Sonntag, 26. Februar 2012

Ешё раз: землетрясение


Das Leben hier in Russland ist etwas Besonderes mit vielen sehr positiven Erlebnissen, die ich in meinem Leben nicht missen möchte. Auf einen Eindruck, den ich jetzt schon das zweite Mal erlebt habe, könnte ich allerdings sehr gern verzichten: Erdbeben.
Der schwarz-rote Punkt liegt bei Krasnojarsk
Um 14.40 Uhr, ich telefonierte gerade mit einer russischen Freundin, hörte ich plötzlich zwei in meiner Küche stehende leere Flaschen klirren. Mein Blick ging sofort nach oben zu der an der Decke schwankenden Lampe und ich bemerkte das Wasser in seinem Container in Bewegung. Die Freundin am Telefon vermeldete auch gleich: "Erdbeben - schon wieder!" Nun wohne ich gerade mal in der vierten Etage, in der die Auswirkungen eines Erdbebens noch relativ klein sind, während meine Gesprächspartnerin im achten Stock eines Hochhauses einen ungleich stärkeren Eindruck gehabt haben muss. Mir schienen sich vor den Augen die Wände wie in einem Film in etwas flüssiges aufzulösen. Dieser Eindruck war natürlich nach wenigen Sekunden verloschen, aber das mulmige Gefühl bleibt doch.
Das Bild zeigt das Epizentrum bei Kyzyl
Verstärkt wurde dieses Gefühl noch einmal ein wenig durch den "Kontrollanruf" von Natalia, die sich erkundigte, ob bei mir alles in Ordnung sei. Sie bestätigte dann auch, dass es höchst ungewöhnlich sei, wenn zwei Erdbeben dieser Stärke (Das letzte am 27. Dezember ist ja noch nicht einmal zwei Monate her!) in so kurzer Folge auftreten. Man hatte mir auch erklärt, dass es höchstens alle fünf Jahre mal ein stärkeres Erdbeben geben würde - und jetzt gleich zweimal in zwei Monaten! Sollte uns hier doch noch etwas Schlimmeres bevorstehen? Nun, ich will ja nicht den Teufel an die Wand malen, aber das Scherzen ist mir doch erstmal vergangen.
Im Internet habe ich gerade unter http://earthquake-report.com/de/ die erste Nachricht zu diesem Beben gefunden, und darin heißt es wenig beruhigend: "Very strong dangerous earthquake in southern Siberia – same area than December 27, 2011 (Kyzyl)" und weiter "In the early afternoon of February 26, a very strong extremely shallow earthquake occurred approx. 100 km from Kyzyl, Siberia, Russia." An anderer Stelle wird von einer Magnitude von 6,9 im Epizentrum berichtet. Die vielen Erdbeben in dieser Region können hier nachgelesen werden: http://survival.4u.org/erdbeben/erdbeben-karte.htm.
Naja, hier ist ja wohl nichts Schlimmeres passiert, aber ich werde mich jetzt wohl noch etwas stärker mit dem Thema beschäftigen müssen und mir auch mal anhören, wie man im Ernstfall sich verhält.

