Mittwoch, 28. März 2012

Я болен: простуда

Mittelchen gegen Erkältung
Wir haben gerade Ferien und auch ich dachte, ich könnte mal drei Tage gänzlich von der Schule wegkommen und wieder etwas unternehmen. So hatte ich eigentlich vor, mit Freunden von den Stolbisty in einer Sporthalle das Klettern an den Wänden zu trainieren, damit ich zur nächsten Freeclimbing-Tour in Stolby fit bin, denn dann geht es auf die Königssäule. Hauptanliegen aber war der Besuch des Sepultura-Konzertes am Donnerstag im "Che". (Ja, liebe headbanger, die brasilianischen Metal-Götter suchen ihre "Roots, bloody Roots" auch hier in Sibirien!!!)
Aber leider wird aus den ganzen schönen Plänen nichts, denn ich habe mir eine gute sibirische Erkältung eingefangen und doktore jetzt in einer Ochsenkur an mit herum. Wir hatten ja vor einigen Tagen einen richtigen Wärmeeinbruch mit bis zu 15°C und seit gestern wieder Schnee und Sonne abwechselnd bei 0°C, wo ich mich irgendwann wohl einmal leichtsinnig verhalten habe.
Ist das jetzt Werbung für die deutsche Pharmaindustrie?
Zum Glück hatte ich schon in Deutschland den möglichen Fall einer Erkältung und anderer Wehwehchen vorausgedacht und mich mit Medizin im Werte von 150,- Euro eingedeckt. Jetzt kommen also einige dieser Salben, Tropfen und Tabletten zur Anwendung, um mir den Gang zum Arzt zu ersparen. Es ist gar nicht, dass ich den hiesigen Ärzten mehr misstrauen würde als den deutschen, auch wenn mir hier schon gesagt wurde: 'Wenn du an den falschen Arzt kommst, dann hast du hinterher mehr Probleme als zuvor'.
Das ist jedenfalls russisch!
Nein, die medizinische Versorgung scheint hier gut zu sein, und immerhin gibt es ein gut funktionierendes Krankenversicherungssystem (Da könnte sich zumindest ein hochentwickeltes westliches Industrieland, das sonst immer alles weiß, etwas abgucken!!!), aber ich wollte eventuellen Irrtümern durch fehlende Sprachkenntnisse aus dem Weg gehen und auch den Kolleginnen nicht noch ständige Arztbesuche mit mir zumuten.
Ich sitze jetzt also zuhause, nehme irgendwelche Mittelchen zu mir, sehe hinaus in die Sonne oder den Schnee und trauere mit schwerem Kopf einem musikalischen Genuss aus dem brasilianischen Urwald nach - das Leben ist ja ach so gemein!

Montag, 26. März 2012

Экзамен: "DSD I - LV, HV, SK"

Und wieder einmal war es heute soweit: Die Schüler mussten zur schriftlichen Prüfung für das Deutsche Sprachdiplom antreten, nur waren es dieses Mal die "Kleinen" aus dem 9. Jahrgang, die das DSD I schrieben. Das allerdings ist auch schon der deutlichste Unterschied zur letzten Prüfung. Grundsätzlich sehen die Prüfungen hierbei fast genauso aus wie die zum DSD II, welches die 11.-Klässler am 6. Dezember geschrieben haben.
Tief in Gedanken versunken
Um 08.50 Uhr waren alle Schüler pünktlich zu der Prüfung im Raum versammelt, was in zweierlei Hinsicht ein kleines Wunder ist. Denn erstens kommt es, wie ich mittlerweile erfahren habe, in vielen DSD-Schulen regelmäßig dazu, dass einer oder mehrere der angemeldeten Prüfungskandidaten ohne Angabe von Begründungen nicht erscheinen, was natürlich das Nichtbestehen zur Folge hat. Zum zweiten nimmt man es hier oftmals mit der Pünktlichkeit nicht so genau. (Wer mich etwas genauer kennt, kann vielleicht verstehen, wie ich leide!) So sind zum Beispiel noch am Samstag bei der Probeprüfung zwei Schüler "pünktlich" fünf Minuten nach dem festgesetzten Termin erschienen und konnten gar nicht verstehen, warum ich darauf so scharf reagierte. Erst als ich ihnen die möglichen Folgen einer Verspätung klar machte, schienen sie eine Einsicht zu haben.
In dem Raum herrscht absolute Ruhe
Man sieht, dass jeder eine andere Strategie hat
So ging es heute punktlich um 09.00 Uhr los mit dem Leseverstehen (LV), wobei die Schüler mehrere kurze Texte zu lesen hatten und diesen einige Aussagen bzw. Überschriften zuordnen sowie Fragen beantworten mussten. Ebenso pünktlich begannen wir dann nach einer kleinen Pause mit dem Hörverstehen (HV), das fast genauso wie LV aussieht, nur dass die Texte eben nicht auf Papier, sondern auf einer CD vorliegen. Was mir dabei mehr als deutlich auffiel, war der außerordentliche hohe Anspruch an die Denkfähigkeit der Schüler. Wer vermutet, dabei müsste man ja nur richtig zuhören und dann das Entsprechende ankreuzen, wird von seinem Ergebnis wahrscheinlich enttäuscht sein. Die korrekte Lösung der Aufgaben verlangt von den Schülern neben guten Sprachkenntnissen erhebliche logische Leistungen, denn auf den Antwortbögen tauch fast nie direkt das auf der CD Gesagte auf - alles wird dort in anderen Worten und Umschreibungen wiedergegeben. Dazu kommt die Schwierigkeit, dass die zu wählenden Antworten oftmals extrem ähnlich sind. Diese hohen Anforderungen machten uns Lehrer denn auch reichlich nervös, wobei wir uns dann aber mit den gerade bekannt gewordenen Ergebnissen der DSD II-Prüfungen vom Dezember beruhigten. Unsere Schüler hatten alle mit guten Ergebnissen bestanden und damit gezeigt, dass das Gymnasium Nr. 6 in Krasnojarsk die wohl beste DSD-Schule in ganz Sibirien ist. Warum sollten unsere 9.-Klässler schlechter sein?
Schon fast geschafft
Beruhigt waren wir dann ganz besonders, als es zum schwersten Teil der Prüfungen, der Schriftlichen Kommunikation (SK) ging. Hier müssen die Schüler anhand von vier Aussagen aus einem Forum einen Leserbrief an eine Zeitung schreiben und darin diese Aussagen "korrekt" und "eigenständig" zusammenfassen, ihre eigenen Erfahrungen zum gestellten Thema "ausführlich" darlegen und ebenso ausführlich ihre Meinung dazu kundtun und begründen. Es war ein Thema gestellt, das wir in epischer Breite behandelt hatten, so dass dieser letzte Teil fast zu einem Heimspiel wurde.
Jetzt heißt es für uns alle also wieder: Abwarten und Hoffen, Beten, Glauben (jeder nach seiner Facon), bis die Ergebnisse im Mai oder Juni bekannt gegeben werden. Der erste Sieg ist schon erstmal, dass wir vollzählig mit 14 gemeldeten Kandidaten angetreten sind und sie alle ihr Bestes gegeben haben.

