Sonntag, 29. Januar 2012

Солнечный свет и -30 градусов



Milliarden kleiner Eiskristalle am Brückengeländer der über dem Jenissej zeigen, wie mager doch die menschgemachte Kunst in den allermeisten Fällen ausfällt. Von hier oben, auf der Brücke schweift der Blick dann über die verschneiten Ufer des Flusses (u.). 
 
In den Bussen sind die meisten Fensterscheiben dick zugefroren (von außen und von innen). Nur wenn die Sonne darauf scheint kann sie noch ein kleines Guckloch schaffen. Zwischen den Wohngebäuden liegen die "Grün"flächen still in der Wintersonne (u.).

Menschgemachte Schmiedekunst wird hier durch die Natur durch den Schwarz-Weiß-Kontrast noch veredelt.


В. А. Моцарт: Свадьба Фигаро

Winterlandschaft vor dem Theater
Man muss sich mal den Irrsinn des Lebens vorstellen: Da fährt ein Deutscher bis weit nach Sibirien, um die italienische Oper eines österreichischen Komponisten auf russisch zu genießen. Ja ganz richtig; in unserem Operntheater wurde heute Mozarts "Le nozze di Figaro" auf Russisch gesungen - und es war ein ganz besonderes Erlebnis!
Diliara von der kalten Wintersonne beschienen
Den Theatervorhang durfte ich noch photographieren
Diliara, eine Deutschkollegin tartarischen Ursprungs, hatte zwei Karten ganz vorn im Parterre besorgt, so dass wir dieses Mal nicht nur die Umrisse der Sänger sahen, sondern auch deren Mimik im Detail studieren konnten.Genau das wollte ich denn auch tun, denn es sollte mir angesichts mangelnder Sprachkenntnisse helfen, die Stimmungen und Positionen der einzelnen Charaktere einzuordnen. Um die etwas verworrene Handlung zu durchblicken, ist es immer ratsam, vorab einen guten Opernführer zu Rate zu ziehen, was ich denn auch getan hatte. Glücklicherweise werden Opern in Russland nur selten modernisiert, so dass ich mich nicht erst durch einen Trupp zerlumpter Bauarbeiter oder snobistischer Banker zu kämpfen hatte, sondern gleich den in seinem Zimmer auftretenden Figaro erkannte. Erst glaubte ich, es wäre ein Kunstgriff der Maske gewesen, der ihm ein unglaublich strenges Aussehen gab. Doch mit der Zeit wurde offensichtlich, dass dieser Bassbariton ganz natürlich seine Augen zu einem fast zornigen Blick aufgestellt hatte - und das passte, denn die Figur des Figaro ist wohl die intelligenteste in der sonst so leichten Komödie. Welch eine Ergänzung bildete dazu der stets amüsierte Blick der jungen Susanna, die besonders im Duett mit dem jungen Pagen Cherobino einen geradezu schelmischen Gesichtsausdruck aufsetzte. Ganz im Gegensatz dazu trat ein hochgewachsener, in Würde ergrauter Herr als Graf auf und war kaum in der Lage, direkt ins Publikum zu sehen, da ihn sein Standesdünkel zwang, die Nase (fast) immer höher als die Stirn zu tragen. Doch im Laufe der Geschichte lernt bekanntlich auch dieser intellektuell etwas einfachere Charakter Demut und kann auf diese Weise viel Sympathie gewinnen. Beim Anblick der schönen und herrschaftlichen Gräfin, die zudem ein sehr angenehmes Wesen hatte, fragte ich mich mehrfach, warum denn dieser dumme Graf der Susanna nachstellte, wo doch sein Eheweib ebenso schön und nett ist.
Ein eisiges "Riesen"Rad vor dem Theater
Für mich aber die interessanteste Figur war der kleine Cherubino, hier gesungen von einem burschikos auftretenden Mädchen. Diese Rolle verlangt der Sängerin doch einiges an schauspielerischer Leistung ab, denn wenn eine junge Frau einen etwas linkischen Jungen, der sehr männlich erscheinen will, spielen muss, dann erfordert das mit Sicherheit großes Können. Zudem wird der kleine Cherubino noch in Frauenkleider gesteckt und muss inmitten des Chores der Bäuerinnen einen etwas ungelenken Part spielen. Andererseits wird der arme Kerl die ganze Zeit von allen anderen herumgeschubst und zieht immer den Kürzeren, so dass ich am Ende besonders glücklich war, als er seine liebe Barbarina in die Arme schließen konnte. So gab es denn am Endes des Stückes wieder reichlich Beifall und Standing Ovations für die ganze Truppe.
Herr Jasser nannte es kitschig - aber es bringt doch Licht und Farbe!
Nach etwa drei Stunden im gut beheizten Theater mussten wir nun also wieder hinaus in die Kälte, was eine ziemlich große Umstellung bedeutet. Denn wenn bei unter -30°C noch ein kräftiger Wind vom Fluss her weht, dann beißt das ganz enorm im Gesicht. Dennoch besuchten wir noch einmal den Eiskunstpark in der Nähe des Theaters, um die wundervollen Figuren im farbenfrohen Licht der Krasnojarsker Nacht zu betrachten, und bestiegen den Bus nach Hause erst, als der Frost kaum noch erträglich war.
In den Bussen ist die Ansage der einzelnen Haltestellen mittlerweile zu einer Notwendigkeit für mich geworden, denn durch die von innen zugefrorenen Fensterscheiben kann man nicht mehr sehen, wo man sich gerade befindet. Und so kam ich dann gegen 22:30 Uhr zuhause an, innerlich gut gewärmt durch die Kunst, äußerlich ein wenig durchgefroren durch "крещенские морозы".

