Donnerstag, 31. Januar 2013

Карл Орф: "Кармина Бурана"

"O Fortuna!" - Wer kennt sie nicht, die berühmte "Carmina Burana" von Carl Orff? Fast jeder in Deutschland weiß damit sofort etwas anzufangen, auch wenn wohl die wenigsten die Hintergründe kennen.

Im Jahre 1803 entdeckte man im Kloster von Benediktbeuren bei dessen Auflösung eine bislang unbekannte Handschrift mit 254 mittelhochdeutschen und lateinischen Texten, die vom Alltagsleben der Menschen im 11. und 12. Jahrhundert berichteten. Darunter befanden sich auch allegorische Texte zu ganz allgemeinen Lebensregeln und zu den sieben Todsünden, deren Versform auf Lieder schließen ließen. Carl Orff entdeckte für sich diesen Schatz 1935 in der Bayerischen Staatsbibliothek und komponierte aus dem vorliegenden Material seine bis heute berühmte "Carmina Burana", wobei er sich ausschließlich auf die weltlichen Texte stützte und deren geistliche Pendants nicht einarbeitete.

Was aber weiß man im fernen Sibirien über deutsche mittelalterliche Texte? In einigen Gesprächen fand ich heraus, dass man hier weder Carl Orff noch die "Carmina Burana" kennt. Umso überraschter war ich gestern abend, das Operntheater bei der hiesigen Premiere bis auf den letzten Platz ausverkauft vorzufinden.
Ich hatte Tanja und Nadja zu diesem Theaterbesuch eingeladen, und so holten die beiden mich zuhause ab (Tanja hat jetzt einen Führerschein!) und wir fuhren wunderbar geruhsam und sicher zum Theater, in dem sich bereits der Saal füllte. Und dann ging der Vorhang auf: "O Fortuna, velvet Luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis ..."  Auf zwei treppenartigen Podesten standen in überlange Gewänder gehüllte Mönchsgestalten und erfüllten das Theater mit dem Gesang über das wechselhafte Schicksal.
Ebenso wechselhaft war denn auch die vor den Podesten sich amüsierende Schicksalsgöttin mit zwei Gesichtern dargestellt, in deren Fängen sich die Menschen verfingen und von Wollust, Gier und Völlerei übermannt wurden. Die launische Fortuna gab Macht und nahm sie ganz nach Belieben, verführte die Menschen in die Hölle mit der Trunksucht und der Gier nach Macht, bis von einem lorbeerbekränzten griechisch-römischen Götterpaar das Volk von diesem falschen Weg zur Tugend geleitet wurde.
Nicht so sehr der Gesang war es diesmal, der mich so faszinierte, wenn es auch fantastisch war, einen kräftigen Mann zu hören, der mit seinem Gesang zwischen einem volltönenden Bass und dem kunstvollen Falsett alà Farinelli wechselte. "Drei Oktaven," zischte mir Tanja dann auch ganz fasziniert zu! Nun, ich habe ja keine Ahnung, aber der Gesang, sowohl des 48-stimmigen Chores als auch die Solo-Parts, war schon toll.
Was mich aber weitaus mehr begeisterte, war wieder einmal die tänzerische Leistung der russischen Balletttänzer und die bildhafte Umsetzung der Geschichte. Die Fortuna tauchte nicht nur doppelgesichtig, sondern auch in immer wechselnden Kleidern auf und machte so ihre Launenhaftigkeit mehr als deutlich. Dem Volk ging es immer dann gut, wenn es sich mit bunten Tüchern kennzeichnen konnte - was der große Widersacher immer wieder zunichte zu machen versuchte. Der Tod (natürlich ein Mann) stand als fülliges Weib in einem weiten Reifrock auf der Bühne und bezirzte die Menschen mit einem glockenklaren Countertenor. Und in der Hölle tauchte dann auch der Teufel höchstpersönlich auf - in SS-Uniform, begleitet von zwei in Lack und Leder gekleideten Dominas, die, ihrem Herren gehorchend, gemeinsam mit ihm den Arm zum Hitlergruß hoben!
Eine derart moderne Interpretation hatte ich wahrlich nicht in einem russischen Theater vermutet, war aber gerade des Kontrastes zum sonst eher gemäßigt-konservativen Stil der restlichen Darstellung wegen tief beeindruckt. Die Aufführung der "Carmina Burana" im sibirischen Krasnojarsk könnte vielleicht so manch einen deutschen Theaterregisseur zum Nachdenken bewegen, wenn er geradezu zwanghaft meint, Verdis "Macbeth" ausschließlich in Naziuniformen oder nackt auftreten lassen zu müssen. Der Modernitätszwang ermüdet in seiner reinen Form, kann aber als Kontrast sehr aufhellend wirken. Das habe ich hier, in der ach so furchtbaren sibirischen Eiswüste, erkannt.

