durch die gefürchtete Ochrana, der Geist der Freiheit gedeihte und sich hier - Lenin in Schuschenskoje (!) - die Revolution von 1917 vorbereitete.
Ich bin froh, die sibirische Freiheit genießen zu dürfen, würde aber dennoch gern einmal in die Moskauer Tretjakow-Galerie gehen, nur um Surikows Gemälde sehen zu dürfen.
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W. I. Surikow: Die Bojarin Morosowa, 1887 |
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