Donnerstag, 26. Januar 2012

Ничего нового на востоке

Sibirien, wie man es sich wohl im Winter vorstellt
Nun ist nach den interessanten Tagen rund um den Jahreswechsel und die DSD II-Prüfungen Ruhe in Krasnojarsk eingekehrt und man möchte meinen, wozu zur "Feder greifen", wenn doch der Alltagstrott von Arbeiten, Essen, Schlafen den Tag bestimmt? So ähnlich könnte ich auch fast meine Tage beschreiben, aber eben nur fast, denn im fernen Ausland bringt jeder noch so langweilige Tag neue Eindrücke, die man nur festhalten muss.
Jetzt nach der ersten großen Nagelprobe mit den Prüfungen glaube ich, auch langsam auf der Arbeit anzukommen, vieles deutlich besser zu verstehen. Aber dennoch gibt es immer wieder Überraschungen, die ich nicht oder nur sehr schwer einschätzen kann. Da frage ich mich dann oft, wie bringen die Leute hier es fertig, dass der Laden so gut läuft? Ja, diese Schule hat eine Ordnung, deren Umrisse mir aber zumeist verborgen bleiben - wo ich mir immer denke, in Deutschland endete das doch im Chaos und letztlich im Zusammenbruch.
Schneeverwehungen auf meinem Balkon
Das Gleiche gilt für den Straßenverkehr, der in Deutschland bei diesen Wetterverhältnissen schon vor Wochen zum Erliegen gekommen wäre. Ganz anders hier: Der Straßenverkehr läuft genauso, wie im Sommer! Schon seit Tagen haben wir hier Schneetreiben und ein relativ scharfer Südwind macht jetzt bei etwa -20°C jeden Gang ins Freie zu einer kleinen Herausforderung. Diese Wetterverhältnisse bringen es mit sich, dass sich immer höhere Schneeberge auftürmen, die aber - meist über Nacht - verschwinden. Da kommen dann ganze Kolonnen von Schneeräumfahrzeugen und transportieren den Schnee ab. Vornweg fährt meist eine Planierraupe, gefolgt von einer Schneefräse, die nicht nur den festgefahrenen Schnee abträgt, sondern diesen auch gleich über ein Förderband auf den dahinter fahrenden LKW befördert.
Auch die extra für Sibirien nachgerüsteten Busse fahren allesamt bei Temperaturen, wo die deutschen Busse nur noch ein mitleidiges Summen von sich geben würden. Und genau solch einen deutschen Bus habe ich heute auf der Fahrt zum "Предмостная площадь" bestiegen. Allerdings war dieser Bus ein besonderes Exemplar. Was war es doch ein schöner Gruß aus der guten alten Heimat, als ich an der Rückwand des Busses einen Stadtplan von Helmstedt, also fast bei mir um die Ecke, sah. So verging die Zeit des Wartens im täglichen Stau mit dem Studium dieses Stadtplans wie im Fluge und ich verpasste fast meine Haltestelle.
Was habe ich gesagt? Der Verkehr läuft normal
Während die Leute, dick eingehüllt in ihre Pelzmäntel, mit den warmen Stiefeln durch den Schnee schlurften, schenkte ich dem überraschten Busfahrer noch einen netten Gruß hinterher und ging dann auch meiner Wege durch's Schneetreiben zum Einkaufen.

Freitag, 20. Januar 2012

Наши ученицы по-немецкому языку

Mir ist heute noch etwas passiert, was mich wirklich fasziniert hat.

In unserer Schule wird Deutsch als erste Fremdsprache ab der 2. Klasse unterrichtet, so dass es schon mal vorkommt, dass mich so ein kleiner Stift auf dem Gang mit "Gutten Tagg!" begrüßt. Dabei ist mir ein kleines Mädchen - wie ich jetzt weiß, heißt sie Ira und geht in die 4. Klasse - durch ihre besonders offene, strahlende Art bei diesen Worten aufgefallen. Es ist mehr als offensichtlich, dass das Kind großen Spaß an der deutschen Sprache hat und sicher auch noch Großes leisten wird. Heute nun kam ich rein zufällig in einen Raum, in dem die kleine Ira zusätzlich Deutsch lernte. Durch ihr einladendes Lächeln "reizte" sie mich geradezu, mit ihr zu sprechen. Also fragte ich - wohlgemerkt auf Deutsch! - nach ihrem Namen und ihrem Alter und wo sie denn wohne. Und das Kind verstand, trotz einiger Schwierigkeiten und mit kleinen Hilfen der anwesenden Lehrerin, meine Fragen und konnte darauf korrekt antworten.
Man muss sich das mal vorstellen! Da ist ein zehnjähriges Kind, das nach gerade zweieinhalb Jahren Deutschunterricht mit einem Muttersprachler spricht! Auch der Text, den ich von Ira sah, bewies ihr geradezu grandioses Sprachverständnis, und ich dachte mir, aus der Kleinen wird mal eine "Lesefuchs"-Siegerin in Moskau und vielleicht die Chefdolmetscherin der künftigen russischen Präsidenten.

Als ich dann den Raum wieder verlassen wollte, strahlte die kleine Ira vor Stolz und wurde dabei von der hellen Wintersonne so bezaubernd beschienen - ich konnte einfach nicht anders und musste das nebenstehende Foto machen.

