Montag, 31. Oktober 2011

"Lesefuchs" и наша спортивная площадка

Darf ich vorstellen? Herr Lesefuchs!
Ich muss mal wieder aus der Schule berichten, denn heute war ein besonderer Tag.
Um 10:00 Uhr trafen sich alle Deutschschüler der neunten bis elften Klasse, um am "Lesefuchs"-Wettbewerb teilzunehmen. Das heißt, richtig teilgenommen am Ausscheid haben nur die Elftklässler. Der "Lesefuchs" ist ein von der ZfA in Köln initiierter Wettbewerb für russische Schüler, um dadurch das Interesse an der deutschen Sprache zu erhöhen. Dabei werden immer einige aktuelle Jugendbücher aus Deutschland an die teilnehmenden Schulen geschickt, die dann die Schüler lesen. Jede/r Teilnehmer/in sucht sich dann sein/ihr Lieblingsbuch von diesen Fünf aus und muss dieses möglichst interessant vorstellen.
Frau Lesefüchsin: Katja ist Siegerin
Wer die meisten Interessenten für sein/ihr Buch gewinnt, kommt dann eine Runde weiter - das heißt für Sibirien also nach Nowosibirsk. Dort stellen die einzelnen Schulsieger dann wieder ihr Lieblingsbuch vor und kommen in eine heiße Diskussion, in der jeder versucht, die beste Figur zu machen, denn der Sieger/ die Siegerin darf dann zum großen allrussischen Finale nach Moskau. Den Wettbewerb gibt es erst seit wenigen Jahren; der Titel "Lesefuchs des Jahres" für ganz Russland und Weißrussland ist allerdings schon zweimal an das Gymnasium Nr.6 nach Krasnojarsk gegangen! Die heutige Gewinnerin, Katja, hat also eine entsprechend große Erwartung zu erfüllen und ich bin mir sicher, dass sie dieser Erwartung in knapp zwei Wochen in Nowosibirsk und Ende November in Moskau auch voll gerecht wird.
Wir werden den Moskauern schon zeigen, wo die besten Deutschschüler Russlands lernen: in Krasnojarsk!!!
Heute nachmittag folgte dann als weiter Höhepunkt die feierliche Einweihung des neuen Sportplatzes unserer Schule, eines Multifunktionsplatzes, der im Sommer als Fussball-, Baskettball- etc. -platz fungiert und im Winter zur Eisbahn für Eishockey wird. Zu diesem Zwecke hatte die Schule hohen Besuch von der Stadtverwaltung, die dann auch einige der tollen sportlichen Leistungen unserer Schüler zu sehen bekamen. In einer feierlichen Zeremonie mit einigen kurzen Reden wurden wieder einmal nach russischer Tradition Luftballons mit den Wünschen der Kinder auf die Reise geschickt. So wie der Wind wehte, werden wohl die Bewohner von Norilsk in einigen Wochen etwas zu Lesen haben.
Die Baskettballer kurz vor ihrer sportlichen Vorführung
Trotz der relativen Kälte auf dem offenen Sportplatz (etwa -3°C) war das ein richtig schöner Abschluss des ersten Abschnittes dieses Schuljahres. Morgen beginnen die Herbstferien, die hier in Sibirien für einen Deutschen eher den Eindruck von Winterferien haben. Das ist für mich aber egal, weil ich mit den DSD-Prüflingen im Spezialkurs sowieso zu arbeiten habe.

