Samstag, 24. März 2012

Вечер в Бане

Schon der Eingang wirkte anheimelnd
Was macht der Russe im Winter, wenn draußen -50°C herrschen und zwei Meter Schnee liegen? Na klar, er geht in die Banja und lässt sich dort von jungen Mädchen verwöhnen. Soweit die kluge Geschichte von denjenigen, die genau über Russland "Bescheid wissen". Dabei ist diese Banja nur ein kleiner Bretterverschlag irgendwo an einem halb zugefrorenen, einsamen See, in den die Leute nach dem Schwitzen springen. Gestern hatte Michael anlässlich seines Geburtstages zum Besuch einer richtigen russischen Banja eingeladen und ich konnte endlich die Realität erleben, von der ich nicht weniger beeindruckt war, als von dem oben dargestellten "Wissen".
Da Mischa, wie im letzten Eintrag bereits erwähnt, den Mut hat, ein eigenes Auto zu fahren, holte er mich zuhause ab und wir fuhren erst einmal durch ausgedehnte Siedlungen mit Stalinkas, Chruschtschowkas und einigen dazwischen gesetzten nigelnagelneuen Häusern.

Wanja und Mischa haben Spaß
Die Stalinka ist ein Typ des Wohnblocks wie er gegen Ende der Stalinära in der ganzen Sowjetunion Verbreitung fand, wobei die Wohnungen zumeist noch relativ großzügig geschnitten sind.
Den später in den 1960er und 1970er zur Zeit Chruschtschows überall  im Ostblock gebauten Typ der mehrstöckigen Plattenbauten nannte man in der Sowjetunion allgemein Chruschtschowka, wofür in der DDR offiziell der Terminus "WBS 70" verwendet wurde. Dieser Typ der "Platte" zeichnete sich durch etwas engere Wohnungen und das berühmt-berüchtigte Einheitsgrau aus. Durch die schnell zu errichtenden Blocks sollte allen Arbeitern eine gute Wohnung garantiert werden.


Spaß hatte ich aber auch
Plötzlich, wir fuhren gerade durch das dichteste Gewühl aus Plattenbauten, eröffnete sich der Blick auf ein sehr modernes, inmitten der Wohnblocks fast niedlich wirkendes Gebäude mit der Aufschrift "Сауна". Das also sollte eine der vielbeschriebenen Banjas sein? Wo ist dann die Bretterbude, wo der See? Hier trafen wir auch Iwan, der für uns einen Raum in der Sauna bestellt hatte. Wir betraten einen dezent in Holzfarben gehaltenen Raum, der an eine Jägerhütte erinnerte. Daran schloss sich die Sauna, eine Dusche und ein kleines Schwimmbecken an. Das Ganze war eine urgemütliche, perfekt auch für kleine Feiern eingerichtete Banja mit einem großen Eichentisch im Zentrum, an dem wir es uns erst einmal gemütlich machten und einen kleinen Plausch hielten. Noch heute bedaure ich, kein Aufnahmegerät dabei gehabt zu haben, denn das Gespräch mit Wanja war außerordentlich interessant. Obwohl einige Zeit als kleiner Junge in Stralsund aufgewachsen, spricht Wanja nur ein paar Brocken Deutsch, während Mischa kaum mehr Russisch beherrscht als ich, was wahrlich wenig genug ist. So dümpelte ein trotz allem sehr angeregtes Gespräch zwischen Russisch mit eingebautem Deutsch und Deutsch mit eingebautem Russisch dahin, wobei auch immer wieder einige Fetzen von Englisch oder gar Französisch erklangen. Wir verstanden uns aber trotz oder gar wegen dieses babylonischen Wirrwars ganz prächtig.
Der Höhepunkt waren natürlich die Sitzungen in der eigentlichen Sauna, wo sich der Unterschied zwischen Russen und Deutschen schon zeigte. Während Wanja einen Aufguss nach dem anderen in der fast unerträglichen Hitze zusetzte, verschlug es mir zuweilen den Atem. Dem Russen schien diese geradezu mörderische Hitze kaum etwas auszumachen! Im Verlauf des Abends kamen dann auch die von Wanja mitgebrachten Reiser zum Einsatz, mit denen wir uns abwechselnd auf den Rücken und Bauch schlugen und damit den Effekt der Hitze noch verstärkten. Da war das Bad nach jedem Saunagang eine geradezu göttliche Erfrischung, die noch von der Wassermassage verstärkt wurde. Beim dritten oder vierten Saunagang rannte Wanja plötzlich aus dem Raum und kam mit einer Flasche Bier zurück, die er in das Aufgusswasser kippte. Mischa wusste Bescheid und sagte auch gleich: "Ah, хлеб! Das ist хорошо." (oder so ähnlich)
Saft, Wodka und Chips

Kleiner Tipp für Saunafans: Man gebe in den Aufguss etwas Bier und der Raum füllt sich mit dem appetitlichen Aroma frisch gebackenen Brotes!

In den Pausen erholten wir uns bei russischem Sekt, etwas Wodka und Saft von den zuvor durchgemachten Anstregungen. Ja, auch wenn das jetzt etwas übertrieben klingt, diese Saunagänge sind sehr anstrengend. So richtig wurde mir das aber erst zuhause bewusst, als ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte und auch bald ins Bett fiel. Beim Aufstehen heute früh fühlte ich mich denn auch etwa so, wie ein Gulag-Häftling nach vier Wochen Workuta. Dennoch war es ein toller Abend, und mittlerweile fühle ich mich wie neugeboren.
Ach noch etwas: Als wir aus der Banja herauskamen, sahen wir auch ein paar Mädchen.

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