Montag, 28. November 2011

Столбы III.

Stolby fest in der Hand von Väterchen Frost
Meine beiden "Eseltreiberinnen"
Was macht ein Esel, wenn er sich geschlagen und getreten fühlt? Natürlich! Er läuft in die Wildnis, um sich seine Wunden zu lecken. Und um sich dabei nicht zu verirren, nimmt er einen erfahrenen Eseltreiber mit, der ihm hilft.
Auch ich hatte, als ich mich gestern in die Wildnis unserer Natur begab, zwei richtig nette "Eseltreiberinnen" dabei. Da ich jetzt in der Stadt so ganz ohne Geld eher ein Fremdkörper bin, nahmen mich Nadja und Tanja auf eine herrliche Winterwanderung nach Stolby mit. Den ganzen Tag herrschte klirrende Kälte bei etwa -20°C, so dass eine Wanderung im Schnee sowieso die beste Idee für den Tag war.
Es ging also durch Schnee und Eis, über Stock und Stein, den Berg hinauf zu einer anderen Wandererhütte, die sich aber, ähnlich wie die mir bereits bekannte, an den Berg krallte um ja nicht abzurutschen. Dort gab es dann dieses köstliche russische Wandereressen, bei dem jeder etwas mitbringt, es auf den Tisch legt und so mit den anderen teilt. Zum Nachtisch hatten wir diesmal eine tolle Gesangseinlage: Russische Volkslieder, auf der Gitarre begleitet - für die meisten Menschen bleibt es ein Traum, ich hab's erlebt!
Auch Tee zu kochen, kann spannend sein
Der Höhepunkt war dann aber der "Abstieg", den wir dank des hier noch weißen Schnees auf kleinen Plastikbrettern erheblich beschleunigen konnten. In geradezu halsbrecherischem Tempo ging es also auf dem Gesäß die zum Teil sehr steile und Kurvenreiche Piste herunter. Und dann? Das war für mich das Größte - das habe ich seit mindestens zwanzig Jahren nicht mehr gemacht: Tanja und ich lieferten uns eine Schnee(ohne Ball)schlacht! Die armen Kinder, die so etwas noch nie erlebt haben, werden nie wirklich wissen, wie schön Winter sein kann.
Aber genug geschwatzt - lassen wir die Bilder sprechen (einfach mal anklicken!):



Freitag, 25. November 2011

Я очень слабоумны осёл

Ich bin wirklich ein saublöder Esel!
Und als solcher habe ich heute mehrere Stunden bei der Polizei rumgesessen. Ich bin schon mal ganz glücklich darüber, dass ich nicht als Beschuldigter dasaß, denn das wäre dann wohl das Ende meines hiesigen Aufenthalts gewesen. Aber auch in der Position als Geschädigter war das nicht gerade toll. Zuvor hatte ich erst einmal den Schock meines Lebens zu verkraften:
Mein Portemonaie mit einigem Geld, allen Bankkarten sowie Personalausweis und Fahrerlaubnis ist weg!
Ich kann natürlich nicht mit absoluter Sicherheit sagen, wie es dazu kam, aber ich habe ja lange Zeit gehabt, bei der Polizei meinen Weg seit gestern Mittag zu rekonstruieren. Ich war im Supermarkt ein paar Dinge zum Essen einkaufen und habe dann an dem dortigen Raiffeisenbank-Automaten Geld abgehoben. So bepackt ging ich nach nebenan in die sehr gute "столовая" (Kantine), um für relativ wenig Geld richtig ausgiebig Mittag zu essen. Nach dem Essen bin ich dann nach Hause gegangen und habe fortan kein Geld mehr angefasst, also muss mir das Geld in der Kantine abhanden gekommen sein. Aber bemerkt habe ich das erst heute vormittag, als ich mir in unserer Schulkantine etwas zu essen kaufen wollte. Natürlich habe ich gleich alle Karten sperren lassen, in der Kantine am Einkaufszentrum nachgefragt, mit dem Konsulat in Nowosibirsk gesprochen und bin dann zur Polizei gegangen, um den Verlust zu melden. Dank der großartigen Hilfe meiner Kolleginnen, insbesondere der Frau Massalowas, lief bis dahin auch alles halbwegs glatt. Ohne die Übersetzungen Natalias hätte ich mich hier wohl gleich einsargen lassen können.
Leider kann ich aber jetzt nicht das sonst sehr gute Online-Banking-Verfahren meiner Bank nutzen, da ich für das Sicherheitsverfahren eine Bankkarte brauche, und die ist ... Na, wir wissen's ja! Wie komme ich jetzt also an mein Geld ran? Wie überlebe ich jetzt den sibirischen Winter?
Ja, ich saublöder Esel habe mir diese bittere Suppe eingebrockt - nun muss ich sie auch auslöffeln. Ich hoffe nur, ich ersticke nicht daran!