Sonntag, 30. Oktober 2011

Авантюрный уикенд в Красноярске

Was für ein Wochenende - Holla, die Waldfee!
Ich weiß gar nicht, wo ich mit dem Bericht beginnen soll. Am besten wohl am Ende?!
1. Шёл снег
Die weiße Pracht auf und vor meinem Balkon
Ja, vor ein paar Tagen habe ich noch getönt, dass in diesem Jahr der Winter nicht kommen will und es so warm ist. Nun ist die Lage eine ganz andere, weil es in dieser Nacht gefrostet und geschneit hat - die Straßen und Plätze sind weiß! Da kommt es gerade recht, dass wir gestern noch Winterklamotten gekauft haben.
2. Одежда дла зимы
Wir hatten in der Schule verkürzte Stunden, weil noch einige Vorbereitungen zur feierlichen Einweihung des neuen Sportplatzes der Schule anstanden. So kam es, dass ich bereits frühzeitig mit Tanja und dann auch mit Nadja in die Stadt zum Shopping kam. (Vielleicht sollte ich hier erklären, warum Tanja immer dabei ist: Ohne sie als meiner "Chefdolmetscherin" wäre hier das meiste sehr, sehr kompliziert. Bei den Winterklamotten hätte ich mich sicher ganz schön betrogen. So aber konnte ich auf Nadjas Know-How als erfahrener Alpinistin und auf Tanjas Übersetzungen und Verhandlungen setzen. Klasse, oder?) Naja, jedenfalls gingen wir erstmal durch zwei Läden, die bekannt für gute Winterjacken sind, und ich wurde nach einigem Hin und Her auch wirklich fündig. Jetzt bin ich stolzer Besitzer einer für den sibirischen Winter geeigneten Jacke. Nadja nannte mich denn auch gleich "Poljarnik", als ich in der dicken "Kurtka" im Laden schwitzte.
Man, wat iss dat heiß hier!
Danach sollte es um eine zur Jacke passenden Pelzmütze gehen. Ja, ich wollte immer eine richtige russische Pelzmütze haben, auch wenn die Dinger längst nicht mehr so viel getragen werden, wie es die klischeehaften Vorstellungen in Europa suggerieren. Wir machten erst einmal Pause im "Cafe Terra", wo ich den beiden Mädels erklärte, warum ich unbedingt eine Pelzmütze haben will.
"Ich bin ja nicht als Tourist hier, aber ich will natürlich eine lebenslange Erinnerung an meine sibirischen Jahre haben, eine Art praktisches Souvenir. Deshalb möchte ich eine echte Pelzmütze haben."
Ich hatte natürlich keine richtige Ahnung, was es gibt und zu welchen Preisen. Nadja aber wusste schon wieder bestens Bescheid, und so kaufte ich nach längerem Anprobieren eine richtig klassische russische Pelzmütze. Jetzt bin ich um zwei Erfahrungen reicher: Erstens - Wintersachen einkaufen ist schweißtreibend und zweitens - Pelze sind teuer. Auf alle Fälle war es ein sehr schöner Nachmittag, aber der Höhepunkt kommt erst noch!
3. Кинотеатр нон.стоп
Als wir dann endlich mit dem Einkaufsbummel fertig waren (Schuhe haben wir nicht mehr geschafft), war es draußen schon Dunkel.
Ich hatte bereits vorher den Vorschlag gemacht, doch mal ins Kino zu gehen, was auch sehr gern angenommen wurde. Und so kamen wir gegen sieben Uhr an die Kinokasse und entdeckten, dass es mal wieder ein "Non-Stop-Special" im Kino gibt. Ab 01.15 Uhr wurden drei Filme hintereinander gezeigt. Und so kauften wir fünf Karten für diese Nacht (Die ganze Familie Slinkowa und ich) und fuhren erst einmal nach Hause. Ich hatte dann aber ein Problem: Wie komme ich in der Nacht, wenn keine Busse mehr fahren, in die Stadt?
"Кот в сапогах"
"Ich kann ja zur Haltestelle 'Rodina' gehen und mir dort ein Taxi nehmen," schlug ich vor.
"Um Gottes Willen," Tanja schlug die Hände über dem Kopf zusammen. "Das ist total gefährlich - wenn Sie da an die falschen Leute geraten! Ich werde Ihnen für 00.20 Uhr ein Taxi bestellen."