Samstag, 25. Februar 2012

Кататься на лыжах в Ветлужанке

Ich versuche alles!
Man bringt einem alten Esel keine neuen Kunststücke mehr bei! Und ich werde ganz gewiss auch kein Wintersportler mehr, aber immerhin versuche ich alles was geht, ohne meine Gesundheit dabei ernsthaft zu gefährden.  Heute bin ich dann mit einer 9. und einer 7. Klasse zum Skilanglauf nach Betluschanka hinaus gefahren, denn russische Schüler lernen alle sehr frühzeitig Schlittschuh und Ski laufen.
Swetlana und Viktor wissen wie's geht
Ich bin also heute, am Samstag, schon sehr früh (um 7.00 Uhr!) aufgestanden, um pünktlich zur Ski-Ausgabe in der Schule zu sein. "Bewaffnet" mit zwei Skiern und den dazugehörigen Stöcken traf ich auf dem Weg zum Bus einige meiner Schüler aus der 11. Klasse. Tanja wollte mir wohl eine Freude machen, als sie erklärte: "Hey, kein Holz und dann noch frisch gewachst.
Die sind deutlich schneller!" Ich war denn auch pflichtschuldigst begeistert, was aber meine Mimik noch nicht erkannt hatte. Naja, ich hatte ja im Bus erstmal 40 Minuten Zeit, mich seelisch und moralisch auf die neue Erfahrung vorzubereiten - eingequetscht zwischen lautstark scherzenden Schülern und all der Ausrüstung, in einer Dunstglocke aus Zugluft, menschlichen Ausdünstungen, winterlicher Feuchtigkeit und, als bestimmendes Element, Dieselabgasen. Angekommen an der Skipiste, hieß es zuallererst, sich aus diesem Gewühl herauszuwursteln und dann die Ski an die Füße zu schnallen. Schon dabei kam mir ein auch im Nachhinein nicht zu widerlegender Gedanke: 'Liebe Bayern, wie kann ein normal denkender Mensch auf die Idee kommen, dass man auf zwei Holzlatten besser vorankommt, wenn man dazu noch des natürlichen Gebrauchs seiner Hände durch zwei Stöcke beraubt wird?'
Vorbereitungen; jeder weiß, was er/sie zu tun hat
Die Sonne scheint hier immer - Nastja, Sonne, Nastja
Nun, es ging dennoch los - immer geradeaus die Loipe entlang bis zum ersten Berg. (OK, die Bayern würden das noch nicht einmal einen "Hügel" nennen. Für mich als Flachlandratte aber nahmen diese Steigungen und Abhänge schon bedrohliche Ausmaße an.) Hier bemerkte ich denn auch, wozu man die Stöcke braucht. Aber als ich mich dann schwitzend nur mit der Kraft meiner Arme die Steigung hinaufgequählt hatte, ging es auf der anderen Seite schon wieder herunter und ... Bumms! Da lag ich nun in all meiner norddeutschen Herrlichkeit auf dem Hintern. Macht nix, weiter geht's! Der nächste Berg - schwitzen; der nächste Abhang - sitzen! Nein, so kann das ja nicht gemeint sein. Das bemerkte auch Swetlana, die uns begleitende Sportlehrerin, und erklärte mir erst einmal sehr wort- und gestenreich, wie ich mich zu verhalten habe. Ich verstand natürlich (fast) nur Bahnhof, aber erstaunlicherweise ging es danach doch schon etwas besser. Nicht, dass ich jetzt Ski gelaufen wäre wie die Resi Schmachtlhammer, aber die Phasen der Vorwärtsbewegung wurden länger und die Gelegenheiten des Sitzens seltener. So kam auch ich in gebührendem Abstand zur restlichen Truppe voran, bis zu einem schrecklich steilen Abhang! (Jaja, ihr Bayern, ich weiß schon ..., aber für mich ging es da eben kilometerweit in die Tiefe!) Swetlana meinte dann auch, ich könnte ja mit einigen anderen Hasenfüßen zurück fahren und am Bus warten.
Bis zu den Knien im Schnee!
So machten wir, drei Mädchen und ich, uns denn auf den Rückweg, obwohl ich keinesfalls vor hatte, mich lange am Bus zu langweilen und dabei zu erfrieren bei -12°C. Also "überredete" ich die Mädels noch zu einem kleinen Umweg, so dass wir doch einiges an Training hatten. Dabei kamen wir dann wieder an einen hohen und steilen Berg, an dem auch das heftigste Ziehen mit den Stöcken nichts mehr half. Wie zum Henker stellt man den bei diesen Dingern den Rückwärtsgang aus? Ich nahm Anlauf und schaffte es - fast. Nach dem vierten oder fünften Versuch schnallte ich mir die Holzlatten ab und marschierte. Oh, welch herrliches Gefühl diese natürliche Bewegung auf zwei Füßen! So machten wir zum Abschluß noch eine kleine Wanderung durch den Schnee. Und was für ein Schnee! Der war noch richtig weiß und an einigen Stellen sogar jungfräulich. An einer solchen Stelle hüpfte mein kindliches Herz und ich sprang hinterher. Man mag sich das so vorstellen wie den Butler James in "Diner for One", der an einer Stelle sich des Tigerkopfes zu seinen Füßen erinnert und über denselben hüpft. James hatte aber wenig Spaß dabei, denn er musste in seinem weinseligen Zustand noch ein Tablett balancieren. Ich hatte einen Riesenspaß, als ich dann knietief im Schnee stand.
Mit nassen und kalten Füßen, aber richtig zufrieden, saßen wir dann wieder im Bus und ich sagte mir: 'Mann, wat war dat schön! Das muss ich wiederholen - am nächsten Donnerstag mit der 11. Klasse.!

Dienstag, 21. Februar 2012

В. И. Ленин: Что делать?