Montag, 28. Januar 2013

Приветствия из Дома

Shit happens, oder?
Ich habe ja schon mehrfach über das Busfahren in Krasnojarsk berichtet und könnte eigentlich nach jeder Fahrt - also mindestens drei mal wöchentlich - ein neues Kapitel hinzufügen. Viele, vielleicht auch die meisten dieser Berichte wären wenig positiv, aber spannend ist das Busfahren immer. Ich könnte über Unfälle berichten, die ich glücklicherweise nie selbst erlebt, sondern nur beobachtet habe.
Man beachte: "Probefahrt"!
Interessanter sind da aber die Geschichten, die man im Bus erlebt. Es ist schon spannend, wenn der Busfahrer mit Vollgas von der Bushaltestelle abfährt, so dass jeder, der sich nicht ordentlich festhält, unweigerlich umfallen muss. Dann rasen viele Busse schnellstmöglich zur nächsten Haltestelle, wo sie mit einer Vollbremsung im letzten Moment zum Stehen kommen. Lustig ist das nicht für die sich krampfhaft festhaltenden Passagiere. Ebenso wenig
lustig sind die olfaktorischen Belästigungen in manchen Bussen. Ich bin schon aus Bussen vorzeitig ausgestiegen, weil ich Angst vor einer Abgasvergiftung hatte. Wenn es nicht nach Abgasen stinkt, hat man zuweilen als Nachbarn einen Mann, der zum Frühstück ein Kilogramm Knoblauch verspeist hat. Für die Nase hat das dann etwa die gleichen Auswirkungen - aber es ist immerhin gesund.

Ich wäre ja interessiert, was das kostet: Krasnojarsk - Aachen mit dem Taxi!
Manchmal aber gibt es auch sehr Positives zu berichten von der Busfront.
Wenn man über 6.000 Kilometer von der Heimat in einer Stadt wohnt, die von Deutschen nur sehr spärlich frequentiert wird, dann ist man doch über jeden noch so kleinen Gruß aus der guten, alten Heimat froh. So hatte ich einmal das Glück in einem Bus zu fahren, in dem noch der Stadtplan von Helmstedt hing. Manchmal sieht man in den Bussen deutsche Hinweisschilder, die auf die Existenz eines Verbandskastens und gewisser anderer Sicherheitsmaßnahmen hinweisen. Nun gut, gesehen habe ich davon noch nichts, was aber nicht heißen muss, dass es diese Verbandskästen etc. nicht gibt.
Für "gebrechliche Personen" ist Busfahren sowieso zu gefährlich.
Wichtig ist nur die Ikone!
Gestern bin ich mal wieder in einem solchen Bus (aus Aachen) gefahren und konnte, weil es genügend Platz gab, ein paar Fotos von den deutschen Schildern machen. Daraufhin sprach mich die Schaffnerin an und ich erklärte ihr, dass ich mich über diesen Gruß aus dem fernen Deutschland so freuen würde. In einem richtig netten
Dürfte auch hier außer Dienst sein.
Gespräch erfuhr ich dann von ihr, dass der Bus 1976 in Deutschland in Dienst gegangen ist und von dort, als die Deutschen nichts mehr von der alten Kiste wissen wollten, nach Krasnojarsk verbracht wurde. Hier hat man den Bus grundüberholt und für den sibirischen Winter fit gemacht, und jetzt rollt die Kiste und rollt und rollt.
Liebe Deutsche, wenn euch eure Busse nicht mehr gefallen, bitte nicht wegschmeißen!!!