Sonntag, 25. März 2012

Дёнер

Als ich am 15. August 2011 hier in Krasnojarsk ankam, hatte ich ja keine Ahnung, wie entbehrungsreich diese Zeit in Russland sein kann. Ein passionierter Döner-Esser wie hat hier, wie ich sehr schnell erfahren sollte, eine schwierige Zeit vor sich, denn von Döner Kebab hat man hier offensichtlich nicht die geringste Ahnung.
Heute, nach mehr als acht Monaten (!), konnte ich mal wieder einen essbaren Döner verdrücken. Welch göttliches Ereignis! Michael hatte mich im Vorbeifahren auf eine Dönerbude aufmerksam gemacht und gesagt, diese Kebabs wären genießbar. Genau das wollte ich ausprobieren und bin mit dem Ergebnis auch zufrieden. Nun, diese Döner sind bei Weitem nicht so gut wie bei Ali in Deutschland, aber sie sind ok.
Was ist drin in einem russischen дёнер? Auf dem Bild sieht man, was es sein soll: In das Fladenbrot gehören Fleisch (Huhn oder Rind), Gurken, Tomaten, Paprika, Zwiebeln, Krautsalat und "Spezialsauce". Von den Zwiebeln habe ich leider nichts bemerkt, und auch die Spezialsauce würde wohl in Deutschland auf wenig Begeisterung treffen, aber insgesamt kommen einem Kenner diese Zutaten doch bekannt vor. Für mich war es heute ein Festessen für 110 Rubel (2,55 €), und ich weiß jetzt, wo ich essbaren Döner herbekomme!

Samstag, 24. März 2012

Весенние опасности: грязь и слякоть

Hier möchte ich eine Ente sein
Es ist warm in Krasnojarsk, sehr warm! Heute zeigte mein Termometer schon 11°C im Schatten an und ich stehe auf dem Balkon in kurzen Hosen. Damit ist das Tauwetter so richtig losgebrochen und hat etwas Gefährliches mit sich gebracht, an dessen Existenz ich angesichts der dauerhaft scheinenden Sonne nicht mehr geglaubt habe. Viele Gehwege sind kaum noch mit normalem Schuhwerk passierbar - sie haben sich in endlose Schlammfelder verwandelt.
Heute wollte ich nach der Schule - wir haben noch einmal vor dem Ernstfall am Montag eine Probeprüfung geschrieben - zu meiner Lieblingsstolowaja ins Торговый Центр gehen und nahm dabei, ziemlich gedankenlos, den kürzesten Weg zwischen den Stalinkas hinter der Schule.
Was ich nicht erwartet hatte, war, dass mein Weg dadurch erheblich länger wurde und ich auch erheblich länger unterwegs war.
Das sind nicht die Pripjetsümpfe, sondern ein Gehweg