Das Wichtigste: Wasser
Wenn ich nachmittags von der Schule nach Hause komme, dann freue ich mich immer auf eine Tasse richtigen frisch gebrühten Bohnenkaffee, denn dieses Grundnahrungsmittel ist einfach so lebensnotwendig, dass ich den guten "Mona Gourmet" sogar aus Deutschland importiere. Heute allerdings hatte ich ein Problem!
Ich hatte mir auf dem Weg von der Schule noch ein paar Dinge im "Красный Яр"-Supermarkt eingekauft, weil ich mir heute abend einen leckeren Salat machen wollte - so mit Kräutern, Tomate, Paprika, Ei und Zwiebeln. Zuhause angekommen, nahm ich wie jeden Tag den Wasserkocher zur Hand und drehte den Wasserhahn auf. Nach einem kurzen Röcheln - nichts. Auch im Bad kein Wasser. Und ich stand da in meiner Dummheit und konnte mich noch nicht einmal im Haus nach der Ursache der Trockenheit erkundigen. Also rief ich, wie immer in besonderen Situationen, Natalia an, denn sie weiß immer Bescheid. So erfuhr ich denn, was ich mir fast schon gedacht habe: irgendwo im Haus wird gebaut und das Wasser bleibt auf unbestimmte Zeit abgestellt. An dieser Stelle fiel mir Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin, ein, der 1902 in einer seiner Schriften fragte: Was tun?
Die Zutaten im rohen Zustand
Um die Zeit zu überbrücken, rief ich einfach mal zu Hause in Deutschland an und quatschte mit meinem Herrn Vater, der dank seiner Russlanderfahrungen aus den Jahren 1975-1979 auch gleich einen Tip parat hatte: "Ihr habt doch Winter! Da gehste einfach raus und steckst die Hände in den Schnee, und schon sind se sauber."
Na klar, das hätte mir auch gleich einfallen können! Wie oft habe ich mir schon die Hände im Schnee gewaschen?
"Wir haben damals in Leningrad immer Wasser im Magazin gekauft, weil man das Leitungswasser ja nicht trinken konnte." Recht hatt er, der alte Herr!
Hmm: Lecker Salat!
Ich also los ins nächste "магазин продуктов", um mir einen Fünf-Liter-Kanister Wasser zu kaufen - für nur 31 Rubel (umgerechnet etwa 0,77 €) - und auf dem Weg noch schnell die Hände gewaschen! Wieder zuhause habe ich dann einen Liter Wasser heiß gemacht und davon eine Tasse Kaffee aufgebrüht und noch zwei Eier für den Salat gekocht. Um Wasser zu sparen (man weiß ja nie!) dachte ich mir, damit kann ich ja auch das andere Gemüse abwaschen. Die Eier habe ich dann also auf dem Balkon im Schnee abgeschreckt und das Eierwasser abkühlen lassen. Nachdem ich damit dann das Gemüse abgewaschen hatte, reichte das auch noch, um die Kaffeetasse zu reinigen. So habe ich also mit einem Liter Wasser für umgerechnet 0,14 € meinen Kaffee gehabt und noch das Abendessen zubereitet.
Das ist dann wohl die Antwort auf Lenins: Was tun? Brennende Fragen unserer Zeit - Überlebenstraining auf russisch!

