Samstag, 30. März 2013

Пасхальный парад

Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern,
Aus Handwerks- und Gewerbesbanden,
Aus dem Druck von Giebeln und Dächern,
Aus der Straßen quetschender Enge
Selten hat sich Goethes Osterspaziergang so bewarheitet wie in diesem Jahr, denn gerade in diesem Jahr endet "der alte Winter, in seiner Schwäche" passgenau mit dem Osterfest - in Deutschland ebenso wie hier in Krasnojarsk. Die derzeit noch auftretenden Nachtfröste sind, zumindest in Deutschland, nur noch die letzten Zuckungen eines sterbenden Gesellen.
Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht
Sind sie alle ans Licht gebracht.
Auch wenn in Sibirien noch lange mit starkem Frost auch tagsüber zu rechnen sein wird, so zeigt sich doch auch hier "des Frühlings holder, belebender Blick". Selbst der nun noch zu erwartende Schnee wird nur als "ohnmächtiger Schauer körnigen Eises" anzusehen sein, und man kann in den Straßen wieder "buntes Gewimmel" sehen. Nur die "grünende Flur" wird leider noch lange auf sich warten lassen, denn bis auch die Böden "vom Eise befreit" sein werden, gehen noch viele Tage ins Land.
Das gibt es bei Goethe nicht.
Leider gehen diese Tage "zufriedenen Jauchzens" hier auch mit Schlamm und Dreck einher, so dass bei jedem Schritt in den Straßen höchste Vorsicht geboten ist. Man weiß auch oft nicht genau, ob die vor einem liegende Strecke des Weges eine eisglatte Rutschbahn, eine matschige Schneemasse oder gar ein tiefes Schlammloch ist, so dass mir bisher noch nicht das große Jubeln entfleucht ist:
"Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!"




Vor solchen Flächen sollte man einen Moment innehalten. Jeder unachtsame Schritt kann nämlich im Bereich des Steißbeins seeehr wehtun. Zudem wird sich Muttern nicht über die Flecken auf der Kleidung freuen. Von der kalten Feuchtigkeit und deren Auswirkungen auf die Gesundheit (auch u.A. Steine in den Nieren) sei hier geschwiegen.

Samstag, 23. März 2013

Любители природы в России?

Auf dem Rückweg von der verfallenen Brücke kämpfte ich mich heute also durch die eisglatten Wege einen Hügel empor und kam so auf meinem Weg in ein Viertel aus schrecklich heruntergekommenen, windschiefen Holzhütten. Vor diesen Bretterbuden ragte aus dem Boden eine wild zusammengeklaubte Anzahl morscher Bretter, die in ihrem unansehnlichen Graubraun einen Zaun darstellen sollten. Ich wagte kaum zu atmen, in der Furcht, diese Latten könnten durch einen zu starken Windhauch in sich zusammenfallen.
Als ich dann inmitten dieser absoluten Trostlosigkeit ein im Vergleich zu den anderen Hütten recht schönes Häuschen fotografierte, kam auch gleich ein Mann heraus und fragte, was ich denn wolle. Das war für mich, neben den vielerorts bellenden Kötern, der Beweis, dass dort noch Leben ist.
Was mich aber auf die Palme brachte, war der Anblick vom Jenissej-Ufer auf die Steilhänge. Bereits auf meiner Wanderung oberhalb des Flusses fielen mir einige vermüllte Stellen auf, die ich in meiner Ahnungslosig- und Gutmütigkeit gern als Einzelfälle annahm. Hier unten, inmitten der herrlichen sibirischen Natur, kam ich immer und immer wieder an solchen Müllbergen vorbei.
Da lagen an einer Stelle in der Nähe der Garagen hunderte ausrangierte Reifen, angereichert mit üblichem Hausmüll. Am Hang, hinter einer Betonmauer, lagen Unmengen leerer Glas- und Plastikflaschen, die man wohl als Abschluss einer Party über die besagte Mauer geworfen hatte. Selbst ganz unten in den Uferauen sah ich in fast regelmäßigen Abständen die Reste irgendwelcher Grillparties, bei denen neben der Grillasche auch noch Plastiktüten, Flaschen und weiterer Müll achtlos liegengelassen wurden.
Den Höhepunkt bildete dann der Abhang am Rande der heruntergekommenen Datschasiedlung. Dort hatte jemand ganze Müllcontainerladungen voll einfach über seinen Zaun gekippt: Flaschen, Plastikmüll, verrottete Kleidung und weiteres undefinierbares Zeug. Da wurde mir dann schon sehr schummerig zumute. Was glauben denn diese Leute, wie lange sie diese gottverdammte Scheiße noch verzapfen können ohne am Ende in ihrem eigenen Dreck zu verrecken? Welcher hirnverbrannte Synapsenabstinenzler kommt denn auf die Idee, seinen Hausmüll én mass einfach in der Natur zu entsorgen? Es wird langsam Zeit, dass man in Russland ein Umweltbewusstsein entwickelt und diese Denkallergiker so hart wie irgend möglich bestraft! Sibirien verkommt sonst zu einer Müllhalde ...