An mehreren sehr schattigen Stellen war der Tauprozess noch nicht sehr weit fortgeschritten, so dass sich auf dem zu Eis festgetretenen Schnee eine Wasserlache gebildet hatte, wodurch jeder Schritt mit einer Rutschpartie einherging. An anderen Stellen muss man durch knöcheltiefen Schneematsch waten, um nicht direkt in die großen Tümpel des Schmelzwassers zu geraten. Dann wieder gibt es keine vernünftige Ausweichmöglichkeit, so dass der arme Wanderer in einem den Beobachter sicher sehr belustigenden Gang auf Zehenspitzen durch die Wasserlachen stapft, dabei immer besorgt um den jämmerlichen Zustand seiner trotz alledem bereits nassen Hosen. Besonders spannend wird es dann an den Stellen, die nicht asphaltiert sind. Hier habe ich die Wahl zwischen Pest und Cholera, zwischen Schlamm mit einem höheren Wasseranteil, Schlamm mit einem
Für Kinder ein Spielparadies, für Mütter ein Alptraum
höheren Anteil an Erde und Schlamm mit einer gesunden Mischung aus beidem. Was wählt man da? Nach einigen Abenteuern vergeht einem dann auch die große Vorsicht und es geht schon ein wenig schneller voran. Dennoch bleibt die Vorsicht die Mutter der Schlammschlacht. Es wäre nämlich höchst gefährlich, einfach gedankenlos einherzumarschieren, könnte der nächste Schritt dich doch aufs Glatteis führen. So gehen die meisten Menschen zur Zeit ein wenig langsamer durch die Straßen und achten dabei deutlich weniger auf das, was rechts und links passiert. Man muss eigentlich immer auf die nächsten Schritte achten und kann auch immer nur etwa fünf Meter voraus planen. Ein guter
Frei nach Shakespeare: Recht oder Links - das ist hier die Frage
Wegeplan ist derzeit eine saubere Hose wert. Die Klügeren unter den Stadtbewohnern haben sich zudem mit guten Gummistiefeln bewaffnet, was zu kuriosen Beobachtungen führen kann. An einer besonders unpassierbaren Stelle kam mir heute ein Mann im edlen Zwirn entgegen und schritt dabei auch sehr bestimmt einher. Seine Anzughosen hatte er in wunderbare Gummistiefel gesteckt, wie man sie sonst nur beim Bauern im Schweinestall findet. Und ich musste dem Mann meinen Respekt zollen, während ich in Zeitlupentempo über die schlammige Wiese schlitterte. Zwei junge Damen waren allerdings noch weniger gut ausgerüstet als ich. Sie hatten sich, der hiesigen Mode folgend, Stilettos mit etwa zehn Zentimeter hohen Pfennigabsätzen über die zarten Füßlein gestreift und versanken in dem Modder. Nur der obere Rand der Stiefel ließ erahnen, wie gut diese Stiefel heute morgen auf Hochglanz geputzt waren. Die Spitzen der Stiefelchen erinnerten eher an das Feldgrau der alten deutschen Uniformen.
Dieses traurige Bild bedarf keiner Erläuterung
Ein ganz anderes Problem ergibt sich aus dem fünf Monate lang unter dem Schnee verfaulenden Dreck. Da sind ja nicht nur achtlos weggeworfene Kippen, Zigarettenschachteln und Plastikflaschen (ein Pfandsystem gibt es leider nicht), sondern zu allem Überfluss auch die vielen tausend kleinen Häufchen. Eine Kollegin hatte vor zwei Wochen mal zu mir gesagt: "Jetzt wirst du sehen, wie elendig viele Hunde es in Krasnojarsk gibt." Ich habe damals noch über diese Bemerkung gelächelt. Doch mittlerweile ist mir dieses Lächeln eingefroren, denn wenn man erfolgreich die größten Schlammlöcher umschifft hat, steht man garantiert in irgendeinem mehrere Monate alten Hundehaufen.

Вечер в Бане

Schon der Eingang wirkte anheimelnd
Was macht der Russe im Winter, wenn draußen -50°C herrschen und zwei Meter Schnee liegen? Na klar, er geht in die Banja und lässt sich dort von jungen Mädchen verwöhnen. Soweit die kluge Geschichte von denjenigen, die genau über Russland "Bescheid wissen". Dabei ist diese Banja nur ein kleiner Bretterverschlag irgendwo an einem halb zugefrorenen, einsamen See, in den die Leute nach dem Schwitzen springen. Gestern hatte Michael anlässlich seines Geburtstages zum Besuch einer richtigen russischen Banja eingeladen und ich konnte endlich die Realität erleben, von der ich nicht weniger beeindruckt war, als von dem oben dargestellten "Wissen".
Da Mischa, wie im letzten Eintrag bereits erwähnt, den Mut hat, ein eigenes Auto zu fahren, holte er mich zuhause ab und wir fuhren erst einmal durch ausgedehnte Siedlungen mit Stalinkas, Chruschtschowkas und einigen dazwischen gesetzten nigelnagelneuen Häusern.

Wanja und Mischa haben Spaß
Die Stalinka ist ein Typ des Wohnblocks wie er gegen Ende der Stalinära in der ganzen Sowjetunion Verbreitung fand, wobei die Wohnungen zumeist noch relativ großzügig geschnitten sind.
Den später in den 1960er und 1970er zur Zeit Chruschtschows überall  im Ostblock gebauten Typ der mehrstöckigen Plattenbauten nannte man in der Sowjetunion allgemein Chruschtschowka, wofür in der DDR offiziell der Terminus "WBS 70" verwendet wurde. Dieser Typ der "Platte" zeichnete sich durch etwas engere Wohnungen und das berühmt-berüchtigte Einheitsgrau aus. Durch die schnell zu errichtenden Blocks sollte allen Arbeitern eine gute Wohnung garantiert werden.