Sonntag, 19. Februar 2012

Тибетский вечер с друзей

"Sage mir wie du isst und ich sage dir wer du bist!" Dieses leicht abgewandelte Sprichwort fällt mir hier immer wieder ein, wenn ich an die vielen, vielen "столоваи" in Russland denke. Sicher, es gibt auch in Deutschland viele Betriebskantinen, in denen die Mitarbeiter eines Werkes oder einer Behörde ihr Mittag essen können, aber es gibt nur sehr wenige öffentliche Kantinen. In Russland hingegen sieht man "Stolowajas" in fast jeder Straße, und jeder kann darin essen. Was die Russen allerdings eher seltener machen, ist, abends in einem Restaurant schick essen zu gehen. Umso schöner ist es, wenn man dann mal zusammenkommt zu einem gemütlichen Essen mit allem Drum und Dran.
Den Mädels war kalt, also gibt es Hochlandponchos
Genau dazu hatten wir gestern abend wieder einmal Gelegenheit. Schon vor vier Monaten, als wir am 7. Oktober in der "Shanti Bar" waren, hatten Nadja, Tanja und ich uns vorgenommen, diesen herrlichen Abend zu wiederholen. Nun sind darüber vier Monate vergangen und nie wurde es etwas. Umso glücklicher war ich, einmal die Familie, die mir hier wie keine zweite ein Zuhause gibt, zu einem netten Abend einladen zu dürfen - schließlich hatten Nadja, Dima und Tanja mich auch zum Neujahr eingeladen. Als wir uns dann aber in der "Buddha Loune Bar" trafen, fehlte Dima - er musste wieder einmal arbeiten. Naja, es wurde trotzdem ein toller Abend, auch wenn ich erst so meine Zweifel hatte, denn Tanja sagte mir gleich auf Russisch: "Сегодня мы говорим по.русски только!" Ich war entsetzt. Nur Russisch, den ganzen Abend? Da ergibt sich doch gar kein Gespräch! Es dauerte aber nicht lange und die Damen hatten eine Einsicht und wir konnten uns doch wunderbar unterhalten.
Wie gesagt: Wir blödelten rum
Und so saßen wir nun in einem gemütlichen Kellerlokal auf großen, weichen Sofas, schlürften Tee und Cocktails und aßen dazu traditionelle tibetische Gerichte. Welch ein Erlebnis - diese vegetarischen Speisen aus dem Hochland! Leider kann ich nicht richtig beschreiben, was wir da aßen, denn ich verstand fast nur "Bahnhof" auf der Karte, aber Nadja und Tanja hatten irgendwie genau das Richtige bestellt und wir waren zum Schluß kugelrund. An einen Aufbruch war also lange nicht zu denken, so dass wir lange noch Shisha rauchend und Kaffee trinkend zusammensaßen und einfach nur entspannten, über Gott und die Welt redeten oder auch nur rumblödelten.
Ist das nun tibetische Kultur? Nein, mit Sicherheit ist im "Buddha" alles auch an die russische Kultur angepasst. Aber das bringt mich zu meiner Feststellung vom 8. Oktober zurück: Russische und asiatische Kultur gehen hier in Sibirien eine perfekte Symbiose ein. 

Mittwoch, 15. Februar 2012

183 Tage Sibirien!

Сегодня я живу в Красноярске уже полгода. Это повод дла радости!
Роэтому мы праздновали это в школе, и я хотел бы поблагодарить следующих людей:
мои ролители, Наталья, Татьяна, Надежда, Николай, Дильяра, Ярослав, Галина, Ирина, Александра, Иван, Вальтер, Денис, Екатерина, Ксения и все другие








Montag, 13. Februar 2012

Ещё раз: кататься на коньках

Das Anziehen der Schlittschuhe ist nicht einfach
Ich hatte ja am 5. Januar todesmutig versprochen, dass ich mich noch einmal zum Schlittschuhlaufen auf's Eis wagen würde. Heute war es also soweit - wir trafen uns an der Bushaltestelle und fuhren im schrecklich überfüllten Bus zur Tatischewa-Insel, wo der Eintritt heute sogar für die erste Stunde frei war.
Da hatte ich Naivling doch geglaubt, ich würde heute einfach auf die Eisfläche hinaus spazieren und Schlittschuh laufen wie ein junger Gott! Ha, schon der erste "Schritt" belehrte mich eines Besseren: Ich wackelte erst einmal wie eh und je über die schrecklich glatte Bahn und suchte irgendeinen Halt. Aber dennoch kam ich relativ schnell rein und bilde mir zumindest ein, dass es diesmal schon besser ging als vor fünf Wochen. Die Mädels, Dascha, Lisa und Nastja, hatten zwar wieder einen netten Anblick der personifizierten Hilflosigkeit, aber ich glitt doch deutlich leichtfüßiger über das Eis. Die Probleme waren damit aber nicht beendet.
Wie muss man sich das Ganze also vorstellen? Von außen betrachtet sah es vielleicht so aus:
Die Mädels haben jedenfalls Spaß dabei ...
... der tumbe Tor eigentlich auch (trotz des Blickes)
Auf einer weithin freien Eisfläche mitten auf der Tatischewa-Insel gleitet eine größere Zahl jugendlicher Schlittschuhläufer dahin, einige im Sprint und mit waghalsigen Sprüngen, andere grazile Pirouetten und kunstvolle Figürchen bildend. Auch kleinere Kinder preschen schon mit beachtlichem Tempo über die Piste oder balgen sich im freundschaftlichen Kräftemessen. Und zwischen all diesen Gefahren wackelt mit vorsichtigsten Schritten, kaum jemals gleitend, ein tumber Tor und rudert dabei mit den Armen, immer ein erschrecktes "осторожно!" in der Kehle. Zwischendurch gelingen dem tumben Toren auch mal einige Meter scheinbar "leichtfüßigen" Gleitens (Hurra!) oder ein kurzer Blick zur Seite, niemals jedoch zurück. Besonders "spaßig" wurde es für mich immer dann, wenn einer dieser jungen Spunde direkt auf meinem Weg irgendwelche Experimente vollführte und ich mich bereits mit gebrochenen Knochen in einem russischen Krankenhaus sah. Dazu muss kurz erwähnt werden, dass die staatlichen Krankenhäuser hier nicht den allerbesten Ruf haben und ich schon so manche galgenhumoristische Geschichte zu Krankengeschichten gehört habe.
Innerlich hatte der Kampf mit mir selbst aber auch einen guten Nebeneffekt, denn trotz des scharfen, beißenden Windes wurde mir beim Schlittschuh"laufen" richtig warm. Dascha meinte zwar einmal zu mir: "Sie müssen einfach in den Knien locker bleiben!" Aber sie konnte mir nicht erklären, wie man das macht, wenn man auf zwei Strichhölzchen einen perfekt glatten Spiegel überwinden soll. Also blieben alle meine Muskeln angespannt bis zur allerletzten Sekunde, was mich doch erheblich erwärmte. Nur das Gesicht litt unter dem schneidenden Wind.
Und was bleibt als Fazit? Probleme sind nur da, um überwunden zu werden. Also werde ich wohl wieder auf's Eis gehen und den tumben Toren spielen.