Рушится мост

Als ich am 11.11.2012 auf einer Wanderung entlang des Jenissej von den Hängen oberhalb des Flusses eine kleine zerstörte Brücke entdeckte, wollte ich diese mir etwas genauer anschauen, bin aber leider in Ermangelung der Kenntnis eines Weges dorthin gescheitert. So habe ich mir diese Entdeckungstour aufgespart - bis heute.
Ich habe mich wieder einmal auf den Weg in die sibirische Wildnis gemacht und bin fast den gleichen Weg oberhalb des Jenissej gewandert, im Blick immer diese Brücke, bis ich wieder einmal an den wenig vertrauenerweckenden Garagenkomplex ankam, der mir im November den Weg versperrte. Einen dort wuselnden Mann fragte ich dann nach einer Möglichkeit, zu dieser Brücke zu kommen. Er sagte Vieles, wovon ich ein Weniges auch verstand.
Also bin ich, ungefähr seinen Angaben folgend, in einer halsbrecherischen Tour entlang der äußersten Kante des Steilhangs gekraxelt - rechterhand immer die Betonmauer der Garagen. Nur leider war der "Weg" irgendwann zu Ende und ich musste entweder sieben Meter in die Tiefe springen oder den ganzen gefährlichen Weg zurückgehen.
Dann versuchte ich es durch den Garagenkomplex und wurde erst einmal von zwei wahren Höllenhunden gestoppt. Zum Glück war dort ein humpelndes Männlein, das die beiden Menschenfresser im Griff zu haben schien. Dieser Mann zeigte mir den Weg durch die Garagen zu einem völlig durchgerosteten Tor, durch welches sich mir der verschneite Weg öffnete. Ja, der frisch verschneite Weg, denn es hat in den letzten Tagen so viel geschneit, dass weite Teile der Stadt wieder mit einem (noch) wunderbar weißen Pulver bestreut sind.
Nun ist es so eine Sache mit dem knirschenden Schnee: Er wird nach einer gewissen Zeit hart und vereist. So bildet sich unter der frischen Schneeschicht eine kreuzgefährliche Eisbahn, auf der ich irgendwie mich den Berg heruntertastete, jeden einzelnen meiner Schritte bedenkend. Da gab es dann eine ausladende Fläche glitzernden Eises, welche ich zu überqueren hatte, um zu der Brücke zu gelangen...
Und dann stand ich endlich auf der Brücke und konnte die Zerstörungen aus der Nähe betrachten. Neben der großen Unterbrechung genau über dem Fluss waren an einigen Stellen bereits erhebliche Teile abgebrochen, an denen ich mich entlanghangeln musste. Um mein unangenehmenes Adrenalinkribbeln noch zu verstärken, klafften auch an den relativ gut begehbaren Stellen breite Risse. Die geländerartige Begrenzung war zu großen Teilen bereits abgefallen oder befand sich im Endstadium der Verrottung.
Da direkt über dem Jenissej auch noch ein kalter Wind pfiff, war der Gang auf dieser Brücke für mich alles andere als angenehm, weshalb ich auch schon bald den Weitermarsch durch einige ziemlich heruntegkommene Viertel antrat. Was ich dort sah, ließ sich mir die Zehnägel kräuseln ... aber das ist schon ein neues Kapitel.

Donnerstag, 21. März 2013

Экзамен? Нет проблем!

