Montag, 19. September 2011

Столбы I.

Это Столвы - Felsen inmitten von Birkenwäldern
Wenn man in Krasnojarsk "Stolby" sagt, weiß jeder - vom dreijährigen Kind bis zum achtzigjährigen Greis - was gemeint ist, und seit diesem Wochenende weiß ich es auch. Südöstlich der Stadt befindet sich dieser Naturpark mit den herrlichsten sibirischen Laub- und Mischwäldern inmitten einer gebirgigen Felsenlandschaft.
Sieht schaurig aus, ist aber urgemütlich: Die Wandererhütte
Am Sonntagworgen ging es dann für mich das erste Mal in dieses Muss für jeden Besucher der Stadt. Wir hatten uns zu einer kleinen Wandertour in der Wildnis verabredet. Gerade am Eingangsbereich zu diesem Park angekommen, erlebte ich dann auch schon den ersten Schock: Da es wahrscheinlich einer der letzten schönen und warmen Sonnentage des Jahres gewesen sein wird, strömten Massen von Menschen in den Park. Wir waren geradezu gezwungen, mit diesem Schwarm laut sich unterhaltender Menschen zu schwimmen. Dabei hatten wir aber das Glück, mit Ira eine erfahrene "Stolbysta" (Stolbysti sind eine Gruppe von Naturfreunden, die an den Felsen des Parks Wander- und Klettertouren unternehmen.) als Führerin zu haben, die uns auch bald auf wilden gewundenen Pfaden von den gröhlenden Massen wegführte. So kamen wir auf unserer Wanderung, nach einem sehr steilen Aufstieg, zu einer Wandererhütte, in der wir auch endlich Rast machen konnten. Ich hatte es auch schon sehr nötig, denn obwohl ich natürlich erst mit der großen Klappe dabei war und auch dann nicht meckerte oder schlapp machte, verspürte ich jetzt doch schon ein gewisses Zerren und Reißen in den Knochen. Als Flachlandratte ist man solche Berge eben nicht gewohnt.
Der Kanonenofen hatte es mir angetan - richtig kuschelig, oder?
Ira beim Aufstieg (Schon der Anblick ist gefährlich!)
 Diese Holzhütte, direkt an den Berghang zwischen einige riesige Felsbrocken gebaut, war für mich eine Offenbarung. In einem urgemütlichen Gemeinschaftsraum steht ein großer Tisch mit Bänken drum herum, eine kleine Kochecke sorgt für warmen Tee und ein Kanonenofen, wie man ihn bei uns nur noch aus Geschichten kennt, kann an kalten Tagen für die notwendige Wärme sorgen. Über eine Leiter kann man den Schlafraum direkt unter dem Dach erreichen. Auf zweistöckigen Holzflächen sind knapp zwanzig Matratzen ausgebreitet, so dass hier der müde Wanderer in der stillen Einsamkeit sein Haupt niederlegen kann, ohne je etwas von den krakeelenden Touristen mitzubekommen. Naja, mein Gedanke war denn auch gleich, hier eine zweistündige Mittagspause einzulegen. Aber diese Rechnung hatte ich ohne Ira und den zu uns gestoßenen Dima gemacht, denn bald ging es - diesmal ohne Rucksäcke, die wir in der Hütte zwischenlagerten - weiter bergauf zur ersten von insgesamt 15 "Säulen" ("Stolby" heißt auf Deutsch "Säulen").
Blick von oben (Das Foto habe ich selbst gemacht!)
Dort dann der nächste Schock: Die Menschenmassen waren auf anderen Wegen hierher gekommen und erkletterten nun in nicht zu überblickenden Massen diesen ersten Felsen. Ira, Tanja und Dima wollten natürlich als erfahrene Freeclimber auch da hoch; aber ohne mich! Schon der Anblick des 150 Meter hohen Felsen ließ mir das Blut in den Adern gefrieren. Das schlimmste an der ganzen Geschichte, wie auch bei den folgenden Säulen, war diese undisziplinierte, unberechenbare Masse Mensch, die an den Felsbrocken klebte, wie die berühmten sieben Fliegen am Musbrot des "Tapferen Schneiderleins". Es war ein wildes Summen und Brummen, ein buntes Gewirr von kleinen und großen, jungen und alten, dicken und dünnen Menschen, in dem jeder versuchte, sich gegenüber den anderen durchzusetzen. Da ich nicht ganz schwindelfrei bin, nahm ich dankend Abstand vom Angebot der erfahrenen Kletterer, mir beim Aufstieg zu helfen. Nur die zweite Säule, die um ein vielfaches einfacher ist, wagte ich zu ersteigen, auch wenn beim Herunterschauen in die tiefsten Tiefen die Schweißperlen auf meiner Stirn einen ganz besonderen Glanz im Sonnenlicht anzunehmen schienen. Mir wurde jedenfalls mit jedem weiteren Blick zunehmend wärmer.
Abendessen mit Freunden in freier Natur - auf Russisch
Nach einigen Klettertouren, deren aufmerksamer Beobachter ich sein durfte, ging es am späteren Nachmittag zurück zur Wandererhütte, in der wieder eine Tasse Tee und ein nettes kleines Abendmahl, bestehend aus gebratenen Kartoffeln und einem Salat, auf uns wartete. Gemeinsam mit der immer noch warmen Sonne stiegen wir dann abends ins nun sich zunehmend leerende Tal hinab und fuhren in die dunkle Tristesse einer sibirischen Industriestadt hinein. Erst der nächste Morgen - also heute - ließ mich wieder erkennen, dass diese Wandertour nicht nur besonders schön sondern auch anstrengend war.

 Dennoch, Stolby wird mir sicher noch einige tolle Tage bescheren!

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