Sonntag, 27. Januar 2013

Cенсорных иллюзий

Unter dem tauenden Schnee kommt jetzt wieder der ganze achtlos hingeworfene Müll zum Vorschein.
Eine kleine Notiz für alle, die immer noch denken, in Sibirien wäre der Winter so furchtbar:
Während Deutschland derzeit bei "sibirischer Kälte" zittert (vielleicht auch aus Angst vor einem totalen Kollaps des öffentlichen Lebens schlottert), hat hier Tauwetter eingesetzt und die echten Sibiriaken stöhnen unter der Hitze. Es ist schon verstörend, wenn es Ende Januar, zu einer Zeit also, da mindestens -30°C herrschen sollten, von den Dächern tröpfelt und die Straßen von kleinen Rinnsalen dreckiger Soße durchzogen werden. Ich glaubte erst an eine Sinnestäuschung, als ich gestern mittag auf meinem Termometer unglaubliche +5°C sah, doch fand ich diese Temperatur nachmittags im Stadtzentrum auf meiner Tour durch den Schneematsch bestätigt.
Interessante Sinnestäuschungen konnte ich dann am späten Nachmittag in einem Café, in dem ich mich mit Jaroslaw traf, entdecken:
Diese beiden Gäste sitzen nicht im Sommer vor einem amerikanischen Straßencafé, während der letzte morgendliche Nebel an der Häuserfront entlangwabert. Zwei Russen trinken Kaffee in einm sibirischen Lokal mitten im Winter!





Was ist bei diesem Bild real, was nicht? Auf dem Tisch steht keine Tasse Cafe, niemand hält einen Löffel mit Zucker darüber und auch die Kaffeebohnen wurden nicht verschüttet.