Sibirien im März
Es ist echt schwer, jetzt noch interessante Blogeinträge zu fabrizieren, denn alles ist ja schon einmal dagewesen - schon beim zweiten Mal ist es nur Routine. Auch mit dem Wetter kann ich derzeit nicht punkten! Denn jedesmal wenn bei uns ein Schneesturm das Land peitscht, hat es - zumindest bis ich das im Blog habe - in Deutschland auch schon geschneit. Wenn hier wieder einmal die Sonne den ganzen Tag scheint, dann hat sie auch mal - zumindest mal kurz - in der guten, alten Heimat vorbei geschaut. Selbst unsere Nachtfröste von bis zu -20°C locken keinen mehr hinter'm Ofen vor.
Höchste Konzentration beim Lesen
Heute morgen allerdings war es schon etwas Besonderes, als ich in der 9. Klasse nach den Eindrücken der Schülerinnen von der Prüfung fragte. "Prüfung? Welche Prüfung?" war die erste Gegenfrage, die mir entgegenschallte. Dabei hatten am Dienstag, also vor gerade mal zwei Tagen, eben diese Schüler ihre erste DSD-Prüfung geschrieben! Sollte die Vergesslichkeit von Schülern mittlerweile tatsächlich eine derart intergalaktische Dimensionen erreicht haben? Glücklicherweise stellte sich heraus, dass diese Ahnungslosigkeit der Schüler nur ein kleiner Scherz auf meine Kosten war. Nun, das sei ihnen gnädigst gestattet, auch wenn mein Lachen ein wenig auf sich warten ließ.
Nach dieser Einführung sprachen wir also über die Prüfung vom Dienstag, und die Schüler konnten ihre Probleme offen darlegen. Es stellte sich heraus, dass alle ungefähr die gleichen Schwierigkeiten hatten, Schwierigkeiten, die alle recht wenig mit dem eigentlichen Anspruch der drei Prüfungsteile zu tun haben. Da gab es im ersten Teil, dem Leseverstehen, einen Text über Musikinstrumente aus Obst und Gemüse! 
Mit Wörterbuch bei der SK
Natürlich hatten die Kinder damit erhebliche Probleme, weil dieses Thema derart weit weg von ihrer Lebenswirklichkeit ist, dass sie sich gar nicht dort hinein denken können. Vielleicht sollte den Erstellern der Prüfungen mal jemand sagen, dass in den meisten Gesellschaften der Welt Obst und Gemüse als Nahrungsmittel gelten. In den meisten Ländern der Erde ist der Überflüss so unterrepräsentiert, dass deren Bewohner mit einer Geschichte über eine Gurkenflöte oder einen Gitarrenkürbis nichts anfangen können.
Schon fast geschafft!
Ganz anders war das Problem im zweiten Teil, dem Hörverstehen, gelagert. Die auf CD gesprochenen Texte zeichneten sich durch äußerste Klarheit und sehr moderate Geschwindigkeit aus. Die Schüler hatten dann aber einige Unklarheiten bezüglich der im Multiple-Choice-Test anzukreuzenden Antworten, weil deren Inhalte entweder derart nah beieinander lagen oder weil mehrere Antwortmöglichkeiten naheliegend waren, dass in diesem Teil auch bei mir keine letzte Gewissheit herrschte. Den Schülern wird in beiden Teilen sehr viel logisches Denken und höchste Konzentration abverlangt, was aber sicher nicht zum Schaden sein wird.
Erleichterung am Ende
Im dritten Teil, der Schriftlichen Kommunikation, können dann endlich die Sprachasse zeigen, was in ihnen steckt. Man sieht ganz genau, wer den zu schreibenden Brief mit auswendig gelernten Floskeln zusammenschustert und wer ein so gutes Sprachgefühl hat, dass ihm/ihr ein interessanter und inhaltsreicher Brief gelingt. Da macht das Lesen einiger Aufsätze schon richtig Spaß. Jetzt warten wir nur noch auf die Ergebnisse der Korrekturen, aber das dauert noch, denn alle Arbeiten (am Dienstag schrieben alle DSD I-Schulen der Nordhalbkugel!) werden nach Deutschland geschickt und dann dort an geprüfte Korrektoren verteilt. Bis wir die Ergebnisse haben, werde ich wohl wieder in Deutschland sein und mich mit dem Gedanken an Abiturprüfungen anfreunden müssen.
Alle elf Prüflinge vor der Prüfung. Freuen sie sich oder ist das Lächeln Anspannung?