Spaß hatte ich aber auch
Plötzlich, wir fuhren gerade durch das dichteste Gewühl aus Plattenbauten, eröffnete sich der Blick auf ein sehr modernes, inmitten der Wohnblocks fast niedlich wirkendes Gebäude mit der Aufschrift "Сауна". Das also sollte eine der vielbeschriebenen Banjas sein? Wo ist dann die Bretterbude, wo der See? Hier trafen wir auch Iwan, der für uns einen Raum in der Sauna bestellt hatte. Wir betraten einen dezent in Holzfarben gehaltenen Raum, der an eine Jägerhütte erinnerte. Daran schloss sich die Sauna, eine Dusche und ein kleines Schwimmbecken an. Das Ganze war eine urgemütliche, perfekt auch für kleine Feiern eingerichtete Banja mit einem großen Eichentisch im Zentrum, an dem wir es uns erst einmal gemütlich machten und einen kleinen Plausch hielten. Noch heute bedaure ich, kein Aufnahmegerät dabei gehabt zu haben, denn das Gespräch mit Wanja war außerordentlich interessant. Obwohl einige Zeit als kleiner Junge in Stralsund aufgewachsen, spricht Wanja nur ein paar Brocken Deutsch, während Mischa kaum mehr Russisch beherrscht als ich, was wahrlich wenig genug ist. So dümpelte ein trotz allem sehr angeregtes Gespräch zwischen Russisch mit eingebautem Deutsch und Deutsch mit eingebautem Russisch dahin, wobei auch immer wieder einige Fetzen von Englisch oder gar Französisch erklangen. Wir verstanden uns aber trotz oder gar wegen dieses babylonischen Wirrwars ganz prächtig.
Der Höhepunkt waren natürlich die Sitzungen in der eigentlichen Sauna, wo sich der Unterschied zwischen Russen und Deutschen schon zeigte. Während Wanja einen Aufguss nach dem anderen in der fast unerträglichen Hitze zusetzte, verschlug es mir zuweilen den Atem. Dem Russen schien diese geradezu mörderische Hitze kaum etwas auszumachen! Im Verlauf des Abends kamen dann auch die von Wanja mitgebrachten Reiser zum Einsatz, mit denen wir uns abwechselnd auf den Rücken und Bauch schlugen und damit den Effekt der Hitze noch verstärkten. Da war das Bad nach jedem Saunagang eine geradezu göttliche Erfrischung, die noch von der Wassermassage verstärkt wurde. Beim dritten oder vierten Saunagang rannte Wanja plötzlich aus dem Raum und kam mit einer Flasche Bier zurück, die er in das Aufgusswasser kippte. Mischa wusste Bescheid und sagte auch gleich: "Ah, хлеб! Das ist хорошо." (oder so ähnlich)
Saft, Wodka und Chips

Kleiner Tipp für Saunafans: Man gebe in den Aufguss etwas Bier und der Raum füllt sich mit dem appetitlichen Aroma frisch gebackenen Brotes!

In den Pausen erholten wir uns bei russischem Sekt, etwas Wodka und Saft von den zuvor durchgemachten Anstregungen. Ja, auch wenn das jetzt etwas übertrieben klingt, diese Saunagänge sind sehr anstrengend. So richtig wurde mir das aber erst zuhause bewusst, als ich mich kaum noch auf den Beinen halten konnte und auch bald ins Bett fiel. Beim Aufstehen heute früh fühlte ich mich denn auch etwa so, wie ein Gulag-Häftling nach vier Wochen Workuta. Dennoch war es ein toller Abend, und mittlerweile fühle ich mich wie neugeboren.
Ach noch etwas: Als wir aus der Banja herauskamen, sahen wir auch ein paar Mädchen.