Freitag, 25. Januar 2013

Красноярский "Lesefuchs" 2013

Alle DSD-Schüler der Jahrgänge 10 und 11 haben sich in unserem schönsten Deutschkabinett mit seiner recht umfangreichen deutschen Bibliothek versammelt und wollen unbedingt über die diesjährigen Lesefuchsbücher informiert werden. Unbedingt? Nun ja, die Sitzhaltung einiger der Schüler verrät eher ein mäßiges Interesse. Drei Schülerinnen allerdings sitzen vor dieser noch überschaubaren Gruppe von leise tuschelnden Jugendlichen und sind hinreichend gespannt. Und dann geht's los, als nämlich Vika, unsere Moderatorin, alle Anwesenden und besonders die drei vorn sitzenden Kandidatinnen begrüßt.
Unsere Lesefüchsinnen - ganz konzentriert
Da ist zuerst Katja, die uns mit den "stillen" Erfahrungen des Romans "Freak City" von Katrin Schocke bekannt macht. Wir lernen die Welt der Gehörlosen, in dem Roman vertreten durch die 14-jährige Lea, kennen und erfahren etwas darüber, wie schwer es für "normale" Menschen ist, Zugang zu dieser Welt zu finden. Eben diese Erfahrung macht auch der anfangs etwas oberflächliche Mika, kämpft sich dann aber doch durch die Schwierigkeiten mit der Gebärdensprache und alle Beziehungsprobleme durch.
Danach stellt uns Olesja die etwas schwerere Kost des Romans "Weggesperrt" von Grit Poppe vor und warnt uns gleich vor dem Fehlschluss, dies wäre ein Buch zum Entspannen. Ein historisch interessierter Jugendlicher wird aber von dieser spannenden Darstellung des Lebens und Leiden in den Jugendwerkhöfen der ehemaligen DDR gefesselt. Die Geschichte der aufmüpfigen Anja, die nach einem Ausreiseversuch ihrer Mutter im Jahre 1988 in den offenen Jugendwerkhof verbracht wird, soll nicht entspannen, sondern zum Nachdenken anregen. Da ist natürlich die Frage nach dem Leben in einer Diktatur, aber auch die Frage, ob sich ein aufrührerisches Verhalten auch bei aller Berechtigung wirklich lohnt.
Als dritte Kandidatin spricht Nastja mit einem verschmitzten Lächeln über das bei weitem nicht so ernst zu nehmende Buch "Tschick" von Wolfgang Herrndorf, in dem zwei 15-jährige Bengels mit einem geklauten Lada Niva durch die brandenburgische "Walachei" tingeln, sich dabei verfahren und so manches Abenteuer erleben. Der zurückhaltende Maik wird in dieser Geschichte vom etwas leichtfüßigen Tschick in einige unangenehme, aber auch oft sehr lustige Situationen verstrickt und erfährt so einen Reifungsprozess, der ihm eine gute Stellung in der Schule sichert.
Das vierte Buch, "Polsprung" von Daniel Westland, wollte so gar keiner vorstellen, weil sich alle darin einig waren, dass der Geschichte von einem 17-jährigen Jungen, der die Welt vor dem Untergang und so ganz nebenbei noch seine ganze Familie vor durchgeknallten Soldaten rettet, einiges an Realismus fehlen würde. Aber in der Diskussion konnten dann doch alle auch dazu Stellung nehmen und ihre Positionen hervorragend in der Fremdsprache (!) behaupten.
Die Siegerin
Aufgabe des Publikums war es dann, aus den drei sehr starken Lesefüchsinnen die Beste zu wählen, die dann auch unsere Schule im Regionalfinale in Nowosibirsk vertreten wird. Am 9. Februar wird nun also Olesja nach Nowosibirsk fahren und, wer weiß das schon, danach zum Halbfinale nach Moskau, zum Endfinale nach Riga?
Allen drei Teilnehmern muss man gratulieren, dass sie in einer Fremdsprache diese oft komplizierten Geschichten nicht nur vorgestellt sondern auch noch kritisch dikutiert haben!
Я поздравляю вас!!!
Angeregte Diskussion (v.l.n.r.): Vika, Fuchs, Katja, Nastja, Olesja

Dienstag, 22. Januar 2013

Сибирский мечты

"Sibirien - ein Wintermärchen!" möchte ich am liebsten in Anlehnung an Heines Endlosgedicht ausrufen!
Diese Eiszapfen in etwa 5 Meter Höhe können im Tauwetter verdammt gefährlich sein. Jetzt sind sie einfach schön!
Sitzen ist hier unklug.
Nachdem wir in der letzten Woche ein paar für sibirische Verhältnisse wirklich warme Frühlingstage hatten, ist das Quecksilber nun wieder auf unter -20°C gesunken. Das Schönste aber ist der neu gefallene Schnee, der den langsam von Grau ins Schwarz wechselnden Schneeflächen wieder einen jungfräulich weiß schimmernden Puderzuckerhut übergestülpt hat, denn seit Tagen schneit es immer wieder, unterbrochen von den gleißenden Strahlen der Sonne. Man könnte schon wieder fast glauben, Krasnojarsk wäre eine saubere Stadt, deren Industrieanlagen mit funktionierenden Filtern einen Beitrag zum Umweltschutz leisten würden. Doch dann wendet sich der traurige Blick doch wieder hoch und entdeckt in der Ferne die
Was ist das? Schnee und ...?
qualmenden Schlote, worüber auch die zum Teil riesigen, schimmernden Eiszapfen an den Dächern der alten Holzhäuser nicht hinwegtrösten können.
Da richte ich doch lieber meine Augen auf den Boden und sehe den in der Luft tanzenden Schneeflocken zu oder erfreue mich am Glitzern der weißen Kristalle im Sonnenlicht, während meine Schuhe bei jedem Schritt mit mir reden: "Knirsch ... Knirsch!"