Sonntag, 17. März 2013

Приготовить спагетти с друзьями

Gänseblümchen in Köln
Jeden Morgen, wenn ich am Computer die Nachrichten des Vorabends sehe, höre ich es wieder: Deutschland jammert über den späten Wintereinbruch, und das nicht ganz zu Unrecht. Denn wer kann sich schon noch an Schnee im März erinnern? Als umfassend in Deutschland sozialisierter Bundesbürger möchte ich aus meiner sibirischen Perspektive in das Jammerkonzert einstimmen, denn auch uns hat der Winter wieder fest im Griff.
Nachdem es am Mittwoch und Donnerstag sehr warm war und sich die Stadt in eine Schlammhölle verwandelt hatte, wurde es vorgestern wieder richtig kalt und die Wege verkamen zu lebensgefährlichen Rutschbahnen. Jetzt ist Sonntag nachmittag und es schneit wie wild - seit etwa 24 Stunden! Wer will schon in diese weiße Schneehölle unter dem grauen Himmel raus?
(Jammer, Heul, Schluchz!!!)
Schnippeln, wie die Weltmeister
Und da kam nun, wie verabredet, heute mittag Tanjusha zum Kochen zu mir und begrüßte mich mit den Worten: "Oh, wie schön. Ich liebe den Schnee!" Eine echte Sibiriakin eben! Ich finde Neuschnee ja auch schön, aber doch nicht am 17. März! Zum Glück musste ich heute nicht raus, denn wir wollten ja Kochen und ein bisschen quatschen. Kochen? Nun ja, Tanja muss sich ja an das Studentenleben gewöhnen, und so gab es eben Spaghetti mit Tomatensoße.
  • Zwiebeln und Knoblauch (Menge nach Geschmack) anschwitzen, dann Pilze hinzugeben und kurz köcheln lassen.
  • Währenddessen die Nudeln mit einem Schuss Öl in heiße Wasser geben, salzen, kochen lassen.
  • Zu den Pilzen jetzt die Tomatenmasse geben und mit etwas Orangensaft aufgießen, dann die Kräuter hinzu und nach Bedarf würzen (Salz, Pfeffer, Chili etc.)
Hmm, lecker!
Jaja, ich weiß, das ist verdammt simpel! Aber wer Studentenküchen in WGs kennt, wird auch wissen, dass dort das Kochen zumeist wegen hygienischer oder oder anderer Mängel auf rudimentäre Grundelemente eingeschränkt bleiben muss. Da ich meinem Herd (sauber isser!) technisch nicht ganz traue, bin ich eben zur studentischen Küche
Naja, nichts ist perfekt.
zurückgekehrt. Zudem will ich Tanja ein wenig an die vereinfachte Kochweise in Studentenquartieren heranführen, denn sie spielt zuhause auch noch die Chefköchin. In dieser Position hat sie als typisch russische Nachspeise Blini mitgebracht, die wir dann bei Kaffee bzw. Tee zu einem spannenden Film im deutschen Fernsehen verputzten.
Eiszapfenreetdach in Niedersachsen
Und nun sitze ich immer noch zuhause, bin den ganzen Tag nicht rausgekommen und habe bei dem derzeitigen Wetter auch kein Bedürfnis dazu. Schöner ist es doch, sich in der Wohnung einzukuscheln und aus der Ferne in den deutschen Jammerchor einzstimmen. Oder man macht's wie Christian Morgenstern und lacht über die Spatzen:
Drei Spatzen

In einem leeren Haselstrauch,
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mittendrin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und obendrüber, da schneit es, hu!
Sie rücken zusammen dicht an dicht,
so warm wie Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.

