Freitag, 16. Dezember 2011

Кто Николай Петрович Резанов?

Ja, wer ist, oder besser: war, eigentlich Nikolai Petrowitsch Resanow?
Um das herauszufinden, ruft der moderne Mensch einfach Wikipedia auf und liest dort unter N.P. Resanow (1764-1807) über den berühmten Mitbegründer der Russisch-Amerikanischen-Kompagnie (RAK): Der in Petersburg geborene Resanow entstammte einer angesehenen Adelsfamilie und machte als Offizier und Beamter im zaristischen Apparat eine steile Karriere, die ihn sogar in unmittelbare Nähe zur Zarin Katharina die Große brachte. Als er dann vom Hof nach Irkutsk gesandt wurde, um die Kontrolle über die unendlichen Weiten Sibiriens zu straffen, lernte er dort die erst 14-jährige Anna Grigorjewna Schelichowa kennen und heiratete sie. Aber bereits nach der Geburt des zweiten Kindes starb die junge Frau, so dass Resanow nach einiger angemessener Trauerzeit, im Auftrage des Mütterchen Russlands, erneut sich dem Staatsdienst zuwandte. Im Auftrag des Zaren aber im Interesse der 1799 begründeten RAK reiste er in den folgenden Jahren gemeinsam mit dem berühmten Forscher und Seefahrer Krusenstern nach Japan, dem russischen Alaska und Kalifornien, wo er sich in die wiederum nur 15-jährige Conchita de la Concepcion Marcela Arguello verliebte und damit einige politische Verwirrungen auslöste. Als Resanow 1807 nach Sankt Petersburg zurückkehren wollte, starb er unterwegs in Krasnojarsk und wurde hier auch begraben.
Wenn man sich all diese trockenen Fakten erschlossen hat, sollte man sich auch ins Theater wagen:
Die Springbrunnen vor dem Opern- und Balletttheater leuchten in kalten Winternächten ganz farbenprächtig
Алексей Рыбников: Юнона и Авось (1980)
Schülerinnen der 9b mit Natalia im Theaterfoyer
Vor dem Theater entsteht Kunst aus Eis (Leichtigkeit bei -20°C)
Schüler der 9. und 10. Klassen unseres Gymnasiums besuchten gestern abend eine Aufführung der recht modernen "Rockoper" Juno und Avos des sowjetischen Komponisten Alexej Rybnikow, die dieser 1980 zu der Affäre Resanows mit der kleinen Conchita komponierte. Die dieses Mal relativ sparsam dekorierte Bühne stellte ein in sehr düstere Farben gehülltes Schiff dar, vor und auf dem die gesamte Handlung sich abspielte. Im ersten Akt wird Resanow von Mütterchen Russland in Gestalt der Heiligen Mutter von Kasan aufgefordert, sich wieder stärker seiner geliebten Heimat zuzuwenden und etwas für das Land zu tun. Also macht sich der junge Adlige im zweiten Akt auf die gefährliche Reise, wobei ihm ein Großteil seiner Schiffsmannschaft an Skorbut wegstirbt. In Kalifornien dann angelangt, entbrennt nach einigem diplomatischen Hin und Her zwischen den Russen und den Spaniern die Liebe Resanows zu der kleinen Conchita. Auch der vierte Akt ist der wenig glücklichen Liebe zwischen den beiden gewidmet, die auch nicht zerbricht, als der adlige Russe von Mütterchen Russland zurück nach Hause berufen wird. Der fünfte und letzte Akt stellt dann die Reise durch Sibirien, seinen Tod in Krasnojarsk und die Ewigkeit der Liebe auch über den Tod hinaus dar. 
Krasnojarsk ist im Dunkeln richtig spannend
Die Musik dieses Abend war derart vielschichtig, dass man sie kaum beschreiben kann. Rybnikow schuf eigentlich nicht eine "Rockoper", sondern ein experimentelles Ballett, in dem zwischen Rock- und EBM-Rythmen auch russisch-orthodoxe Gesänge und traditionelle Volkslieder erklingen. Dabei entstand besonders im ersten Akt durch die fast sakrale Darstellung der Heiligen, durch den Ausdruckstanz der Mönche, die Beleuchtung und die dunkle Musik eine derart düstere Stimmung, dass ich es einfach nicht glauben konnte, dass dieses Stück 1980 in der Sowjetära entstanden sein sollte. Auch der auf der Bühne gezeigte moderne Ausdruckstanz erinnerte mehr an die kürzlich verstorbene Pina Bausch als an einen streng auf Parteilinie fahrenden sowjetischen Komponisten. Dazu kommt die geradezu religiöse Darstellung der Liebenden und deren Überhöhung als Quasi-Heilige an der Seite der Heiligen Mutter von Kasan, die der völligen Ablehnung von Religion durch die kommunistische Ideologie widersprechen.
Das 1831 über dem Grab Resanows (?) errichtete Monument
Wie also konnte ein Komponist in der poststalinistischen Zeit der Ära Breshnjew ein derartiges Werk schaffen und durch die Zensur bringen? Genau diese Frage stellte ich dann hinterher Natalia Massalowa, die mir die selbstverständlichste Antwort der Welt gab: Der Grund für diesen Widerspruch ist in der Unendlichkeit der menschlichen Dummheit zu suchen! Die Zensoren der sowjetischen Behörden hatten das Stück gar nicht verstanden und also durchgewunken. Als sie später diese Widersprüche erkannten, war es für ein Verbot zu spät, denn mittlerweile hatte dieses moderne Ballett schon in der halben Welt für Furore gesorgt.
Und genau das kann ich auch gut verstehen, denn auch mich, der ich die Wort nicht verstand, hat der ausdrucksstarke Tanz und ganz besonders die ungewöhnliche und abwechslungsreiche Musik tief bewegt und zum Nachdenken angeregt.

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