С днём рождения

"Mama" Galina macht (fast) alles für ihre DSD-Kinder in der Elften
Der sibirische Winter kann schon spannende Abenteuer mit sich bringen: Da hatte ich mir doch gestern im "Командор"-Supermarkt vier Bananen gekauft und trug diese, nur in eine dünne Plastiktüte verpackt, in der offenen Hand den etwa fünf Minuten langen Weg nach Hause. Als ich mir dann heute morgen eine Banane in meinen russischen мюсли-каша hineintun wollte, bemerkte ich doch, dass die Banane erfroren war. Auch die zweite Banane war schon leicht angefroren, aber noch gut genießbar - und das in nur 5 Minuten bei nicht einmal -30°C!
Aber darüber wollte ich doch eigentlich gar nicht schreiben, sondern über ... Naja, ich hatte heute Geburtstag und zähle damit schon wieder ein Jahr mehr auf meinem Buckel. Eigentlich ist das irgendwan auch kein Grund mehr zum Feiern, wenn man dann nur noch alt und grau .. (naja, soweit ist es glücklicherweise noch nicht), wenn man also älter wird. Und so habe ich mir gedacht, dass ich in diesem Jahr, so fern von Zuhause und all den dortigen Freunden, nicht mein wahres Alter (Ich bin jetzt 23!) rausposaunen muss. Aber weit gefehlt! Schon heute morgen konnte ich eine mail lesen, die mich sehr eingehend darüber informierte, wie das war an jenem Sonntag im Januar vor 23 Jahren und an die tapfere Haltung meiner Mutter vor der Geburt. (Danke, liebe Mutter! Ich war wohl von anfang an nicht leicht zu (er)tragen.)
In der Neunten; Man beachte die Pralinen im Vordergrund
Auch in der Schule kamen Kolleginnen und Schüler (woher wussten die davon?) mit den Worten: "Я поздравляю с днём рождения!" Die Schüler der 11. Klasse, eben diejenigen, welche vor zwei Tagen ihr Deutsches Sprachdiplom mit Bravour abgelegt hatten, luden mich dann in der 4. Stunde zu einem Kuchen und Kaffee ein. Es gab eine typisch russische Torte namens "Наполеон", die mir das Mittagessen in der Kantine ersparte, denn diese Torte ist, wie alle russischen Süßspeisen, eine Vollwertmahlzeit auch in kleinen und kleinsten Portionen. Danach kamen noch Schülerinnen der 10. Klasse zu mir und gratulierten mit einer richtig lustigen Karte mit deutsch-russischen Glückwünschen und einem Kasten Pralinen. In der sechsten Stunde war dann die 9. Klasse in meinem Unterricht und begann mit einem kleinen Toast (russische Toasts können wahre Meisterwerke der Rhetorik sein!) und überreichte mir einen weiteren Kasten Pralinen.
Party in Irinas Reich: Es gab reichlich zu essen und trinken
Es war schon lustig in dieser Damenrunde
Zum krönenden Abschluss des Schultages trafen wir, die Kolleg/innen des Fachbereichs Deutsch, uns in Irinas Raum und aßen - ja, was denn sonst? - russische Torte, diesmal mit Aprikosen. Dazu gab es Tee, Kaffee und viele interessante und lustige Gespräche. Diesmal hatte ich einen Kasten Pralinen mitgebracht, der wohl ganz gut ankam, denn bis auf die eine Anstandspraline wurde denselben gut zugesprochen. (An dieser Stelle ein Typ für alle künftigen Russlandurlauber: Kauft Schokolade oder Pralinen namens "Алёнка" - das sind die Besten!) Eigentlich hätte ich gern einen Kuchen aus Deutschland angeboten, aber leider habe ich erst gestern die Nachricht zur Ankunft des Paketes aus Deutschland erhalten - also mit perfektem Timing. Aber leider ist es nicht ganz einfach, dann auch das dazugehörige Paket zu bekommen. Und so werde ich dann wohl den mitgeschickten Dresdnder Stollen in der nächsten Woche ausgeben!
An dieser Stelle kann ich allen Gratulanten nur sagen:
Спасибо большое! Thank you! Merci! Gracias! Grazie! Dziękuję! 謝謝! Vielen Dank!   

Mittwoch, 18. Januar 2012

Экзамен: "DSD II - MK"

Die Seelen der Deutschfachgruppe mit Herrn Jasser
Puh, jetzt ist es also geschafft! Wir hatten in den letzten drei Tagen die mündliche DSD II-Prüfung am Gymnasium Nr. 6 in Krasnojarsk - der Höhepunkt unserer Arbeit. Und, HURRA, alle Prüflinge haben bestanden. Doch halt, anfangen muss ich ja am Sonntag, als unser Fachberater, Herr Jasser, mit seiner Frau bei uns ankam.
Ich traf ihn also in der Stadt und wir gingen auf einen kleinen Umtrunk in ein nettes Krasnojarsker Lokal. Schon der Weg dorthin entnötigte Frau Jasser einige Oh's und Ah's, denn in der Nacht ist Krasnojarsk in ein buntes Farbspektakel aus tausenden bunter Lanpen gehüllt. Dazu kommen die kunstvoll verzierten und belechteten Brunnen und natürlich die spektakuläre Eiskunst, die ja leider, wie bereits gesagt, in Deutschland nicht möglich ist. Danach konnten wir in aller Ruhe die folgenden drei Tage besprechen und schon mal einige Probleme abarbeiten.
Auch für das leibliche Wohl wurde gesorgt
Dann folgte am Montag die Pilotprüfung mit drei Mädels aus der zehnten Klasse, die ihre Prüfungen auch alle bestanden. Diese Pilotprüfung ist zwar in erster Linie für die Prüfer eine gute Möglichkeit ihre Bewertungen zu justieren, wird aber von den Prüflingen zum Abbau von Befürchtungen gesehen. So konnten also unsere zehn Elftklässler schon einmal sehen, wie diese Prüfung abläuft und sich noch einige Ratschläge holen.
Am Dienstag und am heutigen Mittwoch prüften wir dann also immer zwanzig Minuten lang die Schüler. In den zwanzig Minuten Vorbereitungszeit hatten sich alle Kadidaten gut auf ihr erstes Thema vorbereitet und uns dann zum Teil sehr gute Vorträge zu Themen wie Markenprodukte, Stress, Ausllandsstudium oder Lebensformen halten. In den fünf Minuten wurden bereits viele der mit den Themen verbundenen Aspekte behandelt, so dass wir als Prüfer in den meisten Fällen wunderbar daran anschließen konnten und offene Fragen in einem Gespräch klären konnten. Ich habe dabei zum Teil sogar vergessen, dass hier keine Muttersprachler vor mir sitzen, sondern dass all diese jungen Menschen nicht nur mit dem Inhalt dieser Themen sondern auch noch mit der Sprache zu kämpfen hatten - und wir konnten wirklich ein paar tolle Darbietungen bewundern. Ebenso gut waren auch viele der zuvor bereits genannten Projektthemen vorgestellt. Da sprach ein Mädchen über Schulen in Deutschland und Russland, ein anderes über Gefahren des Internets. Ein Junge hatte sein Hobby zum Projekt gemacht und klärte uns über Gewalt in der Hip-Hop-Szene auf, wobei er die Gewalt als eine Verirrung des Raps der Neunziger verurteilte. Ein anderer Junge vertrat die These, dass man alle Drogen legalisieren sollte und begründete das sehr schlüssig, während ein
Nach den Prüfungen: Informationen zum Studium in Deutschland
Mädchen der Meinung war, dass "Bio" nicht immer Gesundes Essen sei, weil darin viele Keime enthalten seien. Heute erfuhren wir etwas über den Wasserschutz und seine Auswirkungen, ebenso wie über die Probleme des Dopings im Leistungssport, die, so die These, eng mit den gesellschaftlichen Zuständen zusammenhängen. Höhepunkte waren dann die Vorträge und Diskussionen zum Klonen, zu Starken Frauen und zum Mobbing in der Schule. Ich war einfach überrascht, ja fasziniert, von der Vielzahl neuer Informationen und Sichtweisen, die ich diesen Prüfungen entnehmen konnte.
Ja, diese zwei Tage haben es entgültig bewiesen: Das Gymnasium Nr. 6 in Krasnojarsk, und ganz besonders der Deutschbereich, ist eine hervorragende Bildungseinrichtung, die Spitzenkräfte für die weitere wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Entwicklung unserer beider Länder, Deutschland und Russland, auf das zukünftige Leben vorbereitet.
Mein Jott, watt bin ick froh, dett ick dit erlehm darf!
Prüflinge (leider nicht alle) in trauter Gemeinschaft mit den Prüfern. Die "Kinder" sind "stolz wie Bolle" - zurecht!

Dienstag, 17. Januar 2012

Дед Мороз здесь наконец!

-32°C - ich habe heute meinen bisherigen Kälterekord eingestellt!
Wie mir mein Herr Vater gestern in einem Telefongespräch (skype macht's möglich) mitteilte, hatten wir damals, als ich noch ein ganz kleiner Bengel war, in Leningrad mal -31°C gehabt, was ja jetzt wohl übertroffen ist. In diesem Telefonat habe ich gestern abend auch ganz begeistert von der über Krasnojarsk wabbernden "Staub"wolke geredet, die heute aber völlig verschwunden ist und einer eisigen Wintersonne Platz gemacht hat. Ja, man entdeckt die Welt in so einem Winter ganz neu.
In den letzten zwei Tagen war der Schnee so fein und trocken geworden, dass er nicht im eigentlichen Sinne fiel, sondern über der Stadt zu schweben schien. Ein vor meinem Haus stehendes Auto war innerhalb kurzer Zeit von einer dicken "Staub"schicht aus ganz feinem Schnee bedeckt, welcher aber nur zu einem kleinen Teil vom Himmel fiel, sondern zumeist von den vorbeifahrenden Autos aufgewirbelt wurde. Heute, wie gesagt, schien nach vier Tagen endlich wieder die Sonne von einem klaren Himmel, wodurch in der Nacht die wirkliche Kälte einfallen konnte. Wenn man dann aus den gut geheizten russischen Wohnungen hinausschaut, scheint es richtig angenehm zu sein. Erst das Öffnen der Balkontür offenbarte mir die Wahrheit - sofort strömen schwere, wabernde Luftwolken in das Zimmer und scheinen alles in einen dicken Nebel zu hüllen.
Mittlerweile hat auch der letzte Mensch - мужык oder nicht - Handschuhe an, denn totale Unachtsamkeit kann wohl schon mal einen oder zwei Finger kosten. Ich konnte heute nur noch ganz flach atmen, damit sich das Stechen in den Lungen in Grenzen hielt. Dabei habe ich aber einen anderen interessanten Effekt beobachtet: Wenn der warme und feuchte Atem in kleinen Gaswolken aus der Lunge strömt, verteilt er sich scheinbar besonders gern auf dem Waschbärenpelzkragen meiner sibirischen Polarjacke und friert dort sofort fest. Auf diese Weise werden die feinen Haare des Pelzes zu weißen, kunstvoll sich kringelnden Löckchen verformt und erschaffen damit fantastische Gebilde. Der unter den Schuhen sich festsetzende Schnee wird jetzt nicht mehr in die Wohnung hineingetragen, da dieser trockene "Staub" bereits im Treppenflur verdampft. Mittlerweile sind auch die meisten Eingangsschleusen der Häuser geschlossen, so dass man aus der Kälte erst in einen kleinen Vorraum tritt und die zweite Eingangstür erst dann öffnet, wenn die erste geschlossen ist - eine sehr kluge Einrichtung.
Ein Bild von unserer sommerlichen Floßtour auf der Mana sorgt für warme Gedanken
Gestern habe ich mich noch gefragt, ob ich Angst vor der hiesigen Kälte habe. Heute habe ich bereits die Antwort: "Nein!" - auch wenn mir heute früh bei etwa -35°C das kaum geschützte Gesicht in der Kälte brannte.