Sonntag, 12. Februar 2012

Немецкая неделя

Sergej - einer der ersten Deutschen, die ich kennen gelernt habe
Als ich hier in Russland angekommen bin, bekam ich den Eindruck, in ganz Krasnojarsk gäbe es höchstens eine handvoll Deutscher. Es gab zwar hier und da mal kleine Anzeichen eines deutschen Kontaktes, aber dabei blieb es dann auch - für ein halbes Jahr. Dann, als im Januar der Fachberater zu den Prüfungen hier war, trafen wir auf einen Luftfahrtingeneur, der hier für die Lufthansa Transportflugzeuge wartet.
Olga und Olga, unsere russische Stimmen im "Loft"
Am Freitag gingen Michael, der Ingeneur, und ich dann mal abends in ein Restaurant - und wen trafen wir da? Eine ganze Horde von Flugkapitänen der Lufthansa saßen dort und vergnügten sich. Da wir aber gerade aufbrechen wollten, ergab sich hier kein Gespräch. Naja, diese Leute sind ja auch nicht fest in Krasnojarsk stationiert. Dann aber, im Kalinka-Malinka trafen wir auf Sergej und einige andere deutsche Angestellte der Firma "Eisenmann", die hier eine Fabrik zur Lackierung von Industrieanlagen aufbaut. Sergej - ein in Russland geborener Deutscher aus dem Ländle - hatte ich gerade einige Tage zuvor kennen gelernt und so ergaben sich in den letzten Tagen einige weitere Kontakte.
Gestern abend dann haben wir, insgesamt acht Detsche und noch drei Russen, uns im Club "Loft" verabredet, um mal so richtig in einer Disco zu Feiern. Da hatten wir dann endlich mal das Glück, nicht nur die Mainstream-Discomusik hören zu müssen. Eine Gruppe von fünf Jungs spielte mit echten Gitarren echte Rockmusik - und ich war schon ganz verzweifelt wegen der ungeheuer schlechten Radioprogramme hier.
Frank spricht kein Russisch, kommt aber gut zurecht
Bei einer russischen Feier gibt es reichlich zu essen und ...
Warum kommen die Deutschen nach Krasnojarsk ins ferne Sibirien? Nun, erst einmal ist natürlich die Arbeit das uns alle verbindende Element, aber es gibt kleine Unterschiede im Antrieb, sich für Russland zu bewerben. Michael zum Beispiel hat schon in der halben Welt gearbeitet, weil natürlich die Arbeit im Ausland immer interessanter als der ewig gleiche Trott zuhause ist. Frank, ein Bauleiter der Firma "Eisenmann" wurde hierher geschickt, weil er seine Truppe einfach super im Griff hat und so den Aufbau der Lackieranlagen bestens voranbringt. Seine russischen Sprachkenntnisse allerdings sind nicht existent - dafür hat er immer einen Dolmetscher an der Seite. Sergej hat natürlich mit seinen Sprachkenntnissen und aufgrund seiner Geburt eine besondere Beziehung zu dem Land. Aber welcher persönliche Antrieb steckt dahinter, nach Russland, nach Sibirien zu gehen? Die meisten haben wohl den Wunsch, die russische Kultur kennen zu lernen und damit den in Deutschland umher irrenden Legenden und Vorurteilen zu begegnen. Für einige spielt sicher auch die gute Bezahlung mit den Auslandszuschlägen eine große Rolle, zumal man in Russland doch günstiger leben kann als in Westeuropa. Aber es scheint auch Abenteurer zu geben, denen die russische Kultur und die Eigenarten der Menschen hier völlig egal sind. Sie wollen einfach nur mal schnell ein Abenteuer erleben und dann in der Heimat damit auftreten. Diesen Eindruck bekommt man manchmal in Gesprächen mit anderen, wenn sie etwas abschätzig über die Russen reden. Nun, das gibt es wohl überall in der ganzen Welt und bei allen Völkern, und wahrscheinlich ist niemand gänzlich davor gefeit.
Mir jedenfalls ist die russische Kultur eine Offenbarung, auch wenn ich einiges nicht verstehe oder kritisch sehe.

