"O Fortuna!" - Wer kennt sie nicht, die berühmte "Carmina Burana" von Carl Orff? Fast jeder in Deutschland weiß damit sofort etwas anzufangen, auch wenn wohl die wenigsten die Hintergründe kennen.
Im Jahre 1803 entdeckte man im Kloster von Benediktbeuren bei dessen Auflösung eine bislang unbekannte Handschrift mit 254 mittelhochdeutschen und lateinischen Texten, die vom Alltagsleben der Menschen im 11. und 12. Jahrhundert berichteten. Darunter befanden sich auch allegorische Texte zu ganz allgemeinen Lebensregeln und zu den sieben Todsünden, deren Versform auf Lieder schließen ließen. Carl Orff entdeckte für sich diesen Schatz 1935 in der Bayerischen Staatsbibliothek und komponierte aus dem vorliegenden Material seine bis heute berühmte "Carmina Burana", wobei er sich ausschließlich auf die weltlichen Texte stützte und deren geistliche Pendants nicht einarbeitete.
Was aber weiß man im fernen Sibirien über deutsche mittelalterliche Texte? In einigen Gesprächen fand ich heraus, dass man hier weder Carl Orff noch die "Carmina Burana" kennt. Umso überraschter war ich gestern abend, das Operntheater bei der hiesigen Premiere bis auf den letzten Platz ausverkauft vorzufinden.
Ich hatte Tanja und Nadja zu diesem Theaterbesuch eingeladen, und so holten die beiden mich zuhause ab (Tanja hat jetzt einen Führerschein!) und wir fuhren wunderbar geruhsam und sicher zum Theater, in dem sich bereits der Saal füllte. Und dann ging der Vorhang auf: "O Fortuna, velvet Luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis ..." Auf zwei treppenartigen Podesten standen in überlange Gewänder gehüllte Mönchsgestalten und erfüllten das Theater mit dem Gesang über das wechselhafte Schicksal.
Ebenso wechselhaft war denn auch die vor den Podesten sich amüsierende Schicksalsgöttin mit zwei Gesichtern dargestellt, in deren Fängen sich die Menschen verfingen und von Wollust, Gier und Völlerei übermannt wurden. Die launische Fortuna gab Macht und nahm sie ganz nach Belieben, verführte die Menschen in die Hölle mit der Trunksucht und der Gier nach Macht, bis von einem lorbeerbekränzten griechisch-römischen Götterpaar das Volk von diesem falschen Weg zur Tugend geleitet wurde.
Nicht so sehr der Gesang war es diesmal, der mich so faszinierte, wenn es auch fantastisch war, einen kräftigen Mann zu hören, der mit seinem Gesang zwischen einem volltönenden Bass und dem kunstvollen Falsett alà Farinelli wechselte. "Drei Oktaven," zischte mir Tanja dann auch ganz fasziniert zu! Nun, ich habe ja keine Ahnung, aber der Gesang, sowohl des 48-stimmigen Chores als auch die Solo-Parts, war schon toll.
Was mich aber weitaus mehr begeisterte, war wieder einmal die tänzerische Leistung der russischen Balletttänzer und die bildhafte Umsetzung der Geschichte. Die Fortuna tauchte nicht nur doppelgesichtig, sondern auch in immer wechselnden Kleidern auf und machte so ihre Launenhaftigkeit mehr als deutlich. Dem Volk ging es immer dann gut, wenn es sich mit bunten Tüchern kennzeichnen konnte - was der große Widersacher immer wieder zunichte zu machen versuchte. Der Tod (natürlich ein Mann) stand als fülliges Weib in einem weiten Reifrock auf der Bühne und bezirzte die Menschen mit einem glockenklaren Countertenor. Und in der Hölle tauchte dann auch der Teufel höchstpersönlich auf - in SS-Uniform, begleitet von zwei in Lack und Leder gekleideten Dominas, die, ihrem Herren gehorchend, gemeinsam mit ihm den Arm zum Hitlergruß hoben!
Eine derart moderne Interpretation hatte ich wahrlich nicht in einem russischen Theater vermutet, war aber gerade des Kontrastes zum sonst eher gemäßigt-konservativen Stil der restlichen Darstellung wegen tief beeindruckt. Die Aufführung der "Carmina Burana" im sibirischen Krasnojarsk könnte vielleicht so manch einen deutschen Theaterregisseur zum Nachdenken bewegen, wenn er geradezu zwanghaft meint, Verdis "Macbeth" ausschließlich in Naziuniformen oder nackt auftreten lassen zu müssen. Der Modernitätszwang ermüdet in seiner reinen Form, kann aber als Kontrast sehr aufhellend wirken. Das habe ich hier, in der ach so furchtbaren sibirischen Eiswüste, erkannt.