Montag, 16. Januar 2012

Сибирская Зима

Es knirscht! Jeder Schritt bringt ein hörbares Geräusch hervor, das jegliches Indianerspiel zunichte macht. Warum hat eigentlich Karl May niemals mit diesem Problem zu tun gehabt? Winnetou und Old Shatterhand, die ungeschlagenen Weltmeister im Anschleichen hatten nie mit wunderbar trockenem Schnee Probleme, obwohl es nachweislich auch im Wilden Westen reichlich Schnee gibt. Warum also reiten die beiden Blutsbrüder nie über die verschneite Prärie? Wahrscheinlich hat sich der große Old Shatterhand im Winter immer zurück in sein geliebtes Sachsen begeben und sich damit einer fantastischen Erfahrung beraubt, einer Erfahrung, die zu machen ich das großartige Privileg habe.
So langsam kommt nämlich der sibirische Winter in Fahrt. Die Temperaturen sinken Tag für Tag weiter, und so werden wir wohl bis zum Ende dieser Woche auch tagsüber die -30°C unterschreiten. Jetzt rede ich zwar noch ganz positiv darüber, aber mal sehen, wie ich in der nächsten Woche reagiere, wenn die Temperaturen auf die -40°C zusteuern, wie mir gestern ein ortsansässiger Deutscher sagte. Heute morgen war es jedenfalls herrlich, jeden meiner Schritte mit dem ureigenen Knirschen, wie es das nur in ganz trockenem Schnee gibt, zu hören und darüber sogar die morgendliche Dunkelheit zu vergessen. Seit einigen Tagen schneit es zudem bei uns - nicht der grobflockige, nasse Schnee, den noch einige der älteren Kinder und Jugendlichen in Deutschland kennen, sondern ein ganz feiner Staub, der vom Himmel rieselt. Jetzt erst verstehe ich das Lied: "Leise rieselt der Schnee!"
Bei momentan etwa -20°C steigen vor den Mündern dicke Dampfwolken in die Natur und lassen damit auch Winnetous und Old Shatterhands sagenhafte Unsichtbarkeit zunichte werden, weiß doch jeder aufmerksame Leser der "Chroniken von Narnia" oder von "Harry Potter", dass der Atem auch nicht durch den besten Zaubermantel verdeckt wird. Bei diesen "Atemübungen" ist mir bereits aufgefallen, wie ein tiefer Lungenzug in der Kälte wirkt. Vielleicht bist du, lieber Leser, mal an einem heißen Sommertag in einen kalten, tiefen Bergsee mitten im Wald gesprungen und hast dann erst einmal kaum atmen können, weil dir die Kälte einen ganz engen eisernen Ring um die Brust spannte. Ein ähnliches Gefühl hat man, wenn die kalte Luft in die Lungenflügel strömt, nur dass dieser eiserne Ring nicht die ganze Brust, sondern lediglich die Lunge umspannt - ein kaltes Stechen, als ob in der Lunge sich die bösen Totfresser aus den Harry Potter-Geschichten eingenistet hätten und mit spitzen Eispickeln einen Ausbruch aus ihrem eisenumringten Gefängnis versuchten.
Ich sah heute einen Jugendlichen seinen Ärmel vor den Mund halten und dachte, er wolle die kalte Luft abwehren. Doch dann bemerkte ich, dass der Ärmste keine Handschuhe hatte und versuchte die Hände abwechselnd durch seinen Atem am Leben zu erhalten. Bei einem Spaziergang vor einigen Tagen konnte ich bereits das Problem am eigenen Leib erfahren, als ich einige Fotos der Schneelandschaft machte und zu diesem Zwecke die Handschuhe auszog. Bereits nach wenigen Minuten prickelten die Finger und verloren etwas später fast jedes Gefühl. Dann die Hände wieder warm zu bekommen ist wahrlich nicht einfach und geht mit meinen aus Deutschland mitgebrachten Handschuhen praktisch gar nicht - und all das trotz der sagenhaften Trockenheit und der fast totalen Windstille hier.
Ach, was bin ich froh, dass ich mir hier richtige (!) Winterkleidung gekauft habe!
Habe ich vielleicht doch Schiss vor der wirklichen Kälte, oder warum gehen mir immer öfter solche Gedanken durch den Schädel?

Sonntag, 15. Januar 2012

Экзамен: "DSD II - MK" (подготовка)

Das Thema "Beutekunst" - bis heute aktuell
Hallo! Ich habe mich ja ganz schön lange nicht mehr gemeldet, was seinen Grund darin hat, dass mich der Alltag, der Dienst, wiederhat. Was will man schon über den täglichen Trott auf der Arbeit berichten? Nun, glücklicherweise bin ich nicht verdammt, an einem Fließband zu arbeiten und erlebe als Lehrer mit den "lieben Kleinen" schon einige interessante Dinge. Jetzt ist so richtig was los bei uns, denn die mündlichen DSD-Prüfungen stehen in der nächsten Woche an. Da war dann auch in den letzten Tagen Einiges vorzubereiten. Seit Dienstag sind wir dabei, die Prüfungen in die Wege zu leiten. Aber ich will gar nicht über diese Vorbereitung sprechen, sondern einfach mal vorstellen, was wir zu erwarten haben.
Ein großartiker Trickfilm: "Persepolis" aus dem Iran
Thema im Projekt: Wie soll man mit Drogen umgehen?
Zu dieser Prüfung erscheint der Fachberater aus Nowosibirsk hier in Krasnojarsk. Man möge sich das bitte nicht so vorstellen wie in Deutschland, wo der Fachberater mal so eben um die Ecke fährt. Herr Jasser kommt die 1.000 km eingeflogen, so dass er heute nachmittag am Flughafen abgeholt wird. Dann werden wir uns heute abend wohl noch zu einem kleinen Gespräch zusammentreffen, bevor morgen mit den Pilotprüfungen der Ernst des Lebens beginnt. Diese Pilotprüfungen sind eine gute Möglichkeit für die Prüfer, ihre Bewertungsmaßstäbe anzugleichen. Drei Schülerinnen der 10. Klasse werden jeweils eine mündliche Prüfung ablegen, die wir dann zu bewerten haben. Natürlich werden dabei nicht so hohe Maßstäbe an die umfassende Vorbereitung gelegt, wie in der richtigen Prüfung, zumal die drei Schülerinnen sich auch freiwillig für die zusätzliche Arbeit gemeldet haben. Ich freue mich für morgen auf drei tolle Vorträge zu den Themen Trickfilme, Waisenkinder und - für mich als Historiker besonders interessant - Beutekunst. Die Mädels haben dazu auch richtig tolle Präsentationen vorbereitet.
Thema "Klonen" - dargestellt durch die alles bestimmende DNA
Was ist gesünder? Wählen Sie Rechts oder Links!
Ebenso wie die Piltoprüfung ist auch die richtige mündliche DSD II-Prüfung in zwei Teile gegliedert, die jeweils etwa 10 Minuten dauern. Im ersten Teil bekommen die Schüler Themen und bestimmte dzugehörige Begriffe zugeteilt und müssen damit innerhalb der 20-minütigen Vorbereitungszeit einen kleinen, kritischen Vortrag vorbereiten, an den sich ein Gespräch mit unterschiedlichsten Fragen anschließt. In der zweiten Hälfte der Prüfung sollen die Schüler dann ihre Projekte vorstellen und auch dazu Fragen beantworten sowie kritisch diskutieren. Diese Projekte - natürlich ausschließlich auf Deutsch - sind sehr umfangreiche Arbeiten zu den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Themen, die von den Schülern seit einigen Monaten intensiv vorbereitet werden. Sie müssen für ihre Facharbeiten umfassend im Internet und in der Literatur recherchieren, Texte und Statistiken auswerten, Probleme kritisch diskutieren, eine eigene Position beziehen und auch begründen. All diese Arbeit wird dann in einer Facharbeit (sozusagen "wissenschaftspropädeutisch") zusammengetragen und übergeben. Diese Ergebnisse tragen die Schüler dann mithilfe einer Präsentation in der mündlichen Prüfung zusammen und stellen sich dann den Fragen der Prüfer. Ich durfte also in den letzten Tagen auch einige sehr interessante Facharbeiten - z.B. zu den Themen Gesunde Ernährung, Mobbing in der Schule oder Starke Frauen - lesen. Weitere Themen, wie Wasserschutz oder Gewalt in der Hip-Hop-Szene, konnte ich schon als Präsentationen überblicken.
Echt spannende Sachen - das muss doch ein Erfolg werden!