Samstag, 19. November 2011

Т. Н. Хренников: Гусарская Баллада

Dieser Schriftzug über dem Rathaus veranschaulicht die Pracht in der Nacht (Man mag es auch "Lichtverschmutzung" nennen)
Jetzt hat mich endgültig die russische Kultur in ihren Bann gezogen. Nach dem Ausflug in die bildende Kunst, heute nun zu meinem ersten Ballettbesuch im Krasnojarsker Opern- und Balletttheater. Gezeigt wurde die Husarenballade von Tichon Nikolajewitsch Chrennikow.
Über eine Kollegin bin ich an die sehr preiswerte Karte rangekommen und machte mich denn auch in der Kälte des gestrigen Tages auf den Weg. Das erste Erlebnis hatte ich schon vorzeitig im Bus auf der langen Tour ins Stadtzentrum. Für die Strecke, die gewöhnlich fünfzehn Minuten dauert, benötigte der Bus im Freitagfeierabendverkehr diesmal mehr als eine halbe Stunde. Dabei herrschten in dem hoffnungslos überfüllten Bus gefühlte 60°C, und das erlebte ich in meiner sibirischen Winterkleidung als den ersten Saunabesuch in Russland. Welch eine Erholung bot da die winterliche Frische auf dem hell erleuchteten, bunten Opernplatz. In der Oper fiel mir die recht pragmatische Architektur des Sowjetbaus auf, die allerdings nicht abstoßend wirkte, sondern ihren ganz eigenen Charme versprühte. Wer einmal in der Semperoper oder einem ähnlichen Barockbau zur Oper war, der möge dieses Erlebnis hier bitte streichen. Dieses Foyer verströhmte den Charme der 70er Jahre, wirkte dabei aber - wie bereits gesagt - keineswegs hässlich. Der Zuschauerraum und vor allem die Bühne wiederum sind wahre Meisterwerke. Wir hatten Plätzen in den hinteren Rängen, was allerdings in diesem Bau kein Nachteil ist, denn man hat wahrlich von jedem Platz des Theaters aus einen sehr guten Blick auf die Bühne. Wenn ich das mit dem sehr steilen Blick von den billigeren Rängen der Semperoper vergleiche, dann muss ich in dieser Frage der sozialistischen Architektur der Sowjetzeit den Vorrang einräumen: weniger Pracht, aber viel Nutzwert.
Das Bühnenbild war ohne Blitz nicht deutlich einzufangen
Lichtkranz über unseren Köpfen (natürlich nur in den Pausen)
Dann ging der Vorhang auf und dem Blick eröffnete sich die ganze Pracht eines herrlichen Bühnenbildes, auf dem zu einer relativ modernen Musik (Die Husarenballade komponierte Chrennikow 1978) russische Husaren des Jahres 1812 mit ihren Mädchen durch einen Moskauer Palast tanzten. Der historisch bewanderte Zuschauer erkannte sehr schnell, dass es bei dem teilweise ungewöhnlichen Stück um Napoleons Russlandfeldzug und seinen Rückzug aus dem dann brennenden Moskau geht. Der erste Akt beschäftigt sich jedoch hauptsächlich mit dem dekadenten Leben der russischen Fürsten und Bojaren bei Hofe, denen die Probleme des einfachen russischen Volkes völlig egal sind. Und bereits hier der erste ungewöhnliche Moment: Zu der Tanz- und Marschmusik hub eine als Offizier verkleidete vollbusige Matrone an zu singen. Gesang im Ballett? Ja, an einigen Stellen haben herausragende Charaktere ihre Gefühle und Handlungen nicht im Tanz, sondern im Gesang auszudrücken. So trat auch der alternde Feldmarschall Kutusow nicht als lustig hüpfende Grazie (welch kranke Vostellung), sondern als volltönender Bass auf.
Damit gelingt es dem Stück, die Handlung mit vielerlei Gestaltungsmitteln voranzutreiben und so der zum Teil recht leichten Komödie zusätzlichen Tiefgang zu verleihen. Neben Tanz und Instrumentalmusik erklang Gesang, sowohl tiefbrummender Bass als auch lerchengleicher Sopran, sowohl im Solo als auch im machtvollen Husarenchor. Das Besondere an dieser Aufführung aber war das berauschende Bühnenbild: vom mondänen Zarenhof ind die Tristesse des Schlachtfeldes, vom Grau des okkupierten Moskaus zu den Ruinen des brennenden Moskaus und zu guter Letzt von dort zurück in die Herrlichkeit höfischen Lebens.
Süße Schlemmereien gab es im Foyer in den Pausen
Eine Komödie zu den Napoleonischen Kriegen? Ja, denn die Haupthandlung war, wie sollte es auch anders sein, eine glücklich verlaufende und endende Verwechslungs- und Liebesgeschichte alá Eleonora Prochaska. Zudem siegen schließlich die Russen, was die russische Seele natürlich streichelt. (Schade eigentlich, dass sich Hitler nicht so genau mit der Geschichte befasst hat. Sonst hätte er - vielleicht - etwas lernen können, und der Menschheit wäre viel Leid erspart geblieben!)