Im Jahre 1803 entdeckte man im Kloster von Benediktbeuren bei dessen Auflösung eine bislang unbekannte Handschrift mit 254 mittelhochdeutschen und lateinischen Texten, die vom Alltagsleben der Menschen im 11. und 12. Jahrhundert berichteten. Darunter befanden sich auch allegorische Texte zu ganz allgemeinen Lebensregeln und zu den sieben Todsünden, deren Versform auf Lieder schließen ließen. Carl Orff entdeckte für sich diesen Schatz 1935 in der Bayerischen Staatsbibliothek und komponierte aus dem vorliegenden Material seine bis heute berühmte "Carmina Burana", wobei er sich ausschließlich auf die weltlichen Texte stützte und deren geistliche Pendants nicht einarbeitete.
Was aber weiß man im fernen Sibirien über deutsche mittelalterliche Texte? In einigen Gesprächen fand ich heraus, dass man hier weder Carl Orff noch die "Carmina Burana" kennt. Umso überraschter war ich gestern abend, das Operntheater bei der hiesigen Premiere bis auf den letzten Platz ausverkauft vorzufinden.
Ich hatte Tanja und Nadja zu diesem Theaterbesuch eingeladen, und so holten die beiden mich zuhause ab (Tanja hat jetzt einen Führerschein!) und wir fuhren wunderbar geruhsam und sicher zum Theater, in dem sich bereits der Saal füllte. Und dann ging der Vorhang auf: "O Fortuna, velvet Luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis ..." Auf zwei treppenartigen Podesten standen in überlange Gewänder gehüllte Mönchsgestalten und erfüllten das Theater mit dem Gesang über das wechselhafte Schicksal.
Ebenso wechselhaft war denn auch die vor den Podesten sich amüsierende Schicksalsgöttin mit zwei Gesichtern dargestellt, in deren Fängen sich die Menschen verfingen und von Wollust, Gier und Völlerei übermannt wurden. Die launische Fortuna gab Macht und nahm sie ganz nach Belieben, verführte die Menschen in die Hölle mit der Trunksucht und der Gier nach Macht, bis von einem lorbeerbekränzten griechisch-römischen Götterpaar das Volk von diesem falschen Weg zur Tugend geleitet wurde.
Nicht so sehr der Gesang war es diesmal, der mich so faszinierte, wenn es auch fantastisch war, einen kräftigen Mann zu hören, der mit seinem Gesang zwischen einem volltönenden Bass und dem kunstvollen Falsett alà Farinelli wechselte. "Drei Oktaven," zischte mir Tanja dann auch ganz fasziniert zu! Nun, ich habe ja keine Ahnung, aber der Gesang, sowohl des 48-stimmigen Chores als auch die Solo-Parts, war schon toll.
Was mich aber weitaus mehr begeisterte, war wieder einmal die tänzerische Leistung der russischen Balletttänzer und die bildhafte Umsetzung der Geschichte. Die Fortuna tauchte nicht nur doppelgesichtig, sondern auch in immer wechselnden Kleidern auf und machte so ihre Launenhaftigkeit mehr als deutlich. Dem Volk ging es immer dann gut, wenn es sich mit bunten Tüchern kennzeichnen konnte - was der große Widersacher immer wieder zunichte zu machen versuchte. Der Tod (natürlich ein Mann) stand als fülliges Weib in einem weiten Reifrock auf der Bühne und bezirzte die Menschen mit einem glockenklaren Countertenor. Und in der Hölle tauchte dann auch der Teufel höchstpersönlich auf - in SS-Uniform, begleitet von zwei in Lack und Leder gekleideten Dominas, die, ihrem Herren gehorchend, gemeinsam mit ihm den Arm zum Hitlergruß hoben!
Eine derart moderne Interpretation hatte ich wahrlich nicht in einem russischen Theater vermutet, war aber gerade des Kontrastes zum sonst eher gemäßigt-konservativen Stil der restlichen Darstellung wegen tief beeindruckt. Die Aufführung der "Carmina Burana" im sibirischen Krasnojarsk könnte vielleicht so manch einen deutschen Theaterregisseur zum Nachdenken bewegen, wenn er geradezu zwanghaft meint, Verdis "Macbeth" ausschließlich in Naziuniformen oder nackt auftreten lassen zu müssen. Der Modernitätszwang ermüdet in seiner reinen Form, kann aber als Kontrast sehr aufhellend wirken. Das habe ich hier, in der ach so furchtbaren sibirischen Eiswüste, erkannt.
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