Samstag, 7. Januar 2012

Российское Рождество

"Was denn; schon wieder Weihnachten? Wir hatten doch schon vor zwei Wochen Weihnachten!"
Dieser Ausruf ist wohl eher unwahrscheinlich, weiß doch jeder halbwegs gebildete Mensch, dass in Russland Weihnachten am 7. Januar gefeiert wird. Aber wie kommt es zu dieser Verschiebung? Als 1582 die Gregorianische Kalenderreform in den katholischen Ländern Westeuropas durchgeführt wurde, akzeptierten längst nicht alle Gebiete diese Richtigstellung. Während also im katholischen Münster auf den 4. Oktober der 15. Oktober 1582 folgte, machte man im benachbarten protestantischen Osnabrück erst einmal weiter wie bisher. Es dauerte dann mehr als einhundert Jahre, bis sich alle Länder Westeuropas der Kalenderreform angeschlossen hatten, was aber immer noch nicht hieß, dass jetzt ganz Europa dem neuen Kalender folgten. Die orthodoxen Kirchen des Ostens weigerten sich weiterhin, dieser Korrektur zu folgen. Und so rechnete man in Russland bis zum 14. Februar 1918 noch allgemein nach dem Julianischen Kalender. Aber auch in der Sowjetunion wurden und im heutigen Russland werden weiterhin die kirchlichen Festtage nach dem alten Kalender berechnet. Nun ist Weihnachten als religiöses Fest in der sozialistischen Sowjetunion weitgehend unbeachtet geblieben, und auch heute verbinden hier in Russland nur relativ wenige Gläubige ein wichtiges Fest mit dem 7. Januar. Die meisten Menschen messen diesem Tag relativ wenig Bedeutung bei. Auch den orthodoxen Christen ist Weihnachten bei weitem nicht so wichtig wie das Osterfest.
Und dennoch wollte ich gern feiern. Also habe ich mich gestern Abend mit Alexandra getroffen und wir sind gemeinsam zum "Пилот", einem Disco-Club auf dem linken Ufer, gefahren und haben uns dort mit Natascha, Jana, Julia und Sonja getroffen, um in den Weihnachtstag hineinzufeiern. Wir bestellten zuallererst einmal ausreichend Getränke und saßen in gemütlicher Runde zusammen und schwatzten. Das heißt, die Mädels schwatzten, denn ich musste mich mangels ausreichender Sprachkenntnisse zurückhalten. Aber zum Glück konnte Sascha ja immer dann übersetzen, wenn ich gar nicht mehr weiterkam. Gegen Mitternacht wurde dann die Musik sehr laut und das Reden und Verstehen war für mich fast unmöglich geworden. Was also tun? Nun, auch wenn diese Musik kaum meinem Geschmack entsprach tanzten wir denn noch ziemlich viel, bis wir irgendwann ein Taxi für den Rückweg bestellten und ich mich gegen 4:30 endlich hinlegen konnte. 

Donnerstag, 5. Januar 2012

Кататься на коньках на острове татышева

Die drei "Eisprinzessinnen": Liza, Vika und Dascha (die alle drei großartig Deutsch sprechen)
Zumindest anfangs saß ich recht häufig auf einer Bank
Stehprobe
Wie in einem früheren Eintrag schon einmal erwähnt, gehören zur Stadt Krasnojarsk auch zwei Inseln, die in erster Linie mit ihren Parkanlagen der Erholung der gestressten Bevölkerung dienen. Auf der größeren, der Tatischew-Insel, gibt es neben ausgedehnten Wandermöglichkeiten auch einige Sportanlagen, wie der im Winter zur Eisbahn umfunktionierte Sportplatz.
Nun haben wir Ferien und was kann man schon bei -20°C schon Besseres tun, als ein wenig Wintersport? Das dachten sich auch Dascha, Vika und Liza und nahmen mich heute zum Schlittschuhlaufen mit.
Das ist wahre Grazie!
Nun ist das so eine Sache mit dem Schlittschuhlaufen! Als Grobmotoriker, der in einem winterarmen Land lebt, habe ich das nie erlernt und auch erst ein einziges Mal auf den Kufen gestanden. Das ist Jahre her und war schrecklich, peinlich und schmerzhaft. Aber weil ich mir vorgenommen habe, so viel wie möglich hier zu erleben, willigte ich in den Vorschlag ein. So trafen wir uns also an der Schule und fuhren mit dem Bus zur Tatischew-Insel, wobei ich vor mich hin grübelte. Ja, ich gebe es zu: Ich hatte weiche Knie und mir war gar nicht wohl in Erinnerung an meine blauen Flecken. Dascha hatte auf meinen Witz zum "Knochenbrechen" in einer e-mail mich mit den Worten "Seien Sie sicher - das Schlimmste, was Ihnen passieren kann, wäre ein halbes Dutzend blauer Flecken, weiter nichts!" beruhigen wollen, aber ...
Naja, geht doch schon (fast)!
Auch Pausen müssen sein; Sascha (rechst) kam später noch hinzu
Na gut, lassen wir das! Jedenfalls kamen wir an der Eisbahn an und ich musste erst einmal ein Paar Schlittschuhe ausleihen. Schon das Anziehen der Dinger erwies sich als Herausforderung für eine Flachland-Sommer-Ratte wie mich, um wieviel schwieriger war dann das Stehen auf den schmalen Kufen - und das alles noch ganz ohne Eis. Nach ein paar Trockenübungen ging es dann raus in die herrlich erfrischende Kälte und jetzt begannen erst meine wahren Probleme. Wie bewegt man sich fort, wenn man keinerlei Fixpunkt hat? Wie kann man die Richtung ändern? Wie stoppt man die Dinger, wenn erst einmal Fahrt aufkommt? Das sind Fragen, die mir zu dieser Zeit noch nicht durch den Kopf gingen. Ich hatte erst einmal zu tun, nicht umzufallen, wobei sich die Mädchen abwechselten, mich irgendwie aufrecht zu halten. Nun, langer Rede kurzer Sinn: Ich begann ein Gefühl für die Schlittschuhe zu entwickeln und bewegte mich zunehmend freier, glitt schon kurze Strecken über das Eis, wenn auch etwas wackelig, und fiel nicht ein einziges Mal ernsthaft hin. Und das Allerbeste - Die Sache machte mir einen riesigen Spaß! Ich werde diese - leider wohl sehr unansehnlichen - Übungen wiederholen, und in Deutschland werde ich mir Inline-Skaters kaufen und dann im Sommer weiter trainieren.