Kleiner Nachtrag zum Wetter:
Es ist, so scheint es mir, relativ warm in Krasnojarsk. Bei nur -4°C hat es heute morgen geschneit - schöner weißer Puderschnee. Als dann, wie eigentlich jeden Tag, die Sonne herauskam, strahlte sie über eine herrlich gepuderte Stadtlandschaft und erwärmte die Luft weiter, so dass von den Dächern große Klumpen Schees herunterrutschten.

Donnerstag, 17. November 2011

Василий Иванович Суриков (1848-1916)

Ich musste heute einen peinlichen Offenbarungseid leisten und das kam so:
Selbstporträt Surikows
Heute gab es mal wieder einen Anlass zum Feiern, denn den Absolventen des DSD I aus dem letzten Schuljahr, also zumeist den heutigen Zehntklässlern, wurden in einer feierlichen Zeremonie die Urkunden dieser Deutschprüfung übergeben. Obwohl ich an dieser Leistung nun wahrlich keinen Anteil habe, wurde ich als Deutscher gebeten, den Jugendlichen diese Urkunden zu überreichen und eine kleine Rede zu halten. Wenn auch das Reden vor all diesen Eltern und Gästen nicht gerade meine Sache ist, konnte ich das natürlich nicht ablehnen, zumal das als eine Ehre betrachtet wird. Ich war dann sogar froh, den Schülern gratulieren zu dürfen, denn immerhin sitzen die allermeisten von ihnen in meinem Unterricht.
So übergab ich dann, wohl etwas hölzern, die Urkunden und gratulierte den Absolventen in einer ganz kurzen deutschen "Rede" ("Ein paar Worte" heißt es hier immer), die auch ganz redlich gelang. Danach bedankte sich eine Schülerin stellvertretend für alle bei mir. Wofür? Ich weiß es wirklich nicht, denn zu dieser Leistung konnte ich gar nicht beigetragen haben. Nun, es war für mich dennoch eine schöne Sache dieses Geschenk in den Händen zu halten: Ein Buch über den berühmten russischen Maler Wassilij Iwanowitsch Surikow! Im Gespräch mit den Kolleginnen und Schülern nach der Feier räumte ich dann wahrheitsgemäß ein, dass ich bis zu meiner Ankunft hier nie etwas von Surikow gehört hatte. Man war geradezu entsetzt. (Vielleicht hätte ich einfach meine Klappe halten sollen.) Erst beim Durchblättern des schönen Buches erkannte ich einige mir bekannte Bilder. Aber warum sind russische Künstler im Westen so vollkommen unbekannt? Warum drehen wir uns immer nur um uns selbst? Darauf habe ich leider keine Antworten, aber ich kann etwas zur Aufklärung tun:
Die Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau
Wassilij Iwanowitsch Surikow wurde am 24. Januar 1848 hier in Krasnojarsk geboren und wuchs als Sprössling einer alteingesessenen Kosakenfamilie in Sibirien auf. Er studierte dann in Sankt Petersburg und ging als begnadeter Künstler nach Moskau, wo er an einigen Fresken der weltberühmten Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale mitwirkte. Bis heute sind seine großformatigen Historiengemälde weit über Russland hinaus bekannt (auch wenn sein Name wohl nur einer kleineren Fachgemeinde bekannt sein dürfte) und werden in der berühmten Tretjakow-Galerie in Moskau gezeigt. Hier in Krasnojarsk befindet sich ein bedeutendes Denkmal Surikows und ein Museum in seinem Geburtshaus.
(Randnotiz: unbedingt besuchen!!!)
Der Bronzene Reiter
Surikow malte unter anderem das übergroße Reiterdenkmal Peters des Großen, dass sich in Sankt Petersburg fast direkt an der Newa befindet. Ob die hier im Hintergrund dargestellte Isaak-Kathedrale aus dieser Perspektive wirklich zu sehen ist, kann ich leider nicht sagen. Aber in jedem Fall - ob nun Realismus oder künstlerische Freiheit - handelt es sich hierbei um eine großartige Darstellung des russischen Winters, wie sie heute kein Foto mehr einfangen könnte.
Moskau am Morgen der Hinrichtung der Strelitzen durch Zar Peter
1550 baute Zar Iwan der Gestrenge mit den "Strelitzen" eine Elitetruppe auf, die fortan als Palastwache und persönliche Leibgarde den Zaren zu beschützen hatte. Nach zwei blutigen Aufständen (1682 wegen eines Thronfolgestreits, 1698 als eine Art Palastrevolution) löste Zar Peter der Große diese Truppe auf und ließ die meisten der beteiligten Strelitzen hinrichten. Das war dann das Ende der berühmten Strelitzen.


Die Eroberung Sibiriens durch Jermak
Dieses Gemälde zeigt wie kaum ein anderes die Verbundenheit Surikows zu seiner Heimat Sibirien. Es erinnert an die Eroberung des Tartaren-Khanats Sibir durch den Kosaken-Ataman und Entdecker Jermak Timofejewitsch, womit der Drang der europäischen Russen in den schier endlosen sibirischen Raum begann. Russland wurde damit zunehmend zu einer Macht, mit der man rechnen musste.


Menschikow in Berjosow
Neben unzähligen Historiengemälden schuf Surikow auch eine Vielzahl Darstellungen alltäglicher Situationen. Hier wird der große russische Staatsmann und Generalissimus Alexander Danilowitsch Menschikow nach seiner Verbannung in das sibirische Berjosowo (nach dem russischen Wort für Birke "Berjosa")  gezeigt. Der aufmerksame Betrachter (ich habe dieses Gemälde in meinem neuen Buch groß vor mir) spürt förmlich, wie dem ehedem so hoch Geachteten der Stolz des Großfürsten abhanden gekommen ist. Es ist nicht eine wirklich ärmliche Hütte, die hier dargestellt wird, aber der Gesichtsausdruck Menschikows verrät dessen Demütigung.

Ja, Wassilij Iwanowitsch Surikow ist ein wahrhaft großartiger Maler und ich gelobe, mich seinen Werken und seinem Leben genauer zu widmen.

