Samstag, 19. November 2011

Т. Н. Хренников: Гусарская Баллада

Dieser Schriftzug über dem Rathaus veranschaulicht die Pracht in der Nacht (Man mag es auch "Lichtverschmutzung" nennen)
Jetzt hat mich endgültig die russische Kultur in ihren Bann gezogen. Nach dem Ausflug in die bildende Kunst, heute nun zu meinem ersten Ballettbesuch im Krasnojarsker Opern- und Balletttheater. Gezeigt wurde die Husarenballade von Tichon Nikolajewitsch Chrennikow.
Über eine Kollegin bin ich an die sehr preiswerte Karte rangekommen und machte mich denn auch in der Kälte des gestrigen Tages auf den Weg. Das erste Erlebnis hatte ich schon vorzeitig im Bus auf der langen Tour ins Stadtzentrum. Für die Strecke, die gewöhnlich fünfzehn Minuten dauert, benötigte der Bus im Freitagfeierabendverkehr diesmal mehr als eine halbe Stunde. Dabei herrschten in dem hoffnungslos überfüllten Bus gefühlte 60°C, und das erlebte ich in meiner sibirischen Winterkleidung als den ersten Saunabesuch in Russland. Welch eine Erholung bot da die winterliche Frische auf dem hell erleuchteten, bunten Opernplatz. In der Oper fiel mir die recht pragmatische Architektur des Sowjetbaus auf, die allerdings nicht abstoßend wirkte, sondern ihren ganz eigenen Charme versprühte. Wer einmal in der Semperoper oder einem ähnlichen Barockbau zur Oper war, der möge dieses Erlebnis hier bitte streichen. Dieses Foyer verströhmte den Charme der 70er Jahre, wirkte dabei aber - wie bereits gesagt - keineswegs hässlich. Der Zuschauerraum und vor allem die Bühne wiederum sind wahre Meisterwerke. Wir hatten Plätzen in den hinteren Rängen, was allerdings in diesem Bau kein Nachteil ist, denn man hat wahrlich von jedem Platz des Theaters aus einen sehr guten Blick auf die Bühne. Wenn ich das mit dem sehr steilen Blick von den billigeren Rängen der Semperoper vergleiche, dann muss ich in dieser Frage der sozialistischen Architektur der Sowjetzeit den Vorrang einräumen: weniger Pracht, aber viel Nutzwert.
Das Bühnenbild war ohne Blitz nicht deutlich einzufangen
Lichtkranz über unseren Köpfen (natürlich nur in den Pausen)
Dann ging der Vorhang auf und dem Blick eröffnete sich die ganze Pracht eines herrlichen Bühnenbildes, auf dem zu einer relativ modernen Musik (Die Husarenballade komponierte Chrennikow 1978) russische Husaren des Jahres 1812 mit ihren Mädchen durch einen Moskauer Palast tanzten. Der historisch bewanderte Zuschauer erkannte sehr schnell, dass es bei dem teilweise ungewöhnlichen Stück um Napoleons Russlandfeldzug und seinen Rückzug aus dem dann brennenden Moskau geht. Der erste Akt beschäftigt sich jedoch hauptsächlich mit dem dekadenten Leben der russischen Fürsten und Bojaren bei Hofe, denen die Probleme des einfachen russischen Volkes völlig egal sind. Und bereits hier der erste ungewöhnliche Moment: Zu der Tanz- und Marschmusik hub eine als Offizier verkleidete vollbusige Matrone an zu singen. Gesang im Ballett? Ja, an einigen Stellen haben herausragende Charaktere ihre Gefühle und Handlungen nicht im Tanz, sondern im Gesang auszudrücken. So trat auch der alternde Feldmarschall Kutusow nicht als lustig hüpfende Grazie (welch kranke Vostellung), sondern als volltönender Bass auf.
Damit gelingt es dem Stück, die Handlung mit vielerlei Gestaltungsmitteln voranzutreiben und so der zum Teil recht leichten Komödie zusätzlichen Tiefgang zu verleihen. Neben Tanz und Instrumentalmusik erklang Gesang, sowohl tiefbrummender Bass als auch lerchengleicher Sopran, sowohl im Solo als auch im machtvollen Husarenchor. Das Besondere an dieser Aufführung aber war das berauschende Bühnenbild: vom mondänen Zarenhof ind die Tristesse des Schlachtfeldes, vom Grau des okkupierten Moskaus zu den Ruinen des brennenden Moskaus und zu guter Letzt von dort zurück in die Herrlichkeit höfischen Lebens.
Süße Schlemmereien gab es im Foyer in den Pausen
Eine Komödie zu den Napoleonischen Kriegen? Ja, denn die Haupthandlung war, wie sollte es auch anders sein, eine glücklich verlaufende und endende Verwechslungs- und Liebesgeschichte alá Eleonora Prochaska. Zudem siegen schließlich die Russen, was die russische Seele natürlich streichelt. (Schade eigentlich, dass sich Hitler nicht so genau mit der Geschichte befasst hat. Sonst hätte er - vielleicht - etwas lernen können, und der Menschheit wäre viel Leid erspart geblieben!)



Kleiner Nachtrag zum Wetter:
Es ist, so scheint es mir, relativ warm in Krasnojarsk. Bei nur -4°C hat es heute morgen geschneit - schöner weißer Puderschnee. Als dann, wie eigentlich jeden Tag, die Sonne herauskam, strahlte sie über eine herrlich gepuderte Stadtlandschaft und erwärmte die Luft weiter, so dass von den Dächern große Klumpen Schees herunterrutschten.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen