Montag, 7. Januar 2013

Сочельник и Святки

Это белая береза.
Ich hatte, kurz vor den Ferien, bei den Schülern einmal die These vertreten, dass den allermeisten Russen Weihnachten ja ziemlich egal sei und sie den Tag nur als willkommenen freien Tag genießen würden. Sofort kam von den Mädels vehementer Einspruch: "In den Kirchen ist das ganz wichtig!" Auf meine Frage, wer von ihnen oder ihren Verwandten und Bekannten denn an Рождество in die Kirche ginge, zog betroffenes Schweigen ein und die Schüler blickten genau dahin, wohin ein Schüler recht oft seinen Blick wendet: nach unten auf die Bank oder nach oben an die Decke!
Dicht gedrängt: ...
So habe ich mich mal genauer informiert und bin heute auch in die Kirche gegangen. Laut Bundeszentrale für politische Bildung bezeichnen sich zwar rund 75% der Russen als orthodoxe Christen, aber höchstens 10% der Gesamtbevölkerung kann als praktizirend bezeichnet werden. Orthodoxie bedeutet für die allermeisten Russen 
Göäubige vor der Ikonostase
eben nicht Glaube sondern Patriotismus. Dementsprechend wenig besucht sind auch die Kirchen hierzulande. Bei meinem heutigen Besuch war ich aber denn doch ein wenig überrascht, die kleine Kirche relativ gut gefüllt zu sehen. Feiern also doch mehr Russen das Weihnachtsdest, halten vielleicht gar die 40-tägige Fastenzeit vom 28. November bis zum 6. Januar ein? Aber auch in Deutschland sind interessanterweise am 24. Dezember die Kirchen ein wenig besser besucht als an normalen Sonntagen.
Ein russischer Traum
Weihnachten mit all seinen umfangreichen Bräuchen und Regeln (vgl. Weihnachten in Russland) kennen hier nur noch wenige. Wenn ich mit meinen russischen Freunden darüber rede, wird doch sehr häufig mit einem ahnungslosen Schulterzucken geantwortet. Сочельник, also "Heiligabend" am 6. Januar, bringt bei vielen eben doch nur fragende Blicke hervor; und dass Святки, der "Weihnachtsfeiertag" am 7. Januar, das Fest der "Fleischwerdung Christi" nach dem alten julianischen Kalender ist, wissen auch nur die Wenigsten. Man freut sich einfach über den freien Tag, wenn man nicht gerade im Einzelhandel arbeitet, denn die Geschäfte sind alle geöffnet und der Kommerz läuft wie immer.
Das Wetter hier ist allerdings weitaus weihnachtlicher als ich es je in Deutschland (zumindest in der mir erinnerlichen Zeit) erlebt habe. So konnte ich denn heute auf dem Spaziergang zur Kirche die wahrhaft herrlichsten schnee- und reifbedeckten Pflanzen mit dem Fotoapparat einfangen. Ein Winterspaziergang unter der sibirischen Sonne sei noch einmal jedem Besucher Russlands empfohlen, denn die Sinneseindrücke auf knirschendem Schnee und bei klirrender Kälte sind genau solch ein einmaliges Erlebnis, das man sich für den perfekten Urlaub wünscht.

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