Samstag, 11. Februar 2012

Сосиски "Мини"

Mein Gott, was bin ich jetzt glücklich - und zu diesem Glück bedurfte es einer ganzen Kleinigkeit in Form einer Mini-Bockwurst!
Ich hatte mich ja doch recht frühzeitig mit der russischen Küche angefreundet, wobei mir besonders die köstlichen Suppen sehr gut gefallen. Sowohl in der Schule als auch in meiner Leib-und-Magen-Stolowaja, dem "Микс на торговом", schmeckt mir das Essen richtig gut. Ich kann in der Stalowaja für weniger als 200 Rubel richtig gut essen, mit einer Vorsuppe (meistens Soljanka oder Borschtsch), einem Hauptgang und noch einer Nachspeise. Natürlich nutze ich diese Möglichkeit auch sehr oft, denn das Essen ist wirklich gut. Und dennoch fehlen mir einige Geschmackserlebnisse aus der Heimat: Ich habe seit über einem halben Jahr keinen Döner Kebab mehr gegessen!!! Dazu gehören auch die typisch deutschen Spezialitäten wie Currywurst mit Pommes oder, ganz schlicht, eine Bockwurst mit Brot.
Heute war ich mal wieder im "Окей"-Supermarkt einkaufen, und was erblickten meine Augen dort? Da lagen Packungen mit Mini-Würstchen, ganz ähnlich unseren Bockwürsten. Nun habe ich die hier üblicherweise angebotenen Würstchen kennen gelernt und war nicht sonderlich begeistert von den rosafarbenen "сосиски". Also musste ich erst längere Zeit überlegen, bevor ich eine Packung in den Einkaufswagen legte. Ebenso vorsichtig ging ich vorhin beim Öffnen der Packung vor: Erst nur ein kleiner Schnitt und daran gerochen - Nichts! Also richtig öffnen und noch einmal riechen ... (?!) Welch ein Erlebnis! Die Dinger riechen wie richtige Bockwürste und schmeckten nach dem Erwärmen auch so!!! Leider habe ich hier nicht den richtig guten Bautz'ner Senf, aber das Abendessen heute war ein besonderes Fest - fast wie zuhause.
Ich werde auch weiterhin das russische Essen genießen, aber das heute war schon etwas Besonderes. Wie einfach man doch glücklich zu machen ist! Wenn ich jetzt noch einen ordentlichen Döner finde, dann wird das wie im Paradies sein.

Samstag, 4. Februar 2012

Русская сказка


Als kleiner Junge hatte ich das große Glück, im Fernsehen der DDR die russischen Märchen zu sehen, die ich später auch zum Teil las. "Die schöne Warwara" oder "Ilja Muromez" gehörten wie auch "Das Höckerpferd" zu meiner Kindheit mindestens ebenso, wie die Märchensammlung der Gebrüder Grimm. Und wer einmal ein russisches Märchen gesehen hat, kann sich sicher erinnern, wie Russland darin erschien.
Da waren endlose Wälder und Felder und an einem von Birken umsäumten See lag ein kleines Dörfchen mit Holzhäusern. Im Sommer beschien eine warme Sonne die goldenen Getreidefelder und an einem Brunnen sang eine Schar in lange, bunte Kleider gewandeter Mägdelein ihren typischen Matroschkagesang, während die kräftigen Burschen fröhlich von der Feldarbeit heimkehrten. Im Winter hatte man fast das gleiche Bild, nur dass jetzt die ganze Landschaft mit einer dicken Schneeschicht bedeckt war und aus den Schornsteinen der Hölzhäuser dicker Rauch aufstieg.
Wenn dann das Märchen begann, erschien auf dem Bildschirm das geschlossene, bunt bemalte Fenster eines der Holzhäuser, das von einer gut genährten russischen Matrone geöffnet wurde. Diese ältere Frau, in ihrem traditionellen Kleid und immer von einem Kopftuch eingerahmt, beugte sich nun aus dem Fenster und begann ihr Märchen, indem sie die Kinder zu sich heranwinkte und von der schönen Warwara oder dem faulen Iwan erzählte. Väterchen Zar war meist ein gutmütiger alter Tattergreis, den niemand wirklich ernst nahm und die Menschen lebten trotz gelegentlicher Sorgen in einem romantischen Paradies. Und natürlich ging immer alles gut zu Ende - ach wie schön!
Und die Realität? Krasnojarsk ist eine ziemlich schmutzige Industriestadt, wie man sie auch im Westen Europas zu hunderten finden kann - ganz ohne Romantik. Heute aber, als ich nach Bobrowy Log ging, habe ich es entdeckt, das Dorf aus dem russischen Märchen und durfte für ein paar Minuten noch einmal der kleine Junge sein.

