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Der Nussknacker und Klärchen |
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Bescherung in der großen Halle |
Jeder kennt sie, die Geschichte vom Kampf des tapferen Nussknackers gegen den bösen Mäusekönig und seine Armee spätestens seit Pjotr Iljitsch Tschaikowski 1892 Alexandre Dumas' Version dieser Geschichte mit seiner Vertonung zu einem zweiaktigen Ballett in alle Welt hinausgetragen hat. Wer aber kennt Klärchen oder gar den Patenonkel Drosselmeyer? Dieser ist es nämlich, der seinem Patenkind zu Weihnachten einen Nussknacker schenkt, den das kleine Mädchen sofort ins Herz schließt. Abends, nachdem alle Gäste das Haus verlassen haben und Klärchen im Bett liegt, beginnt in ihren Träumen die eigentliche Geschichte des berühmten Balletts. Das Kind träumt, vom bösartigen Mäusekönig und seinen kleineren Gefolgsmäusen bedrängt zu werden, als zu ihrer Rettung der Held des Abends erscheint. Der Nussknacker hat eine Truppe braver Soldaten im Schlepptau, denen es gelingt, die Mäusearmee zurückzudrängen, so dass es zum großen Kampf zwischen Nussknacker und Mäusekönig kommen kann, bei dem selbstredend das Gute siegt.
Es kann auch gar nicht anders sein, als dass der Nussknacker die Oberhand behält, denn Tschaikowski schrieb sein Ballett für Kinder, denen damit die Schönheit der klassischen Musik und die Kunstfertigkeit des Balletttanzes näher gebracht werden sollte. Genau dies ist ihm, wie die letzten etwa 120 Jahre zeigen, sehr gut gelungen. Aber wie soll man dieses klassische Stück einem Kinde des 21. Jahrhunderts, aufgewachsen mit Techno, Rap oder Rock, näherbringen? Wie soll ein kleines Kind besonders den in der Handlung weniger spannenden, musikalisch aber noch viel spektakuläreren zweiten Akt mit Interesse verfolgen? Seit dem gestrigen Tage habe ich eine Antwort, die Antwort des Krasnojarsker Balletttheaters, parat: Man gebe auch kleinen Kindern keine modernisierte Fassung, sondern die ganz klassische Version
von Kindern für Kinder interpretiert! (Für mich eine Offenbarung.)
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Tanz der Schneeflöckchen |
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Der Prinz und seine Braut |
Pünktlich um 12:00 Uhr saßen hunderte großäugiger Kinder mit ihren Eltern und Freunden im großen Theatersaal und klatschten vor lauter Aufregung immer wieder vorab, so dass deren Spannung spürbar wurde. Dann verlosch das Licht und der Vorhang öffnete sich. Vor der noch verdunkelten Hauptbühne spazierten elegante Damen und Herren mit ihren fröhlich herumtänzelnden Kindern entlang und begaben sich ins Haus der kleinen Klara. Nun öffnete sich der Blick in die geräumige Halle des Hauses, in der viele Kinder mit Spannung die abendliche Bescherung erwarteten, die dann auch von einem Zauberer (Onkel Drosselmeyer) vorgenommen wurde. Jedes Kind bekam ein tolles Geschenk und alle Kleinen äußerten ihre Freude in herrlichen Tänzen, während die Großen eher als Staffage nur eine kleine Nebenrolle spielten. Als dann alle nach Hause gingen und Klärchen sich zum Schlaf zurückzog, tauchten in dem abgedunkelten Zimmer aufdringliche Mäuse auf und bedrängten zusammen mit ihrem Mäusekönig das verschreckte Mädchen. Doch Rettung kam bald in Form des kleinen Nussknackers und der Mäusekönig samt seiner irrwitzigen Bagage wurde besiegt. Alle wichtigen Rollen wurden dabei ausschließlich von kleinen Kindern gespielt, die ihrem Tanz eine Ausdruckskraft verliehen, welche mir zuweilen den Atem stocken ließen. Dabei gab es meinem unwissenden Urteil zufolge nicht einen einzigen, wohl doch völlig verzeihlichen, Fehltritt auch nur eines einzigen Kindes. Vielmehr überzeugten die kleinen Künstler mit einer fantastisch ausdrucksstarken Leistung.
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Ein Bühnenbild, fast so schön wie bei uns in Krasnojarsk |
Tänzerisch und musikalisch noch erhebender war der von Kindern und Jugendlichen dargestellte zweite Akt, in dem der Prinz (vormals der Nussknacker) seine Braut (eben jenes kleine Klärchen) in formvollendeter Kunstfertigkeit durch den sanften Reigen der Schneeflöckchen und kleinen Soldaten der vielen Jungen und Mädchen führte. Die hier gezeigte tänzerische Leistung der beiden Hauptdarsteller nötigte vielen kleinen Zuschauern ebenso wie mir einen immer wieder aufbrausenden Beifallssturm ab. So war es auch nicht verwunderlich, dass nach dem Stück noch mehrere Minuten lang in stehenden Ovationen Beifall geklatscht und den Tänzern und Tänzerinnen viele Blumensträuße auf die Bühne getragen wurden.
Mit leicht schmerzenden Händen aber getragen von der Leichtigkeit der gerade genossenen Aufführung verließen wir dann das Theater und stellten uns an der Garderobe an. Und was sahen hier meine fast herausquellenden Augen? Einige der Kinder, Jungen und Mädchen, gewandet in "Räuberzivil" mit den dicken Schneestiefeln, versuchten sich allerorten im Balletttanz mit Pirouetten und weiten Sprüngen.
Das ist der Zauber des Balletts!
Alle hier gezeigten Bilder entstammen nicht dem Kranojarsker, sondern dem St. Petersburger Ballett, da hier das Fotografieren verboten ist.
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