Samstag, 9. März 2013

ABBA - Золотая Принцесса

Heute ist Samstag und, da der gestrige 8. März als "Internationaler Frauentag" in Russland Feiertag war, auch ein Schulfreier Tag. Und was machen russische Kinder und Jugendliche an solch einem freien Tag? Na klar, sie gehen ins Theater!
Das habe ich heute auch getan und habe mit meiner Anwesenheit dazu beigetragen, das Durchschnittsalter der Theaterbesucher in Richtung 18 Jahre zu verschieben, denn die übergroße Mehrheit der Zuschauer bewegte sich im Alter zwischen 4 und 14. So war es auch wenig überraschend, als auf der Bühne eine ähnliche Altersstruktur auftrat. Die Künstler waren samt und sonders unter 20 Jahre alt, wobei allerdings wohl keine Vorschulkinder mitspielten.
Ich war völlig ahnungslos in das ABBA-Musical "Die Goldene Prinzessin" gestolpert und erfreute mich dann eines englischstämmigen Musicals über eine schwedische Band, das auf Russisch dargeboten wurde. Und zumeist ahnungslos blieb ich auch die ganze Zeit über und bin es bis jetzt, denn auch wenn die Musik aus dem weltbekannten Musical "Mama Mia" stammte, so war doch die Geschichte eine andere.
Hier trat keine Sophie auf, die zu ihrer Hochzeit ihre drei (!) potenziellen Väter zur Hochzeit einlädt. Und es gab auch keine Mutter Donna, die offensichtlich über die Identität des Vaters ihrer Tochter im Unklaren ist. 'Nein', haben sich wohl die russischen Regisseure gedacht. 'Solch abartiges Zeug können wir unseren Kindern nicht antun.' Sie brachten eine typische Jugendschnulze auf die Bühne, in der von den (zugegebenermaßen sehr schmalzigen) Träumen junger Mädchen erzählt wird.
Als zum ersten Akt der Vorhang sich öffnete, tat sich der Blick auf eine verdunkelte Kulisse auf und einzeln oder in kleinen Grüppchen präsentierten sich die Darstellerinnen (wohlgemerkt zumeist Kinder) zu dem rockigen Epilog. Eine kleine Beleidigung war es für die Augen, als das Licht erstrahlte, denn vor der quietschbunten Kulisse hopsten die Mägdelein in ebenso quietschbunten Kostümen herum. Ich dachte mir: "'Wenn dort vorn eine Tüte Gummibärchen tanzte, hätte es von den
Farben her wohl den gleichen Effekt.' Dann aber fiel mir die oft sehr gewagte Garderobe von Agneta, Björn, Benny und Anni besonders in den 70er Jahren ein und ich akzeptierte diese Hommage an deren aus heutiger Sicht etwas verirrten Geschmack.
Der zweite Akt war dann zumindest visuell deutlich beruhigender, denn auf der einfacher gestalteten Bühne tanzten und sangen nicht mehr in neonfarbene Hosenanzüge gezwängte Mädels. Diese hatten sich jetzt mit weißen und roten Kleidern angetan, wozu als Kontrast etwas Schwarz hinzukam, während die Jungen in stilisierten Matrosenanzügen auftraten.
Musikalisch allerdings hatte mir der erste Akt besser gefallen, denn als nur gelegentlich ABBA hörender Laie war da die Wiedererkennung der Lieder etwas einfacher. Wie schwer es ist, bekannte englische Lieder, die auf Russisch mit veränderten Texten gesungen werden, wieder zu erkennen, habe ich heute deutlich erlebt. Auch wenn ich mich an die meisten Melodien sehr schnell erinnern konnte, wusste ich doch selten, welches Lied da genau gesungen wird. Dementsprechend schwierig, aber auch fantasiereich, war es für mich, die Geschichte zu erfassen:
Hauptperson ist, wie bereits gesagt, nicht eine ominöse Sophie sondern die junge Agnessa (wohl in Anlehnung an Agneta?), die mit ihren Freundinnen von einem Prinzen auf einem weißen Pferd träumt. Als sie diesen "Prinzen" in Form eines Marineoffiziers treffen, geraten Agnessas Freundinnen erst einmal aneinander, wobei sich die goldlockige Hauptperson aber heraushält und davon träumt, doch eine Prinzessin zu sein, damit sie des Angebeteten Herz im Sturm erobern könne. Eine etwas mysteriöse (zumindest für mich Sprachunbegabten) Fee erfüllt ihr diesen Wunsch und verwandelt das quietschbunte Kind mit einem
goldenen Kleid in eine Prinzessin. Nachdem der Kapitän durch allerlei Stürme gesegelt ist, entbrennen die beiden in "goldener" Liebe zueinander. Und auch der Zwist der Freundinnen wird im Happy End beigelegt, so dass sich am Ende alle Künstler auf dem Bugsteven der Titanic - sie war plötzlich aus dem Orchestergraben aufgetaucht - in den Armen liegen.
My Heart Will Go On!!!