Бобровый Лог

Die Abfahrtspiste von Bobrowy Log
Sibirien wird wieder wärmer. Auch in der Nacht erreichen wir im Moment nicht mal mehr die -20 Grad-Marke und am Tage sind es nur noch knapp -15°C. Dafür hat es aber in der letzten Nacht mal richtig viel geschneit, so dass am heutigen grauen Morgen eine richtig dicke Neuschneedecke die Stadt sauber weiß übergestrichen hat, wie bei einer Renovierung. Als dann gegen Mittag, wie praktisch jeden Tag, die Sonne herauskam und diesen weißen Glanz zusätzlich bestrahlte, hielt mich nichts mehr zuhause. Ich wollte heute unbedingt zurück an den Anfang meiner Russlandreise und bin deshalb nach Bobrowy Log gefahren.
Das ist das Skiparadies von Krasnojarsk

Kaum dort angekommen, holte mich dann auch die Erinnerung an den 15. August 2011 ein und ich ging noch einmal (fast) den gleichen Weg, wie am allerersten Tag meines Krasnojarsker Lebens. Damals hatten Nadja und Tanja mich nach Bobrowy Log geführt, damit ich von dort die ganze Schönheit Krasnojarsks bewundern könnte. Und genau wie damals ging ich den ganzen Weg vom Parkplatz aus an der Bushaltestelle vorbei, wo ich nachweislich das erste Foto in Krasnojarsk geschossen hatte, zur Seilbahn, fuhr dann mit dem Lift auf den Berg und ging noch einmal die gleiche Strecke, von der aus ich damals die mir noch völlig unbekannten Felsformationen Stolbys aus der Ferne betrachtet hatte. Auf der anderen Seite des Weges entdeckte ich auch wieder jene krumme Kiefer, die etwas schwindelerregend über dem Abhang gewachsen ist, und ich konnte noch einmal den gleichen Blick auf die ganze Stadt werfen, der mir von damals noch gut in Erinnerung ist.
(Fast) der gleiche Blick, wie am 15. August 2011
Den gleichen Blick? Nein! Wir hatten ja am 15. August nach einer verregneten Nacht einen herrlich warmen Sommertag und alles war in ein anheimelndes Grüngrau getüncht. Heute hatten wir nach einer verschneiten Nacht wieder einen herrlich sonnigen Tag, der allerdings etwa 40°C kälter war, wodurch nicht Grün sondern Weiß die vorherrschende Farbe war. Während ich im August ziemlich schwitzte, weil ich eigentlich viel zu dick angezogen war, fror ich heute, weil trotz der relativ geringen Kälte der starke Wind doch durch die sonst ausreichende Kleidung pfiff und besonders das Gesicht schnell rot färbte.
Aber dennoch war es ein ganz besonderer Ausflug, denn neben dem leichten Anflug von Nostalgie habe ich etwas ganz Besonderes entdeckt ...