Montag, 19. März 2012

Дорожное движение

Michael im Пицца Перци
An diesem Wochenende bin ich mal wieder mit einem deutschen Freund in der Stadt unterwegs gewesen. Michal lebt und arbeitet schon seit zwei Jahren als Luftfahrttechniker in Krasnojarsk, wodurch er natürlich ein tieferes technisches Verständnis hat. Das Besondere aber ist, dass er hier auch Auto fährt und mir damit die Möglichkeit gab, nach Monaten der Abstinenz mal wieder in einem Auto hinter dem Lenkrad zu sitzen - wenn auch das Fahrzeug dabei nicht bewegt wurde.
Hurra! Auto (ohne) fahren
Warum ist es so etwas Besonderes, wenn Michael Auto fährt? Nun, wer den hiesigen Verkehr einmal erlebt hat, wird meine Reaktion wohl verstehen. Es gibt, direkt an der Hauptbrücke über den etwa zwei Kilometer breiten Jenissej, einen sehr großen Kreisverkehr, der ungefähr mit jenem am Pariser Arc de Triomphe vergleichbar ist. Aufgrund fehlender Fahrbahnmarkierungen ist es mir auch in langen Beobachtungen nicht gelungen herauszufinden, für wie viele nebeneinander fahrende Autos die Straße gedacht ist. Im Berufsverkehr kann sich der Verkehr auch gern mal sechs- oder siebenspurig dort entlang wälzen. Der Spurwechsel der meisten Fahrzeuge erfolgt dann oft sehr spontan und vermittelt mir den Eindruck eines perfekt organisierten Chaoses. Aus dem Bus betrachtet, entbehrt das nicht einer gewissen Kuriosität: Der Busfahrer nutzt, um schneller zu sein, gern mal die Innenspur, muss aber, um an die auf dem Kreisel liegende Bushaltestelle zu kommen, auch im dicksten Gewühl nach ganz rechts außen wechseln!
Reparatur? Warum, fährt doch noch!
Auf der Brücke überholen die Busfahrer zudem gern einmal mit überhöhter Geschwindigkeit fahrende Kleinwagen, um dann in letzter Minute nach rechts herüberzuziehen, denn direkt im Anschluss befindet sich eine weitere Haltestelle. Besonders lustig ist der Kampf zweier verfeindeter Busfahrer um den ersten Platz an der folgenden Haltestelle, wobei gern ein Elefantenrennen mit laut dröhnenden Motoren veranstaltet wird. Wer jetzt aber glaubt, die Busse wären die einzige Gefahr, der irrt - und zwar ganz gewaltig. Michael meinte auf die Frage, warum er sich so ein großes Auto gekauft hat, dass dies eine Sicherheitserwägung sei: "In einem Unfall hast du mit einem größeren Wagen bessere Chancen!" Da musste ich ihm wohl recht geben.
Wer das Nummernschild entziffert, bekommt 1.000 Rubel!
Es gibt auf den hiesigen Straßen viele PKW, denen ich gar keine Chance einräumen möchte. Viele Fahrzeuge würden allerdings auch im schwersten Unfall ihr Aussehen nur marginal verändern. Wahrscheinlich würde der zentimeterdicke Dreck auf den Karossen sowieso die meisten Schäden verdecken. Andererseits fahren eine Unmenge Autos, bei denen der deutsche TÜV schon bei einer Sichtprobe auf zweihundert Meter die notwendige Marke verweigern würde. Michael versicherte mir, dass der russische TÜV nicht weniger streng als der deutsche sei. Dabei stehen im Moment die meisten dieser Fahrzeuge derzeit noch in den Garagen, da sie den sibirischen Frost nicht überleben würden. Wie also können diese schrottreifen Rostlauben weiterhin die Straßen verstopfen? Russland/Sibirien ist voller Geheimnisse!
Die Kühlung funktioniert in diesem Falle gut

Freitag, 16. März 2012

Плавка снега

Wer war schon einmal im Altai, einem der höchsten und rauhesten Gebirge der Welt?
Ich kann zwar nicht sagen, dass ich schon einmal im Altei gewesen bin, aber immerhin bin ich schon einmal im Hubschrauber über das Gebirge hinweggeflogen und habe dabei schneebedeckte, karstige Berglandschaften von einmaliger Schönheit gesehen:

Der Altai ist ein bis zu 4.506 m hohes Hochgebirge im Grenzgebiet von Kasachstan, Russland, der Mongolei und Cina. Es erstreckt sich über rund 2.100 km Länge vom Quellgebiet der Flüsse Irtysch und Ob in Südsibirien.
Der Altai gliedert sich in drei Teile, den Russischen, den Mongolischen und den Gobi-Altai, deren höchste Gipfel über oder um 4.000 m aufragen und große Gletscher tragen. Nördlich des Mongolischen Altai liegt der geografische Mittelpunkt Asiens in der Nähe der Stadt Kyzyl, bei der es vor kurzem zwei schwere Erdbeben gab.

Nun, so ganz stimmt die Geschichte ganz oben ja nicht, aber als ich diese Fotos machte, stellte ich mir vor, dass das die höchsten Gipfel des Altei-Gebirges sein könnten. Bei uns in Krasnojarsk hat jetzt nämlich die Schneeschmelze mit voller Wucht eingesetzt und zeigt wieder neue, interessante Facetten des sibirischen Wetters. In der Nacht herrschen auch jetzt noch Temperaturen von -10°C, so dass morgens alle Wege von einer glatten Eisschicht überzogen sind, welche dann tagsüber schmelzen. Da hier jeden Tag, den ganzen Tag die Sonne aus einem endlosen Himmel auf uns herunter scheint, verdunstet glücklicherweise auch ein erheblicher Teil des Matsches. Dadurch ist die sogenannte "Schlammperiode" hier nicht so schrecklich und lang anhaltend, wie ich mir das aus den Geschichten meines Vaters über Leningrad vorgestellt habe. Allerdings kommen unter dem schmelzenden Schnee auch sehr skurrile Dinge, von den Menschen in fünf Monaten des Winters weggeworfen, zum Vorschein.