Sonntag, 20. Januar 2013

Дресс-код в России

Ich ärgere mich, gestern, als ich mit Micha und Wanja um die Blocks gezogen bin, meinen Fotoapparat vergessen zu haben. wir hatten uns im "Kalinka Malinka" zum Essen getroffen und dann recht spontan entschieden, noch in einen Club zum Feiern zu gehen. Ich habe dann mal ein wenig auf die Kleiderordnung in dem Club "Oblaka" geachtet und fast alles das bestätigt bekommen, was mir schon zuvor im Alltag aufgefallen ist.
Sehr viele russische Männer achten recht wenig auf ihr Äußeres und laufen in der Öffentlichkeit so rum, wie sie wohl auch zuhause auftreten. Wie oft habe ich auf der Straße oder in den Bussen Männer in schlabberigen Jogging-Anzügen und achtlos an die Füße gebundenen Tretern gesehen?
Da steckt viel Arbeit drin.
Ganz anders dagegen die Frauen, die von Kopf bis Fuß geschniegelt und gestriegelt sind! Das fängt schon bei der sehr oft kunstvoll frisierten Haarpracht an. Da fast alle Damen in Russland lange Haare tragen, kann man vom einfachen Dutt über Hochsteckfrisur bis zur wallenden Mähne alles sehen. Am kunstvollsten aber sind die fantastisch geflochtenen Zöpfe,
die sich in jeder nur erdenklichen Form an die Kopf- und Gesichtsform schmiegen. Wer an Julia Timoschenko aus der Ukraine denkt, kann eine ungefähre Ahnung dieser Pracht bekommen - allerdings hatte Frau Timoschenko immer die gleiche Frisur, die auch noch längst nicht an die kunstvollsten der hiesigen Geflechte heranreicht.
Auffallen würden hier nur die Tattoos
Dann kommen die Kleider, die ich aus Pietätsgründen nur kurz kommentieren möchte. Ja, russische Frauen tragen in der übergroßen Mehrzahl nicht nur zu festlichen Anlässen sondern auch im Alltag Kleider oder Röcke. So fiel mir gestern ein Mägdelein im Club auf, die eine ganz legere Jeans und darüber Stulpenstiefel anhatte, ganz einfach, weil sie aus dem Rahmen an mehr oder weniger eleganten Kleidern herausfiel. Angesichts vieler Kleider und Röcke konnte ich mich gestern allerdings nicht des Kommentars erwehren: "Ich denke, viele der Mädels hätten bei den Kleidern eine Nummer größer bzw. länger wählen sollen!", worauf Micha anwortete: "Du irrst! Das sind keine Kleider sondern lang gezogene T-Shirts mit einem Gürtel."
Kein Witz! Ähnliches habe ich schon gesehen.
Am gefährlichsten allerdings sind in sehr vielen Fällen die Schuhe der jungen Damen. Zuallererst muss man dazu sagen, dass in Russland nur hochhackige Schuhe als elegant gelten, weshalb die kleinen Mägdelein schon in der Schule zu ihrer Uniform bis zu 20 cm hohe Hackenschuhe tragen.
Das bekommt man hier überall
Dabei sieht man - sowohl im Alltag als auch im Club - alle nur erdenklichen Farben und Formen, was die Sache zu einem echten Hingucker macht. Gestern fiel mir ein Mägdelein im weißen Tüllkleid mit kunstvoll geflochtener Steckfrisur auf, die Schuhe trug, bei denen mir der Atem stockte. Ein Pfennigabsatz ist im Vegleich dazu plump! Die Dame lief auf Messerspitzen rum, und wenn mein Russisch etwas besser gewesen wäre, hätte ich sie nach dem Waffenschein gefragt!
Noch was Lustiges: der letzte "Russe"!
Ja, die jungen Damen achten in Russland sehr auf ihr äußeres Erscheinungsbild, was in deutschen Augen zuweilen auch zu etwas gewagten Kombinationen führen kann. Leider konnte ich das gestern nicht (unaffällig) auf Zelluloid bannen und muss nun zur Illustration auf Bilder aus dem Internet zurückgreifen.