Mittwoch, 1. Februar 2012

В. Терёшкин: Движение к Истиние

Diese russische Schönheit ist Natascha
Was schon wieder Kultur? Schon wieder Theater und Tanzen, wo ich doch gerade erst den "Figaro" von Mozart gesehen habe? Ja, ich hatte gestern das Glück, durch reinen Zufall an eine Karte für modernes Tanztheater im Großen Konzertsaal zu kommen!
Gestern morgen kam Galina zu mir und fragte mich, ob ich nicht von ihr zwei Karten für ein modernes Ballett von einem gewissen Terjoschkin haben möchte. Nach einigem Hin und Her war ich dann glücklich, abends um 18:00 Uhr mit unserer netten Schulpsychologin gemeinsam zum Großen Konzertsaal zu fahren, um mir ein sehr modernes "Ballett" anzusehen. Nun ist das so eine Sache mit Natascha, denn sie spricht kein Deutsch und versteht auch nur sehr wenig. Also lief angesichts meiner Sprachdefizite im Russischen unser Gespräch im Bus auch eher holperig und relativ einseitig bzw. ungelenk. Dennoch haben wir uns an diesem Abend noch richtig gut unterhalten und ein tolles Tanztheaterstück genießen dürfen, zu dem mir Natascha auch einige wichtige Informationen gab.
Tanz der höllischen Mächte
Wer ist nun jener W. Terjoschkin, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, der hier aber von vielen verehrt, von anderen aber geschmäht und sogar gehasst wird? Ich hatte ja keine Ahnung, was auf mich zukommen würde, bis dann der Vorhang aufging und eine höchst avantgardistische Musik den großen Saal durchdrang und mich für volle zwei Stunden fasziniert auf meinem Platz fesselte. Bereits in den ersten Minuten ging mir der Name der 2009 verstorbenen Pina Bausch durch den Kopf - nur das hier war live und von einem lebenden Künstler!
Der Inhalt des Stückes ist schnell erzählt, oder kann gar nicht erzählt werden, denn jeder Zuschauer muss das mit sich selbst ausmachen. Ich sah einen Kampf zwischen Gut und Böse, zwischen Himmel und Hölle, zwischen Weiß und Schwarz. So waren denn auch die Kostüme der Tänzerinnen und Tänzer entweder in Schwarz oder Weiß gehalten. Erst im späteren Verlauf kam auch das dunkle Rot des Blutes hinzu. Ganz in Weiß traten auch nur ein Liebespaar und einige wenige Engel mit ihrem Heiland auf. Die meisten Tänzer waren der Hölle entstiegen und versuchten, ihr düsteres Treiben durchzusetzen und die Welt in den Wahn zu treiben. Einige der Kostüme der Tänzerinnen waren dabei auch sehr gewagt geschnitten und verdeutlichten so die Dekadenz des Lebens, während der Teufel höchstpersönlich elegant im Smoking auftrat und auch viele seiner Schergen eher dezent wirkten. Demgegenüber traten die Vertreter der himmlischen Mächte eher bescheiden in langen weißen Kostümen auf und versuchten stets, sich gegen die erdrückende Übermacht der finsteren Mächte durchzusetzen. Diese ganze Szenerie wurde begleitet von einer Musik, die mir wirklich durch Mark und Bein ging. Da waren zum Einen die ruhigen, sanften Klänge zum himmlischen Tanz und als Gegensatz dazu eine durchdringende, fast höllische Musik für den Auftritt der teuflischen Mächte. Gerade diese dröhnenenden Klänge, die auf jedem Gothic-Festival mit großer Begeisterung aufgenommen würden, beeindruckten mich.
Der Heiland wird von finsteren Kräften bedrängt
Die tänzerische Darbietung zeugte in allen Teilen von einer außerordentlichen Körperbeherrschung der Tänzer und war derart ausdrucksstark, dass man förmlich in diesen Strudel aus Gewalt und Wahn, aus oft hilfloser Gutmütigkeit und wieder aus dumpfer Dekadenz hineingezogen wurde. Wer allerdings diesen Kampf Gut gegen Böse gewinnen würde, ist mir nicht offenbar geworden, denn fast als Teil dieser fantastischen Darbietung präsentierten sich zum Abschluss alle Tänzer und Mitwirkende auf den Bühne, während die Musik weiter spielte. Bei diesem Abschluss zeigte sich denn auch W. Terjoschkin höchstpersönlich und stellte alle Mitwirkenden mit Namen vor. Davon bleibt mir besonders das Bild des Regisseurs im Kopf, denn dieser stellte für mich den Inbegriff des Künstlers dar mit seinem zu ein Rad verdrehten Zopf am gut gegelten Kopf.
Blumen gab es für die Tänzerinnen am Ende zuhauf
Ich hätte vor dem gestrigen Abend ja nie geglaubt, dass mich derart modernes Tanztheater derart begeistern könnte, aber heute habe ich schon zwei Karten für den nächsten Auftritt Terjoschkins im März bestellt. Ich hoffe, Natascha wird mich dann wieder begleiten und wir können dann auch etwas eingehender über das Stück sprechen, wenn ich bis dahin mein Russisch weiter verbessert habe. Die Hoffnung stirbt zuletzt!