 Aber wieder einmal zeigt sich, dass der Mensch auch bei aller Kunstfertigkeit niemals das Niveau natürlicher Skurrilität erreichen kann. An tausenden Ecken schmelzen nun die großen Berge des im Winter zusammengeschobenen Schnees und öffnen nach Süden, also zur Sonne, hin einen Blick auf phantastische "karstige Berge", wie sie sonst nur auf den Hochgebirgen zu sehen sind.

Mittwoch, 14. März 2012

Будни в школе

Katja lernt für's DSD I
Wenn man in Sibirien lebt muss man wohl sehr praktisch veranlagt sein, und die Russen hier sind es. Das ist mir am Montag aufgefallen, als bei uns in der Schule die vollautomatische Klingel ausfiel. Die Lösung des Problems war denn auch so simpel wie effektiv. Man gab der Wächterin einfach eine kleine Tischglocke in die Hand, die sie zur ungefähr rechten Zeit einfach an das Mirkofon hielt und dann für ein paar Sekunden wie wild schüttelte. Der dann über die Lautsprecheranlage übertragene Klingelton war zwar zeitlich nicht ganz so exakt wie gewohnt, dafür war aber jedes Klingeln ein ganz individuelles Erlebnis und wir schreckten nicht jedes Mal vor der furchtbar Lauten Musik des üblichen Klingeltons zusammen.

"Mein" Schreibtisch in der Schule
Eine gewisse praktische Veranlagung erfordert auch die Arbeit mit der Tafel. Die Wandtafeln sind nämlich nicht etwa zum Hoch- und Runterfahren ausgelegt, sondern fest in der Wand verschraubt. Um die Tafel in meinem Raum wirklich effektiv zu nutzen, muss ich zu Beginn des Unterrichts auf einen Stuhl steigen und kann am Ende der Stunde fast auf Knien davor hocken, wie vor einem heiligen Schrein.
Ein ähnliches Bild ergab sich denn auch gestern in einer Konsultation mit Katja zur Vorbereitung der DSD I-Prüfung. Ich wollte dem Kind die Entwicklung einer europäischen Stadt vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert erklären und dazu eine Skizze an die Tafel bringen. Zum Schluss ergab sich denn auch ein sehr "kreatives" Tafelbild, das keiner weiteren Erklärungen bedarf:

Donnerstag, 8. März 2012

Международный Женский День

Großfürstin Olga die Heilige (900-969)
Walentina Wladimirowna Tereschkowa
Der heutige Tag ist in Russland ein Feiertag, denn am 8. März ehren die Russen mit dem "Internationalen Frauentag" die Leistungen ihrer Frauen. Und diese Leistungen sind bemerkenswert. Da gibt es herausragende Persönlichkeiten in der Geschichte und Politik, wie die Großfürstin Olga "die Heilige", mit der die eigentliche russische Geschichte beginnt, und natürlich kennt auch in Deutschland jeder die kleine Prinzessin Sophie von Anhalt-Zerbst, die als Zarin Katharina die Große in die Geschichte einging. Aber auch in anderen Bereichen gibt es hinreichend Beispiele für "große" Frauen: Valentina Tereschkowa - die erste Frau im Weltall, die großartike Mathematikerin Sofia Kowalewskaja, Anna Achmatowa - die wohl bedeutendste russische Dichterin, die Sportlerin des Jahres 2009 Jelena Issinbajewa und natürlich noch viele weitere. Meine persönliche Favoritin ist die Sängerin Pelageja Chanowa, die mit ihrer göttlichen Stimme sehr viel für die Verbreitung traditioneller russischer Volksmusik tut. Sie vermischt diese alten Lieder mit modernen Klängen und spricht damit auch ein junges Publikum in Russland und in der ganzen Welt an. Ich haиe mir eine CD, "Pelageja: Sibirskij Drive", gekauft und konnte gar nicht anders, als stundenland dieser stimmgewaltigen Frau zu lauschen und damit (vielleicht) einen kleinen Teil der russischen Seele einzufangen.
Aber es sind nicht so sehr die "großen" Frauen, die Tag für Tag hervorragende Leistungen vollbringen - geehrt sollten vielmehr die vielen "kleinen" Dinge, mit denen sich die Frauen herumschlagen müssen, und nicht nur an diesem Tag. Wenn ich an die Leistungen der tausende von Lehrerinnen (aufgrund des geringen Lohnes sind kaum Männer in den Schulen anzutreffen) denke, die sich tagtäglich mit den Kindern anderer Leute herumärgern müssen, dann muss ich einfach den Hut ziehen. Man denke auch an die vielen alleinerziehenden Mütter hier, die, um ihren Kindern eine gute Zukunft zu sichern, sehr hart arbeiten müssen. Ich habe eine Schülerin, deren Mutter sich nicht nur um ihre Tochter kümmert, sondern auch noch - wie selbstverständlich - ein kleines Unternehmen mit Haushaltswarenläden aufgebaut hat und nun dieses leitet - nochmals: Hut ab! Was sind die "Großen" der Welt noch angesichts dieser Leistungen?
Pelageja stammt aus Sibirien
 Genau darum geht es jedes Jahr am 8. März - die Männer ehren die alltäglichen Leistungen der Frauen mit Blumen und vielen anderen kleinen und großen Geschenken. Wieso aber ist es der 8. März und nicht irgendein anderer Tag? Auch wenn sich die deutsche Sozialistin Clara Zetkin und andere Frauen bereits 1910 für die Einführung eines internationalen Frauentages einsetzten und dieser 1911 erstmals auch gefeiert wurde, ist doch dieses Datum, der 8. März, eng mit der Geschichte der Russischen Revolution von 1917 verbunden:
Clara Zetkin und Rosa Luxemburg




