Samstag, 4. Februar 2012

Русская сказка


Als kleiner Junge hatte ich das große Glück, im Fernsehen der DDR die russischen Märchen zu sehen, die ich später auch zum Teil las. "Die schöne Warwara" oder "Ilja Muromez" gehörten wie auch "Das Höckerpferd" zu meiner Kindheit mindestens ebenso, wie die Märchensammlung der Gebrüder Grimm. Und wer einmal ein russisches Märchen gesehen hat, kann sich sicher erinnern, wie Russland darin erschien.
Da waren endlose Wälder und Felder und an einem von Birken umsäumten See lag ein kleines Dörfchen mit Holzhäusern. Im Sommer beschien eine warme Sonne die goldenen Getreidefelder und an einem Brunnen sang eine Schar in lange, bunte Kleider gewandeter Mägdelein ihren typischen Matroschkagesang, während die kräftigen Burschen fröhlich von der Feldarbeit heimkehrten. Im Winter hatte man fast das gleiche Bild, nur dass jetzt die ganze Landschaft mit einer dicken Schneeschicht bedeckt war und aus den Schornsteinen der Hölzhäuser dicker Rauch aufstieg.
Wenn dann das Märchen begann, erschien auf dem Bildschirm das geschlossene, bunt bemalte Fenster eines der Holzhäuser, das von einer gut genährten russischen Matrone geöffnet wurde. Diese ältere Frau, in ihrem traditionellen Kleid und immer von einem Kopftuch eingerahmt, beugte sich nun aus dem Fenster und begann ihr Märchen, indem sie die Kinder zu sich heranwinkte und von der schönen Warwara oder dem faulen Iwan erzählte. Väterchen Zar war meist ein gutmütiger alter Tattergreis, den niemand wirklich ernst nahm und die Menschen lebten trotz gelegentlicher Sorgen in einem romantischen Paradies. Und natürlich ging immer alles gut zu Ende - ach wie schön!
Und die Realität? Krasnojarsk ist eine ziemlich schmutzige Industriestadt, wie man sie auch im Westen Europas zu hunderten finden kann - ganz ohne Romantik. Heute aber, als ich nach Bobrowy Log ging, habe ich es entdeckt, das Dorf aus dem russischen Märchen und durfte für ein paar Minuten noch einmal der kleine Junge sein.

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