Mittwoch, 4. Januar 2012

Музей имени В. И. Сурикова

Nördliche Tundra im Herbst, 1987
Fantastische Winterträume mitten in der Stadt
Ich hatte am 17.11. des letzten Jahres an dieser Stelle versprochen, mich genauer mit dem großen Maler W. I. Surikow zu beschäftigten. Dies hatte ich heute auch vor, als ich mich heute vormittag vor den elektronischen Stadtplan Krasnojarsks von "2ГИС" setzte, dann aber feststellen musste, dass es hier drei "Museen des Namens W. I. Surikow" gibt. Ich musste mich entscheiden und fuhr also zu dem am weitesten von zuhause entfernten Museum, wo ich auch als einziger Gast von drei netten, älteren Damen wortreich empfangen wurde. Eine der drei Damen merkte auch sehr schnell, dass ich kaum etwas verstand und bemühte sich bemerkenswerterweise um eine langsame und klare Aussprache. Im Verlaufe unseres Gespräches erfuhr ich sehr schnell, dass dieses "Surikow-Museum" nur diesen Namen trägt, aber einem moderneren Krasnojarsker Künstler namens Gennadij Gorenskij gewidmet ist. Aus dem Gespräch konnte ich weiter erfahren, dass dieser Gorenskij die Liebe zu seiner sibirischen Heimat in Bildern verarbeitet, die in einem Surikow ähnlichen Stil geschaffen wurden. Leider verließ der 1938 geborene Künstler später seine Heimatstadt und siedelte ins benachbarte Minussinsk (nur 600 km) um. Dort allerdings malte Gorenski bis zu seinem Tod 2009 fast ausschließlich Motive aus dem Krasnojarskij Kraj.
Nenzische Fischer, 1972
Nun, jetzt war ich einmal hier und war mittlerweile auch an den Bildern, die ich auf Entfernung zum Teil sehen konnte, sehr interessiert - also zahlte ich die nur 50 Rubel Eintritt und tauchte ein in die faszinierende Bilderwelt der sibirischen Taiga und Tundra. Hier lernte ich mit dem Bild Neue Kleidung, 1969 die Lebensweise der ursprünglich hier ansässigen Ewenken, insbesondere die Arbeitsweise der ewenkischen Frauen, kennen, während ein anderes Bild - Nenzische Fischer, 1972 - die Arbeit der Männer des weit im Norden siedelnden Volkes der Nenzen thematisierte. Andere Gemälde widmeten sich der sibirischen Natur zu jeder Jahreszeit, wobei mich besonders der Winter faszinierte. Es ist wohl so, dass der sibirische Winter eine besondere Ansteckungsgefahr beinhaltet, denn ich muss jetzt einfach mal zugeben, dass auch ich von diesem Winter, der jetzt langsam frostiger wird, absolut fasziniert bin.
Das einfache Leben der Bewohner der sibirischen Taiga hat auch Gorenskij besonders im Winter porträtiert und diesen stillen Menschen damit ein Denkmal gesetzt.
Orthodoxe Kirche in der Krasnojarsker "Taiga"
Aber eigentlich wollte ich doch Surikows Gemälde bewundern! Wieder half mir die nette Dame sehr wortgewaltig und trotzdem einfühlsam und erklärte mir den kurzen, aber etwas komplizierten Weg zum zweiten Surikow-Museum, in dem leider auch nur sehr wenige von Surikows Kunstwerken zu finden seien, da sich das Moskauer Tretjakow-Museum die Sahnestücke unter den Nagel gerissen hat. Der Weg war mit der Beschreibung auch nicht schwer zu finden, aber dennoch latschte ich an dem Museum vorbei und musste erst eine Dame auf der Straße nach dem richtigen Gebäude fragen. Diese gab auch sehr klar Auskunft und fragte mich dann, woher ich denn käme.
"Я Немец," sagte ich, worauf sie gleich in wunderbarem Deutsch sagte, dass sie jahrelang in Deutschland gelebt habe.
Aufbruch der Bauernin der Taiga im März, 1994
Der gute, alte Surikow bleibt aber hier!
Nun kam ich also in ein sehr schönes Gebäude aus den 1870er Jahren, dessen Fassade wie auch Inneres den Eindruck einer gerade erst stattgefundenen Renovierung erweckte, und sah mich erwartungsfroh um. Wieder kostete der Eintritt nur 50 Rubel und diesmal die Fotoerlaubnis weitere 60 Rubel. Dann war ich doch ein wenig enttäuscht von diesem Museum. Nein, die Gemälde, Skulpturen und weiteren Kunstwerke waren wunderbar und absolut sehenswert. Aber für Surikow höchstselbst blieb nur ein relativ kleiner Nebenraum übrig, so dass ich herrliche Kunst erfahren konnte, aber eben Nichts zu Surikow. Ich hatte gehofft, dass die Moskauer uns vielleicht die "Bojarin Morosowa", das mir liebste Gemälde von Surikow, da gelassen hätten. Aber welche Naivität: Warum sollte man die gerade die besten Werke des Maler unbeachtet lassen? Es ist wie zu Zeiten der Romanows - wer etwas zu bieten hat, wird nach Moskau verschafft, und wer nichts hat, darf ruhig im fernen Sibirien bleiben! Dabei haben schon die alten Zaren nicht erkannt, dass gerade hier in Sibirien, fernab der Überwachung durch die gefürchtete Ochrana, der Geist der Freiheit gedeihte und sich hier - Lenin in Schuschenskoje (!) - die Revolution von 1917 vorbereitete.