Als am 23. Februar 1917 die Petersburger Frauen für ihr in den Rüstungsbetrieben schwer verdientes Geld nicht einmal mehr Brot bekamen, streikten sie und lösten damit eine Welle von Ereignissen aus, die als Februarrevolution mit der Abdankung des russischen Zaren endeten. Frauen haben also eine der bedeutendsten Umwälzungen der Weltgeschichte eingeleitet!
Nach dem damals im Russischen Reich noch geltenden Julianischen Kalender begann die Revolution also am 23. Februar. Nach dem im restlichen Europa geltenden und in Russland 1918 übernommenen Gregorianischen Kalender ist das der 8. März. Also wurde dieser Tag noch auf Betreiben Lenins zum "Internationalen Frauentag" erklärt.



Nun laufen also seit Tagen die Männer in die Blumenläden und geben ihr Geld für Blumen aus, damit sie an diesem einen Tag ihre Frauen ehren. Ist das die vielbeschworene Gleichberechtigung oder nur ein Schutzschild gegen eine weitere Emanzipation? Ich kann aber von hier aus auch nicht mehr tun:
Дорогие женщины!
Сегодня я хочу поздравлять вас с международным женским днём и подарю вас очень счастливый день.

Montag, 5. März 2012

Выходные с немецками и полсками друзами

Dieses Wochenende hat wieder einmal gezeigt, dass ich immer bessere Kontakte hier in Krasnojarsk knüpfe. Nach den vielen russischen Freunden, die ich hier gewonnen habe, lerne ich jetzt auch immer mehr Deutsche und an diesem Wochenende sogar polnische Freunde kennen.
Das ist Katjuscha!!!
Am Samstag war ich mit Jaroslaw, einem hervorragend deutsch sprechenden Russen, auf dem Weg ins "Kalinka-Malinka", wo wir auch gleich Sergej, einen hervorragend russisch sprechenden Deutschen, trafen. Nach einem wie immer fantastischen Essen siedelten wir um ins Irish-Pub namens "Harats", wo wir Riszard, einen hervorragend deutsch und russisch sprechenden Polen, antrafen. Unsere Gruppe wurde im Verlaufe des Abends auch immer größer und blieb dabei sehr international. Wieder einmal bedauerte ich meine mangelnden Russischkenntnisse, denn Katjuscha sprach leider gar kein Deutsch. Dennoch verstand sie mich ganz gut - nur leider konnte ich nicht alles sagen, was ich hätte sagen wollen. Warum ich das bedaure? Nun seht euch einfach das Foto an:
Sergej machte dann später am Abend ein Angebot, das ich nicht ausschlagen konnte. "Wir wollen morgen endlich mal raus - nach Stolby. Kennst du das?" Und ob ich Stolby kenne! Ich war ja nun schon mehrfach da und habe, dank Tanja und Nadja, schon Ecken gesehen, die auch die wenigsten Einheimischen kennen. Sergej meinte dann auch: "Weißt du was, wir holen dich morgen mit dem Taxi ab und du machst den Führer!" Wow! Ich bin endlich mal nicht der dumme Junge, der von anderen gezeigt bekommt, wo es langgeht, sondern soll anderen etwas zeigen!
Deutsch-Polnische Freundschaft in Russland: Pawel, Max, Riszard, Stanislaw, Sergej
Russland wie aus dem Bilderbuch!
Und so ging es also am Sonntag gegen Mittag hier los nach Stolby - zu einer fantastischen Winterwanderung durch die verschneite Natur. Schon im Taxi bemerkte ich, dass alle meine Pläne Unsinn waren, denn die Herren waren zum Teil nicht für eine Wanderung ausgerüstet. Mit edlen Lederschuhen kann ich wohl niemanden durch knietiefen Schnee den Berg hochjagen. Also liefen wir dieses Mal den offiziellen Touristenweg, der nach den Worten Sergej's eher einer "Autobahn" gleicht. Allerdings seilten sich schon nach etwa der Hälfte der Strecke zwei der polnischen Freunde ab. Wir fünf übriggebliebenen - Sergej, Frank, Max, Stanislaw und ich - marschierten aber tapfer weiter auf der schneeglatten Piste bis zur ersten Säule. Dort oben wehte dann auch ein kräftiger Wind bei -5°C, so dass besonders Frank und Max ohne Mützen sehr schnell zwei Feuermelder als Ohren hatten.
Die erste Säule im Schnee
Die Rücktour ist dann immer etwas einfacher, da es ausschließlich bergab geht. Wir hatten jedenfalls viel Spaß dabei und ich konnte den Leuten ein wenig über die Kirche der Stolbysti und die Ehrentafeln erzählen, da ich ja schon ein "alter Hase" in Stolby bin. Interessante Beobachtungen machte ich aber zu den Veränderungen, die sich in nur zwei Monaten ausbreiteten. Da waren zwei neue Hütten und einige Spielgeräte für die Kinder - alles aus Holz - hinzugekommen. Die Deutschen meinten dazu dann auch, dass es eigentlich noch viel zu wenig Infrastruktur gäbe und dass man doch noch eine weitere "Pommesbude" und Einiges mehr hinstellen sollte. Heute sagte Tanja allerdings zu mir: "´Das ist gar nicht gut, weil dann immer mehr Touristen kommen, die die tolle Natur noch mehr verschmutzen." Sie haben wohl beide recht, denn mehr Touristen bedeuten sowohl mehr Geld zum Erhalt des Parks als auch mehr Dreck. Hauptsache, die Touristen bleiben auf der "Autobahn"!
Kleiner Nachtrag: Heute ist der 05. März und in Krasnojarsk hat es vormittags aus einem sonnenerhellten Himmel geschneit. Ich konnte leider den Kindern der achten Klasse keine Freudentänze ablocken, habe mich selbst aber wie ein kleines Kind auf Entdeckungstour gefreut.