Sonntag, 13. November 2011

Сибирская "Lesefuchs" в Новосибирске

Na, was hab ich gesagt? U-Boot mit großer Besatzung
Die meisten sibirischen DSD-Schulen sind mittlerweile wohl ein wenig sauer auf die "ausgefuchsten" Krasnojarsker und Moskau werden wir auch noch das Fürchten lehren! Warum? Lest und ihr werdet es erfahren.
Ich hatte an die- sem Wochenende die Ehre, unsere Lesefüchsin Katja nach Nowosibirsk zum sibirischen Finale begleiten zu dürfen. Also machten wir uns am Freitag Abend von Krasnojarsk mit dem Zug auf den Weg. Schon diese etwa zwölfstundige Zugfahrt war einen besonderen Bericht wert. Wir fuhren, aus Kostengründen, diesmal nicht in einem Abteil, sondern im Großraumwaggon mit U-Boot-Atmosphäre: Man stelle sich einen lang gestreckten Raum mit einem sehr schmalen Gang vor, zu beiden Seiten schmale Pritschen, auf denen etwa 80 Menschen sitzen, liegen, kauern. Dieser Platz, sollte man meinen, reiche gerade so für die vielen Menschen aus - aber nein, auch das ganze Gepäck will verstaut werden. Nun war gerade Abendbrotszeit, so dass ein jeder sein Mahl ausbreitete, während die neu zugestiegenen Fahrgäste zuerst einmal ihr Bett beziehen wollten. Andere wiederum waren mit ihrer Garderobe etc. beschäftigt, so dass in diesem "U-Boot" eine rege Tätigkeit herrschte. Zu all diesen Angriffen auf den Seh- und Hörnerv kamen natürlich noch die Reizungen des Geruchssinns, denn all diese Ausdünstungen der Menschen, ihrer Mahlzeiten konnten kaum den mit etwa 30°C völlig überheizten engen Raum verlassen. So war denn diese heiße Nacht auch eine schier endlose Qual für den geschundenen Körper eines verwöhnten Westeuropäers. Der allerdings konnte sich am nächsten Tag ausruhen, während unsere Katja topfit sein sollte. Dösenderweise schliefen wir dann aber doch nach lange durchwachten Stunden in diesem ständig summenden und dampfenden Schlauch ein. Ich wurde jedoch regelmäßig wach - schweißgebadet, mich fühlend wie ein Suppenhuhn im Schnellkochtopf. Zur Abkühlung konnte man sich dann in den Raucherbereich zwischen zwei Waggons begeben, wo es wiederum so kalt war, dass eine dicke Eisschicht die Türen und den Boden im Zug bedeckten!
Der Chef ist da: Es kann losgehen!
Angestrengte Diskussion im Konferenzsaal
Gruppenfoto mit Siegerinnen. (Gut waren alle!)
So übernächtigt kamen wir also gegen 07.30 Uhr morgens in "Nowo" an und mussten jetzt noch knapp zwei Stunden in der so früh am Morgen toten und uns fremden Stadt totschlagen. Glücklicherweise hatte das "People's" auf und wir konnten noch einen Kaffee trinken und die Morgentoilette nachholen. Um 09.00 Uhr ging dann der große Tag mit einem Frühstück im Deutsch-Russischen Haus los. Also gestärkt und nur durch eine kleine Kaffeepause unterbrochen debattierten in den folgenden zweieinhalb Stunden die zwölf jungen Damen über fünf deutsche Jugendbücher, um herauszufinden, welches der von Köln geschickten Bücher das Beste sei. Jede der jungen Damen hatte sich auf ein Buch besonders vorbereitet, um dieses zum "Buch des Jahres" küren zu lassen. Was aber allen noch viel wichtiger war, war die Wahl des "Besten Sibirischen Lesefuchses" des Jahres 2011 - nun gut, es waren eigentlich keine Füchse da, denn der weibliche Faktor war überwältigend. In der ersten Runde diskutierten die Mädchen dann über Der kleine Mausche aus Dessau, ein Buch über die Reise des kleinen Moses Mendelssohn von Dessau nach Berlin im Jahre 1743. Dann sprach man über Gedisst, in dem der Hannoveraner Autor die Zustände im sterbenden Schwedt aus Jugendsicht kommentiert, und über Herz Klopf, in welchem ein Psychopath ein Mädchen entführt. Die zweite Runde beschäftigte sich dann mit Blitzlichtgewitter, das den Gebrauch moderner Medien beim Mobbing beleuchtet, und mit dem Gewinnerbuch Zebraland, in dem Jugendliche nachts ein Mädchen überfahren und dann Fahrerflucht begehen, wodurch das Mädchen auch stirbt. (Jaja, liebe russische Jugendliche, in Deutschland herrscht Mord und Totschlag, Hass und Mobbing!?)
"Unsere" Katja strahlt: Wieder mal gewonnen!
Dann kam die Stunde der Wahrheit! Jede, sowohl die Teilnehmerinnen als auch die Begleiterinnen, hatte eine Stimme, die sie (ich war der einzige männliche Wahlberechtigte, weshalb ich diesen Teil vernachlässige) nur sich selbst nicht geben durfte. Ich verließ dann, als es zur Auszählung kam gemeinsam mit den Teilnehmerinnen den Raum, um draußen ein wenig frische Luft zu tanken, so dass mir das Ergebnis auch erst unbekannt war. Es gab hier viele gute und sehr gute Teilnehmerinnen, wer ahnt denn da gleich das, was dann kommen sollte?
Ehrung und Preisverleihung: J. Dortmann vom IVdK und Anna, die Siegerin auf der Ebene des IVdK, daneben W. Jasser vom ZfA und Katja, Siegerin auf der Ebene der DSD-Schulen