Ich bin froh, die sibirische Freiheit genießen zu dürfen, würde aber dennoch gern einmal in die Moskauer Tretjakow-Galerie gehen, nur um Surikows Gemälde sehen zu dürfen.

W. I. Surikow: Die Bojarin Morosowa, 1887

Dienstag, 3. Januar 2012

Лёдяное художество

Dieses Kunstwerk verweist auf das Jahr des Drachen 2012
Warum gibt es in Deutschland eigentlich keine Kunst aus Eis? Diese Frage stellt sich in Deutschland wohl kaum mal jemand, denn über etwas Nichtexistentes nachzudenken, ist Zeitverschwendung. Hier allerdings konnte ich mir diese Frage stellen, obwohl die Antwort natürlich auf der Hand liegt: Es gibt in Mitteleuropa keine konstanten Frostperioden mehr (der Klimawandel lässt grüßen). Hier gibt es trotz Klimawandel noch Frost und damit auch Eiskunst.
Ein Engel vor dem Weihnachtsbaum
Um diese Kunstwerke genauer zu genießen, bin ich also gestern in die Stadt zum Platz des Operntheaters gefahren, wo sich die größte und schönste Eiskunst-Sammlung der Stadt befindet. Neben dem Theater ist eine kleine Landschaft eines Waldes im Gebirge, eine Reminiszenz an den Naturpark von Stolby, entstanden, in dessen Zentrum sich eine Eisrutsche für die kleinen Kinder befindet. Ein paar Schritte weiter geht man am Jenissej-Springbrunnen die Treppen herunter oder kann direkt daneben auch als großes Kind eine recht lange Eisrutsche erfahren. Dort unten angekommen befindet sich der Besucher dann in einer ganzen Stadt aus Eis, mit kunstvoll gefertigten Mauern, wundervollen Skulpturen und allerhand weiteren Kunstwerken, die teilweise auch farblich gestaltet sind. Einen besonderen Genuss bieten diese Kunstwerke in der Nacht, wenn alles in geheimnisvolles Licht gehüllt ist. Hier konnte ich an diesem wundervollen, sonnigen Wintertag auch einiges zur Geschichte und Kultur Krasnojarsks erfahren, obwohl ich einige der dargestellten Allegorien aufgrund fehlenden Vorwissens nicht verstand.
Unwissen ist auch die Ursache des zweiten interessanten Erlebnisses des gestrigen Tages. Da ich Hunger hatte, ging ich also einige Straßen weiter in ein kleines Restaurant namens "Balkangrill", um dort ein spätes Mittagessen einzunehmen. Dass dieses eins der teureren Restaurants der Stadt ist, erfuhr ich erst, als ich in die Speisekarte sah. Nun war es allerdings zu spät und ich bestellte zuerst einen Tomatensaft. Der Kellner verwieß mich auf meine Frage hin dann auch mit einer relativ unwirschen Geste auf den englischsprachigen Zusatz der Karte. Auf meine Frage, ob er denn auch Englisch spreche, sagte der Mann nur "Да да" und wandte sich zum gehen. Er weigerte sich auch im Folgenden konsequent, Englisch zu sprechen, obwohl er ganz offensichtlich meine englische Bestellung gut verstand. Nach einigen Minuten kurzweiligen Wartens kamen dann auch meine Cevapcici mit Pommes Frites und ich freute mich auf ein gut gewürztes Essen. Leider ist es in Russland so, dass man Schärfe völlig vergeblich an den Speisen erwartet - genau dies war denn leider auch bei dem kroatischen Gericht so.
Дед Мороз и Сенгурочк
Da es jedoch sehr reichhaltig war, musste ich bedauerlicherweise fast die Hälfte des Gerichtes wieder zurückgeben. Beim Abräumen fragte der Kellner in der typischen schnellen Sprechweise der Sibiriaken etwas, das ich nicht verstand - also sagte diesmal ich: "Да да".
Nach Begleichen der Rechnung verließ ich dieses Restaurant in der Gewissheit, hier nie wieder einzukehren. An der Garderobe erwartete mich denn doch noch eine Überraschung, als der Mann dort auf Englisch zu mir sprach und mir bedeutete, dass die daneben liegende Tüte mir gehöre. Ich schaute nach und erblickte die Reste meines Essens fein säuberlich eingepackt. Ich dachte nur, dass dies zum Service des Restaurants gehöre und verließ das Gebäude. Erst zu Hause kam mir dann der Gedanke, dass der Kellner gefragt haben könnte, ob er es einpacken solle, und ich hatte nur "Ja ja" gesagt. Kann also Unverständnis auch positive Folgen haben? War das relativ unfreundliche Auftreten des Kellners mit einem netten Abschluss gesegnet? Mein spätes Abendessen war jedenfalls gesichert.
Der Kinderstreichelzoo im Winter ohne Tiere

Kleiner Nachtrag: Heute war ich mit Nadja und der kleinen Katja im Krasnojarsker Zoo, möchte aber nicht weiter darüber schreiben, denn die allermeisten Tiere taten mir unendlich leid. Für die Kinder ist das jedoch eine ganz gute Möglichkeit, Tiere im Orginal zu sehen und nicht nur aus Büchern kennen zu lernen.