Irgendwie kommen wir gar nicht mehr aus dem Feiern heraus: Am 1. Mai gab es den Tag der Arbeit, am 5. Mai feierten die Anhänger dieser Lehre den 96. Geburtstag Karl Marx', am 7. Mai feierten dessen Anhänger die Inauguration Putins zum neuen Präsidenten (übrigens eine beeindruckende Zeremonie, wie man unter
http://www.youtube.com/watch?v=zHrmaFPnhoM sehen kann) und heute, am 9. Mai, sind alle Russen sich einig in der Feier des "Tages des Sieges". Warum aber feiert man den "Tag des Sieges" in Russland erst einen Tag später als bei uns in Deutschland?
Als in den Abendstunden des 8. Mai 1945 die Generäle Keitel und Jodl in Berlin/Karlshorst in Anwesenheit von Marschall Schukow die Kapitulationsurkunde der deutschen Wehrmacht unterschrieben, ging die Uhr dort auf Miiternacht zu, was durch die Zeitverschiebung in Moskau bereits lange nach 00.00 Uhr bedeutete. Deshalb wurde in der UdSSR immer der 9. Mai gefeiert. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion war dieser Feiertag fast in Vergessenheit geraten, jedoch erkannte man bald, dass dieser wichtige Feiertag von besonderer Bedeutung für das Zusammengehörigkeitsgefühl aller russischen Nationen ist, und so wurde und wird seit 2005 der 9. Mai wieder als der wohl höchste russische Feiertag zelebriert. Dabei hat man das Meer an roten Fahnen heute durch das Sankt-Georgs-Band in den Farben Schwarz und Orange, welche Schießpulver und Feuer symbolisieren, abgelöst.
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Die Parade in historischen Uniformen und auf historischen Fahrzeugen |
So bin ich heute also früh aufgestanden und steckte mir mein zur Schleife gebundenes Sankt-Georgs-Band auf die
linke Seite meiner Jacke, um rechtzeitig zur Parade auf dem "Площадь Революций" zu sein. Dort angekommen, musste ich erst einmal wie alle anderen die Sicherheitsschleuse passieren und hatte dann noch etwas Zeit, mir die ausgestellte Militärtechnik anzusehen, die allerdings fast ausschließlich historische Fahrzeuge umfasste. Hier versorgten Soldaten die Bevölkerung auch mit Buchweizengrütze aus der Feldküche, wie 1945 die Menschen in Berlin und vielen anderen Städten des Ostens aus der Feldküche versorgt wurden.
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Soldaten mit der Kalaschnikow im Gleichschritt |
Nach den in diesem Jahr neu eingeführten Richtlinien gibt es Militärparaden mit aktueller Technik nur noch in den Städten, in denen auch wirklich gekämpft wurde, so dass man in Moskau und St. Petersburg sowohl den T90 als auch die Topol-M sehen kann, während hier in Sibirien die Soldaten "trocken" marschieren müssen. Dabei hatten doch gerade die frischen sibirischen Divisionen Ende 1941 vor Moskau und Ende 1942 bei Stalingrad die große Wende des Krieges eingeleitet. Diese im Winterkrieg ausgebildeten, gut ausgerüsteten und an den russischen Winter gewöhnten Soldaten waren den abgekämpften deutschen Truppen zusammen mit den damals neuen T34-Panzern der größte Schrecken.
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Auch die Jungend hielt Ehrenwache |
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Ein T34/85 als Denkmal |
In Krasnojarsk begann die Parade mit einigen historischen Liedern, die vom Band mit großen Propaganda-LKW übertragen wurden. Auf der Karl-Marx-Straße waren einige hundert Mann der unterschiedlichen Waffengattungen angetreten und hatten wie die tausende Zuschauer zuerst einmal den Reden der Politgrößen - darunter auch der Gouverneur des Krasnojarskij Kraj - zuzuhören, in denen selbstredend mehrfach den "Veteranen
des Großen Krieges zum Tag des Sieges" gedankt und gratuliert wurde. Danach wurde die Parade abgenommen, indem ein General in voller Paradeuniform die Reihen abschritt und die Soldaten ihm ihr durchdringendes "Урааа!" entgegenschmetterten. Danach fuhren die höchstdekorierten Veteranen des Krasnojarskij Kraj mit historischen Fahrzeugen und begleitet von Staffagen in historischen Uniformen vor. Natürlich darf bei solch einem besonderen Anlass auch die Kultur nicht zu kurz kommen, weshalb man eine recht große Tanzgruppe in Uniformen und sonstiger Kleidung aus der Zeit des "Großen Vaterländischen Krieges" steckte und diese dann vor der Haupttribüne eine tolle Allegorie auf das Leid des Krieges und die Freude des Sieges tanzten. Ich hatte natürlich keinen Platz auf der Tribüne, konnte aber den größten Teil des Spektakels auf einer riesigen Leinwand verfolgen. Mir legte sich sehr schnell der Eindruck auf, dass hier wieder einmal eine Terjoschkin-Truppe ihre tollen Leistungen zeigt, was auch durch die zum Teil modernere, oft düstere Musik verstärkt wurde. Im weiteren Verlauf der Parade spielte das anwesende Militärorchester zum Ausmarsch der Soldaten Militärmärsche, woran sich dann wieder historische Lieder aus den Lautsprechern anschlossen.
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Die "Matroschkas", tanzend und singend vor meinem Haus |
Hatte ich zuvor noch geglaubt, dass sich der Parade ein großes Volksfest anschließen würde, so wurde ich alsbald enttäuscht, denn die Menschenmenge verstreute sich schon bald in alle Richtungen. Ich beschloss also nach einen späten zweiten Frühstück, nach Hause zurückzufahren - wusste ich doch, dass auch direkt vor meinem Haus auf der Wawilowa-Straße eine Tribüne aufgebaut war. Und hier wurde ich auch nicht enttäuscht, denn das Fest war bei uns im Kirowski-Rayon noch in vollem Gang. Auf der Straße fuhr kein einziges Auto (welch befreiendes Gefühl angesichts des sonst ununterbrochen dahinbrausenden Verkehrs) und auf den Wiesen gegenüber saßen die Menschen und feierten ausgelassen. Auf der Bühne sang gerade ein Quartett Matroschkas russische Volkslieder, zu denen einige Menschen auf der Straße tanzten. Das war dann auch für mich der schönste Moment, weshalb ich mich mit einem tollen Gefühl nach diesem auditiven Höhepunkt in meine Wohnung begab.
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Der gesamte Prospekt war mit den Faben des Heiligen Georg geschmückt. |
Уважаеиые ветераны, я поздравляю вам с днём победы!
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