Donnerstag, 1. März 2012

Ещё раз: кататься на лыжах

Heute ist der 01. März und ich habe gerade im Internetradio den Moderator gehört: "Sie haben's sicher auch schon bemerkt; es ist Frühling!" Frühling? Wir haben, zumindest vormittags, etwa -15°C und reichlich Schnee, der außerhalb der Stadt auch noch sehr schön weiß ist. Und was macht man an einem herrlich frostigen Wintersonnentag? Die 11. Klasse jedenfalls machte sich auf den Weg nach Betluschanka zum Skilaufen, und ich schloss mich der Truppe an, wie ich's am Samstag versprochen hatte.
Wer hier nicht lächelt, schläft!
Meine Ausrüstung bei einer Pause
Ich wusste ja schon immer, dass die Russen ein arbeitsames Völkchen sind, aber dass sie in wenigen Tagen alle Berge in Betluschanka abzutragen schaffen würden, hätte ich mir nie vorstellen können. Als ich heute die mir bereits bekannte Loipe entlanglief, waren jedenfalls all die hohen Berge und tiefen Täler dort verschwunden. Überhaupt war alles anders heute: Ich hatte keine kalten Füße, weil ich mir die guten Wollsocken angezogen hatte, die Skier waren diesmal aus Holz und nicht extra gewachst und ich wusste schon, wie die Sache abläuft.
In Betluschanka angekommen, konnte ich also recht zügig mir die Holzbretter an die Füße schnallen und musste dann aber erst einmal warten, bis alle anderen Läufer an mir vorbeiglitten, wie die jungen Götter. Erst danach machte ich mich auf den Weg und dackelte in meinem Altherrentempo hinterher. Die Meute verschwand auch sehr bald hinter den Bäumen und Hügeln und ich konnte die Stille der frostigen Natur genießen. Dabei machte ich einige Entdeckungen zur Technik des Skifahrens und bemerkte, dass es doch eine ganz passable Art der Fortbewegung sein kann. (Liebe Bayern, ich nehme Einiges von dem am Samstag gesagten zurück.) Die zuvor noch hohen Berge waren heute zu kleinen Hügeln und Bodenwellen geschrumpft, die ich mit einiger - gefühlter - Grazie überwandt, ohne mich dabei, wie schon gesagt, hinzusetzen. Auch den "Berg", den ich beim letzten Mal nur fast geschafft hatte, bezwang ich heute ohne Probleme. (Es gibt also doch Ski ohne eingebauten Rückwärtsgang!)
Белая Берёза; die Weiße Birke könnte man wohl als den russischsten aller Bäume bezeichnen
Winterdienst auf russisch!
Den schönsten Eindruck lieferte mir, wieder einmal, der Frost. Ich hatte ja schon einmal bei einer Wanderung durch Stolby bemerkt, wie der gefrierende Atem sich in kleinen kunstvollen Eisblumen auf den Haaren des Waschbärenpelzes an meiner Kapuze niederschlägt. Um wieviel schöner ist das, wenn der leichte Wind, verstärkt durch den Fahrtwind, diesen Effekt potenziert? Die gesamte obere Frontpartie meiner Winterjacke war weiß! Als die Schüler dann gegen Mittag wieder zum Bus zurückkamen, beobachtete ich diesen Effekt in einmaliger Schönheit bei den langhaarigen Mädchen. Da war aus einem rothaarigen Mägdelein innerhalb von nur eineinhalb Stunden eine weißhaarige "Greisin" geworden. Daschas kunstvoll geflochtener Zopf war mit einer dicken weißen Schicht bedeckt und die schwarzen Haare von Ksenia verbanden sich mit dem Weiß zu einem perfekten Grau.
Ja, hier in Sibirien ist auch der März ein Wintermonat - und dieser Winter hat deutlich mehr schöne Seiten, als schreckliche. Und mit dieser Gewißheit werde ich heute sicher gut schlafen, denn Skilaufen ist auch anstrengend.