Freitag, 8. März 2013

Поездка фантазия

Nachdem ein paar Tage lang der Herr Frühling hier war, hat Väterchen Frost jetzt wieder das Regiment mit Wucht übernommen: In der letzten Nacht hat es wild geschneit und gestürmt! Ich habe ja vom Winter eigentlich mittlerweile genug, und da habe ich mir heute gedacht: "Denn kannste gleich inne sibirische Tundra 'n Ausflug machen.' Ich wollte ja immer mal die Tundra sehen.
Also nahm ich mein Telefon und rief bei der Enterprise an: "Scotty, beam me up!"
Jetzt hatte ich aber vergessen, dass in Russland ja alles synchronisiert wird, war also kurzzeitig verwirrt, als Commander Scott auf Russisch fragte: "Куда?"
Ich fing mich aber schnell wieder und sagte nach kurzem Überlegen: "До Чукотка."
Also beamte mich Scotty ebenso zuverlässig wie die Transsibirische Eisenbahn, nur eben viel schneller, auf die Halbinsel Tschukotka im äußersten Nordosten Sibiriens. Das Beamen ist für jemanden, der es nicht gewohnt ist, eine recht unangenehme Erfahrung. Erst war es nur kalt, dann zwar etwas wärmer, aber es stank fürchterlich als ob man mit der Nase an einen Auspuff gebunden wird. Aber glücklicherweise geht beamen echt schnell, und so kam ich in kürzester Zeit in Leningradsky an.
Nun haben die Tschuktschen in ihrer Beaming-Station in Leningradsky ein recht kuscheliges Café namens "Кофеin" eingerichtet, so dass ich mir bei einem netten tschuktschischen Mägdelein erstmal einen Kaffee bestellte. Danach ging es dann los in Richtung Nordosten zum Kap Deshnjow quer durch die endlose Tundra.

Jedermann in Europa "weiß", dass die Beringstraße zwischen Russland und Alaska nach ihrem Entdecker, dem dänischen Forscher in russischen Diensten Vitus Bering, benannt wurde. Leider stimmt das aber nicht ganz, denn er war nicht der Erste, der Kamtschatka auf seiner Großen Nordischen Expedition (1733-1743) umsegelte. Er war nur so klug, seine Expedition ganz groß in der Öffentlichkeit bekannt zu machen.
Bereits 1648 umsegelte der Kosakenhetman Semjon Iwanowitsch Deschnjow die Tschuktschen-Halbinsel und wies damit als Erster nach, dass Asien und Amerika nicht mit einer Landbrücke verbunden sind.

Bei geschätzen -68,3°C kämpfte ich also gegen den mit etwa 183,6 km/h wehenden Schneesturm an und kam damit Schritt für Schritt dem östlichsten Zipfel Asiens immer näher. Zumindest glaubte ich das! Denn schon nach recht kurzer Zeit verliert man in den endlosen Weiten der verschneiten Tundra die
Orientierung. Man weiß bald nicht mehr in welche Richtung man geht, denn durch das glitzernde Weiß der Ebenen ist auch eine Orientierung an der Sonne kaum möglich. Selbst die Grenze zwischen Himmel und Erde verschwimmt, weil sowohl der Boden als auch der Himmel endlos weiß schimmert. Nur an einigen Stellen lässt sich so etwas wie Horizont
ausmachen, wenn nämlich der spärliche Bewuchs unter den Schneemassen einige verkümmerte Zweiglein hervorlugen lässt. Aber auch die grauen Felsbrocken, die an einer Stelle bis zum Horizont (?) sich erstreckten, machten die Orientierung nicht einfacher.
So war ich nach Stunden der elenden Schinderei doch etwas erleichtert, als plötzlich die unverwechselbare Skyline Krasnojarsk aus dem Schneesturm vor mir auftauchte. Natürlich war ich bedrückt, dass ich mein Ziel, Kap Deschnjow nicht erreicht hatte, sagte mir dann aber auch, dass ich viele Föderationsdollar gesparrt hatte, weil ich bei Scotty das zurückbeamen nicht bezahlen brauchte.


(Habe fertig!)