Freitag, 7. Oktober 2011

Семинар в Новосибирске

Diese Kapelle steht mitten auf der Hauptstraße
Was macht man fünf Tage lang in Nowosibirsk? Ja, arbeiten natürlich!
Als hätte die Hauptstadt Sibiriens und drittgrößte Stadt Russlands nichts weiter zu bieten, keine Theater, keine schönen Parks und den Ob (einer der großen Ströme Sibiriens), haben wir uns getroffen, um die Arbeit im Bereich des größten ZfA-Bezirks der Welt zu organiseren. Von Nowosibirsk aus wird fast ganz Sibirien geführt, was diesen eben zum größten Bezirk der Welt macht. Es wird wohl auch kaum einen zweiten Bezirk geben, der seine Mitarbeiter geradezu zwingend mit dem Flugzeug anreisen lassen muss, da eine Zugfahrt zu lange gedauert hätte. Ich war denn auch derjenige, der die längste Reisedauer über sich ergehen lassen musste, denn die Irkutsker Kollegin flog die über 2.000 Kilometer vom Baikalsee an den Ob in Westsibirien.
Die Helden der Sowjetunion vor dem Theater
So trafen wir uns am Sonntagabend zu einer netten Kennenlernrunde und einem leckeren Essen, dessen Genuss mir allerdings nicht gut bekam. Jetzt weiß ich, dass Völlerei nicht gesund ist und kann auch begründen, warum dieselbige zu den Sieben Todsünden gehört. An den folgenden drei Tagen trafen wir uns denn auch jeden Morgen in einem Seitenflügel des deutschen Generalkonsulats von Sibirien, um dort sowohl Erfahrungen auszutauschen als auch völlig Neues zu lernen. Wir waren schon eine lustige Runde, so dass auch sehr trockener Stoff ohne Würgen geschluckt werden konnte. Dank meines "началъник" kam ich denn auch auf meine verdienten Pausen, um mir in diesen meine Lunge für kommende Aufgaben vorzubereiten, wobei mir der "Natschalnik" auch tatkräftig Unterstützung und so manch guten Rat unter vier Augen zukommen ließ. Trotz leichter Verzögerungen in dem straffen Ablaufplan gelang es denn doch unserem acht-köpfigen Sibirien-Team alles Wesentliche eingehend zu besprechen. Bei diesen Runden wurde mir denn auch immer mehr klar, in welchem sprachlichen und organisatorischen Paradies ich mich in Krasnojarsk befand.
Der Natschalnik hatte auch für Irkutsk gute Ratschläge
Ja, wir haben hart gearbeitet! Und ein derart geschundener Körper bedarf selbstredend der Ruhe, welche im Anschluss an das Seminar für die langen Abende organisiert wurde. Der Höhepunkt war ... Nein, es gab keinen Höhepunkt im eigentlichen Sinne, denn jeder Abend war für sich genommen einzigartig. Die offizielle Feier zum  Tag der Deutschen Einheit, die vom neuen Generalkonsul ausgetragen wurde, war trotz aller anstrengenden Offizität (mir fiel kein besserer Begriff ein) doch auch sehr interessant. Das Studium weiblicher Kleiderordnungen ist an deutschen Universitäten ja noch nicht eingeführt - es würde sich dort auch sicher kaum lohnen, da sich die gesamte Damenwelt an einen engen Kleiderkodex hält -; ich könnte jetzt aber schon das erste Praxissemester überspringen.
Das Theater ist imposant - von innen wie von außen
Weitaus lockerer verlief dann der Dienstagabend, an dem wir uns in eine ur-russische Kneipe (Rimma sagte mir allerdings, das wäre eine Touristenfalle) verkrochen und das russische Essen bei Bier und "Самогон" genossen. Besonders das russische Gebräu namens "Самогон", einer Art offiziellen selbstgebrannten Schnapses mit einer unbekannten aber sehr hohen Prozentzahl, führte zu späterer Stunde dann auch zu einzelnen Koordinierungsproblemen und einer geringfügigen Erhöhung der Dezibelzahlen. Nun es war außerordentlich lustig!
Tomsker Erfahrungen für Nowosibirsker Schulen
Kultureller Höhepunkt war dann der Mittwochabend mit dem Ballett "Giselle" im Nowosibirsker Theater. Ich erinnerte mich dabei an eine etwas ungelenke Vorstellung eines französischen Ensembles in Deutschland und fand dabei wieder die alte Lehre bestätigt: Wer gutes Ballett sehen will, der komme nach Russland. Auf der Bühne schwebte ein graziles Mägdelein neben dem anderen; dabei kaum den Boden berührend. Die niedliche, kleine Giselle hätte einem Bären aus "Столбы" die Tränen der Rührung in die Augen getrieben. Und auch die etwas weniger grazile, wenngleich ebenso kunstfertige Männerwelt auf der Bühne beeindruckte das Publikum. Umso verwunderlicher war es dann, auf dem Parkett einige Kunstbanausen beim ersten Anzeichen des fallenden Vorhangs aufspringen und den Saal verlassen zu sehen. Versöhnlicher war da doch der Anblick des weiteren Publikums auf den Rängen, das auch nach der fünften Verbeugung der theatralischen Helden noch "Bravo" rief. Persönlich haben mich auch die vielen kleinen Kinder im Saal beeindruckt, die ohne jede negative Regung das zweistündige und zum Teil doch recht komplexe Geschehen auf der Bühne verfolgten. Versuche das mal einer in Deutschland! Die kleinen Russen und Russinen lernen somit sehr früh den direkten Kontakt mit der oft auch sehr schweren Kultur ihres Landes kennen. Vollgesogen mit diesen Eindrücken wurde das späte Abendessen in einem netten italienischen Restaurant dann auch sehr kulturell und in stiller Andacht eingenommen. Man speißte trefflich!
Gestern abend bin ich dann wieder mit der Transsibirischen Eisenbahn über Nacht nach Hause gefahren, aber wer dazu mehr wissen möchte, der blättere einfach ein Kapitel zurück (Für Computerfreaks: einfach runterscrollen!).
Was also macht man in Nowosibirsk? Nun, nicht nur arbeiten!
Das ist die sibirische Natur (in der Stadt) im Oktober: Wo ist denn der Schnee, denn es sonst immer gibt?

Ach ja, noch was: Die Nächte mit einem sich selbst ankündigenden Schnarcher sind gar nicht schlimm, wenn derselbe auf der Seite liegt. Man könnte dem Schnarcher auch die Hände seitwärts an einem Bein des Bettes kurzbinden. Wenn's alles nichts hilft, muss man wohl zum Kopfkissen greifen. Aber es war ja glücklicherweise gar nicht so schlimm, obwohl ...

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