Um die lange Geschichte kurz zu machen: Katja hat trotz der erschwerten Bedingungen (s. Reise im "U-Boot") allen anderen wieder einmal gezeigt, dass die besten Deutschschüler Sibiriens aus Krasnojarsk kommen - ein klarer Sieg nach Punkten. Und jetzt? Moskau, wir kommen, euch das Fürchten zu lehren! (Ich kann mir richtig gut vorstellen, wie man sich dort noch die Wunden vom letzten Jahr leckt und schon wieder stönt: "Oh Gott, Sibirien schickt mal wieder das Gymnasium Nr. 6 aus Kransojarsk!")

Mittwoch, 9. November 2011

Осень или зима?

Das ist Krasnojarsk am frühen Morgen. So wird mein Schulweg wohl für vier oder funf Monate aussehen.
Huuh! Ich habe knallrote Ohren, und die strahlen die Wärme des Reaktorblocks 2 von Fukushima aus!
Kennt ihr das auch? Wenn es draußen kalt und windig ist, dann scheinen die Ohren zu glühen. Heute ist mir das erstmals hier in Russland, in Sibirien, passiert - und dabei ist es noch nicht einmal wirklich kalt. Als ich heute freudestrahlend vom Beginn des sibirischen Winters erzählte, meinte eine Kollegin nur lapidar: "Это не зима, не холодно! Это осень!" Sie meinte also, dass die zur Zeit herrschenden -4°C noch keine Kälte wären und dass dies noch nicht der Winter, sondern nur der Herbst wäre. (Sie sagte noch einiges mehr, aber wenn ich auch noch ein wenig mehr verstanden habe, so kann ich das doch nicht schreiben!)
Alle Kinderchen brüllen: "Hurra, Väterchen Frost ist da!"
Sonnenschein über verschneiten Straßen
Soso, das also ist der sibirische Herbst? Über Nacht hat es etwa zehn Zentimeter Schnee gegeben, der bei -4°C natürlich auch tagsüber nicht wegtaut. Nur an den Stellen, an denen die Sonne lange genug schien, ist ein Teil des Schnees verdampft. Ja, Sonne! Das tolle am sibirischen Wetter, auch im Winter, ist der fast tägliche Sonnenschein. So habe ich den heutigen ersten sibirischen "Winter"tag wirklich genossen (von meinem warmen Raum in der Schule aus). Mal sehen, wie lange ich mich noch an der weißen Pracht erfreue. Im Moment jedenfalls sage ich: "Der sibirische Winter ist richtig schön." Was, ihr glaubt mir nicht? Dann seht selbst:

Samstag, 5. November 2011

Новости из Сибири

So sollte es sein: Die guten Schüler im Licht!
"Im Osten nichts Neues" möchte ich am liebsten frei nach E.M. Remarque schreiben, aber so einfach ist die Welt leider nicht. Weil derzeit in meinem Schädel eine ziemlich wirre Baustelle existiert, habe ich schlicht kaum Nerven, mich um die "Baustelle Blog" zu kümmern. Eigentlich mag es gar nicht so große Probleme geben, denn immerhin haben von den zehn Prüfungskandidaten im DSD II vorgestern bei einer Probeprüfung acht mit "Gut" abgeschnitten und zwei weitere haben auch mit "Befriedigend" bestanden. Die Schüler scheinen also ganz passabel vorbereitet zu sein - dass das nun mein Verdienst ist, kann sehr wohl bezweifelt werden, aber ich komme doch mit den Schülern klar. Dennoch nagt der Stress und einiges mehr an mir.
So ist es ehrlich: Dunkelheit auf der Baustelle!
Ich merke das immer, wenn ich mich denn mal auf die Personenwaage stelle. Ich habe seit meiner Ankunft hier - besonders in der letzten Zeit - (wohl stressbedingt) 7 Kilgramm an Gewicht verloren! Nicht, dass ich mich jetzt unwohl fühlte, aber wenn ich bereits den Gürtel enger schnallen muss (diesmal nicht im übertragenen Sinne) und wenn mir einige Leute sagen, dass ich schmaler geworden bin, dann ist das wohl schon etwas bedenklich. Also habe ich für mich das "Große Fressen" angeblasen. Ich versuche, mich so umfassend wie nur irgend möglich zu ernähren.
Zur Stimmungsaufhellung: Sibirische Kindermode
Zu diesem Behufe hatte ich mich heute entschlossen, mal wieder in die Stadt zum "Kalinka-Malinka" zu fahren. Der aufmerksame Leser wird sich meiner Begeisterung angesichts der ersten Begegnung mit der russischen Küche in eben diesem postsowjetischen Restaurant entsinnen. Dort also nahm ich mein Mittagsmahl ein und speiste für umgerechnet etwa 10,- € geradezu fürstlich. Allerdings fürchte ich, all diese köstlichen Kalorien hinterher wieder abgelaufen zu haben. Jetzt, da ich kein Auto habe und zu jedem Ort der Stadt entweder mit dem Bus fahre oder gehe, kann das mit dem "Großen Fressen" ja nichts werden. Das Interessante ist, dass mir auch der Rat, mehr Bus zu fahren, nicht gerade hilft, denn das Stehen in den oft sehr vollen Bussen führt bestimmt zu ebenso vielen verbrannten Kalorien wie das Laufen. Zudem wollte ich unbedingt meine neuen Winterstiefel einlaufen. An denen hat sich übrigens meine These von vor der Reise bestätigt: Man kaufe ja keine Schuhe für den russischen Winter in Deutschland! Jetzt habe ich Winterstiefel, die mich hoffentlich noch Jahre durch den Winter begleiten - wow, was für "Botinki"!
Ein richtig interessantes Erlebnis hatte ich denn doch: Beim Verlassen des Hauses, in dem ich jetzt wohne, hielt ich, wie ich es als Kind gelernt habe, einer Dame mit vollen Einkaufstüten die Haustür auf. Der hinterher schlurfende Mann brummte dann - allerdings gut verständlich - ein etwas grummeliges "Спасибо", welches die Dame dann fast ohne Akzent in das entsprechende "Dankeschön" übersetzte. Ich war derart überrascht, dass ich es in dem Augenblick vergaß, weshalb ich es hier nachholen und der Dame sagen möchte:
"Спасибо большой. Очень приятно!"