Donnerstag, 17. Januar 2013

И еще: экзамены!

Wie gesagt, wir hatten DSD II-Prüfungen - und am Dienstag und Mittwoch wurde es ernst: Elf Elfklässler waren angetreten, uns von ihren Deutschkenntnissen zu überzeugen.
Heute wohl kaum Vorbilder
Die 20-minütige Prüfung ist in zwei Teile untergliedert, in deren erstem Teil den Prüflingen ein Thema vorgelegt wird, das in 20 Minuten Vorbereitungszeit kritisch überdacht werden muss. Dann folgt ein kurzer Vortrag, in dem das vorgelegte Problem von mehreren Seiten betrachtet und möglichst eine Lösung vorgeschlagen werden soll. Das kann mnachmal sehr interessant sein, wenn man nämlich durch diese Vorträge und die sich anschließenden Diskussionen ganz neue Einsichten in Themen wie Großfamilien oder auch Vorbilder bekommt.

Beutekunst in Kopie im Katerinenpalast
Im zweiten Teil, der wiederum etwa 10 Minuten in Anspruch nimmt, stellen die Schüler ihre Projekte mit einem visuell unterstützten Vortrag vor, woran sich dann ein oft auch sehr kontroverses Gespräch anschließt. Mir fielen in diesem Jahr die oft weit ausgreifenden historischen Abhandlungen auf. Sollten die Kinderlein wirklich zugehört haben, als ich ihnen sagte, dass alles aus einem historischen Blickwinkel betrachtet werden kann? Nun, wie sonst soll man über das Thema Beutekunst reden - hier ist die historische Perspektive ja selbstverständlich.

Wer ist Gott?
Ebenso kommt man an der Geschichte nicht vorbei, wenn man, wie eines der Mädchen, über Gott ohne Kirche reden will. Sie war fest davon überzeugt, dass es einen Gott gibt, der aber von den Amtskirchen (aller Religionen und Konfessionen) nur als Vehikel zu Macht und Reichtum missbraucht wird. Das war für mich natürlich ein gefundenes Fressen, das leider vorzeitig abgebrochen werden musste.
Ein für Russland höchst ungewöhnliches Thema war Homosexualität - Krankheit oder Liebe, in dem die Schülerin über die in Russland grassierende Homophobie berichtete und das an Beispielen wie Klaus Wowereit mit Deutschland verglich. Ungewöhnlich ist dieses Thema deshalb, weil im Allgemeinen hier solche Themen gar nicht öffentlich gemacht werden - aber eine junge Schülerin hat es doch gewagt: Es bewegt sich was in Russland!



Das Leid mit der Leitkultur
Ebenso kontrovers diskutierten wir auch über Tradition - Integration - Assimilation, wobei sich die Schülerin mit dem Leid der deutschen Leitkultur beschäftigte. Sie hatte Probleme der in Deutschland lebenden Russen untersucht und festgestellt, dass es eben doch nicht so einfach ist, in Deutschland zu leben.

Manchmal sind allein die Titel der Projekte schon richtig interessant. Was soll man denn unter folgendem Titel verstehen: Medaillenmaschinen - Dank Anabolika? Ja richtig, es ging um die Rolle des Dopings im Leistungssport und vor allem um die Frage, wer denn daran schuld sei, dass so viel gedopt wird.
La Tour de Farce wäre besser!
Nach einer kontroversen Diskussion konnten wir uns dann aber auf eine gemeinsame Antwort einigen und es fiel mir leicht der These dieser Arbeit zuzustimmen: Gedopt wird im Leistungssport doch nur, weil die gelangweilte Gesellschaft nach immer neuen Spektakeln schreit - schuld am Dopingwahn sind vor allem die Zuschauer, die ständig neue Rekorde sehen wollen!

Alle sind stolz wie Bolle - endlich geschafft!
Angesichts solch spannender Themen störte es mich kaum, dass ich den draußen erwachenden Frühling nur durch die Fenster sehen konnte.
Ja, ihr habt richtig gelesen: 
In Sibirien ist es derzeit mit -3°C wärmer als in Deutschland; und sonniger sowieso!
Diese Wärmeperiode wird aber nicht lange anhalten, und so sind die Sibiriaken froh, dass es ab dem Wochenende wieder unter 15°C kalt wird, denn noch hat hier niemand seine Sommersachen hervorgekramt.

Это и что!

Die verschneite Tatischewa-Insel
Es sind jetzt schon zehn Tage seit meinem letzten Blog-Eintrag vergangen, was sicher zum Teil auch an meiner derzeitigen Schreibfaulheit und an der Ereignislosigkeit hier liegen mag. Das trifft aber nicht auf die letzten vier Tage zu, denn da war es richtig stressig in der Schule: Wir hatten die mündlichen DSD II-Prüfungen.
Blödeln in Schnee und Eis
Ich hatte den sieben Mädchen und vier Jungen gesagt, sie sollten sich gerade in den letzten Tagen nicht so sehr stressen nach der langen Vorbereitungszeit und lieber ein wenig die Zeit genießen. Also luden mich ein paar Mädels am Sonntag in alter Tradition zum Schlittschuhfahren ein, woraus aber nichts wurde, weil die Bahn überfüllt war. So gingen wir einfach durch die herrlich weiße Winterlandschaft spazieren und blödelten im Schnee rum. Auch als wir im Anschluss in einem Cafe uns unterhielten, geschah das wohlgmerkt komplett in Deutsch, war also die perfekte Vorbereitung auf eine mündliche Deutschprüfung.
Vor der Pilotprüfung
Auch am Montag wurde es für die Prüflinge noch nicht wirklich ernst, denn der mündlichen Prüfung sind auf Beschluss der KMK immer drei sogenannte "Pilotprüfungen" vorgeschaltet, die den Prüfern zur
Der Chef vom Ganzen!
eigenen Abstimmung und den Prüflingen zur Einstimmung dienen sollen. Ich hatte den Prüflingen denn auch gesagt, dass die Teilnahme als Zuschauer bei den Pilotprüfungen Pflicht sein und diese erschienen dann auch alle und sahen, wie drei Schülerinnen aus der 10. Klasse die DSD-Prüfung absolvierten. Mit den Themen Auslandspraktikum (im ersten Teil für alle drei) und Kunst und Geld, Geld ist Macht sowie Jugendgewalt (individuelle Projektthemen) konnten uns alle drei auch überzeugen und den Elftklässlern gute Beispiele für deren folgende Arbumentationen geben. Auch die anderen Zehntklässler, die dann im nächsten Jahr ihre Prüfungen ablegen werden, hatten am Montag die Gelegenheit, sich drei gute Beispiele, die im Anschluss gemeinsam ausgewertet wurden, anzusehen.
Eben diese Zehntklässler hatten gerade im März 2012 ihre DSD I-Prüfungen bestanden und erhielten
Die stolzen Diplomanden...
jetzt, wo der Fachberater aus Nowosibirsk gerade da war, auch gleich ihre Deutschen SprachDiplome.
...der erste Teil ist geschafft.
So trafen sich diese Schüler, einige Eltern und die in den DSD-Kursen unterrichtenden Lehrer am Dienstag zur feierlichen Verleihung der Diplome in der Aula. Das war für mich einer der schönsten Momente hier in der Schule, als mich nämlich einige der Mädchen und Jungen vor Freude anstrahlten als wäre das Atommüllendlager, das sich einige hundert Kilometer nördlich von Krasnojarsk befindet, in die Luft geflogen. In solchen Momenten weiß man, warum man Lehrer geworden ist: Auch wenn man sich immer mit den Erziehungsfehlern fremder Leute rumärgern muss, entschädigen diese seltenen Gelegenheiten doch für alles.