Wenn ich diese Freunde nicht hätte! Ich kann mir ja nicht mal selbst ein Taxi bestellen, denn ich kann kaum mit den Leuten verhandeln. Allerdings verlief diese Taxifahrt auch extrem abenteuerlich. Zuerst war das Taxi sehr verspätet, was zu Missverständnissen führte und mich unruhig werden ließ. Dann kam nach einigem Hin und Her, in dem ich Tanja anrufen musste, damit sie in der Taxizentrale anrufen kann, das gesuchte Taxi und nahm mich mit. Aber bereits nach wenigen hundert Metern drehte der Fahrer um und versuchte mir klarzumachen, dass ich der falsche Fahrgast sei und er eine junge Frau einsammeln sollte. Wie sollte ich dem denn klarmachen, dass nur die Bestellung von einer jungen Frau, eben "meiner Chefdolmetscherin", geführt wurde und alles seine Richtigkeit habe? Ich war jetzt natürlich schon äußerst nervös, kam mir verloren vor mitten in der Nacht in einer weitgehend fremden Stadt, in der ich mich kaum verständlich machen kann. Es dauerte eine Weile, bis mir der Fahrer endlich erlaubte einzusteigen und losfuhr. Irgendwie hatte ich deutlich gemacht, wie eilig ich es dann hatte. Jedenfalls bretterte der Mann mit über 100 km/h durch die Stadt und flog beim Einbiegen auf die Jenissej-Brücke fast aus der Kurve. Er schaffte es doch tatsächlich mich gerade noch rechtzeitig am Kino abzuliefern, mir aber schlackerten die Knie. Nadja hatte dann erstmal Mitleid und spendierte mir einen Wodka zur Beruhigung, denn ich allerdings mit ziemlich zittrigen Händen fast verschüttete.
"Vom Eise befallen sind Straßen und Plätze" (nicht von Goethe!)
Und dann ging es los, das sechsstündige Hardcore-Russisch-Training für eine geschundene Seele. Mit noch immer schlotternden Knien und leicht angetüddelt von dem Beruhigungswodka wankte ich in den Kinosaal. Zuerst lief eine 3D-Version der "Drei Musketiere" - ganz nett und auch lustig gemacht, hielt sich der Film streckenweise an die literarische Vorlage, schlug dann aber actionreiche Kpriolen des Blödsinns (oder kann sich jemand MG-Feuer im 17. Jahrhundert vorstellen?). Den zweiten Film, "Der gestiefelte Kater", habe ich schlichtweg nicht verstanden, weil das eine ziemlich wirre Geschichte war, die nichts, aber auch gar nichts mit den Gebrüdern Grimm zu tun hatte. Beim dritten Film kenne ich leider den Titel nicht, aber wer vor einigen Jahren "Outbreak" gesehen hat, kennt die Story, nur dass sie diesmal - wie sollte es auch anders sein? - viel größer daher kam. Allerdings war dieser Film wirklich ein gutes Sprachtraining, so dass ich das Gefühl habe, dabei eine Menge gelernt zu haben.
Als wir gegen 07.00 Uhr Ortszeit aus dem Kino kamen, war alles weiß und die Straßen vereist.
4. Русское время
Ein kurzer Nachtrag muss noch sein. In der letzten Nacht wurden in ganz Europa die Uhren um eine Stunde zurückgestellt - von Sommer- auf Winterzeit. In Russland wurde die Zeitumstellung in diesem Frühjahr per Ukas aufgehoben, unter anderem mit der Begründung, dass durch die Zeitumstellung die Kühe litten. Jetzt haben wir also eine Zeitdifferenz von sieben Stunden zu Deutschland und ich kann behaupten, russische Uhren ticken anders.

Mittwoch, 26. Oktober 2011

Где Дед Мороз?

Я не знаю! 
Winter? Nein, das Weiß an den Bäumen ist Farbe!
Ich weiß wirklich nicht, wo in diesem Jahr das "Väterchen Frost" abgeblieben ist. Als ich hier nach Sibirien kam, wusste ich zwar, dass die vielen Geschichten vom ewigen sibirischen Winter Blödsinn sind, aber ich hatte mich doch auf einen frühen Winter ab spätestens Mitte Oktober eingestellt. Heute bin ich aufgestanden und wäre fast wieder umgefallen, als ich auf dem Thermometer +7°C sah.
Wo ist denn nun der strenge sibirische Winter? Einige Leute von den Stolbysti erklärten mir, dass wir einen besonders strengen Winter bekämen, weil irgendwelche Bäume (habe leider deren Namen vergessen) besonders viele Früchte trügen. Da sehe ich jeden Morgen aus dem Fenster und ... Nichts! Kein Krümmelchen Weiß, kein Frost! Immer nur das gleiche Grau, wie in den Tagen zuvor. Abends erlebe ich immer noch meistens die gleichen herrlichen Sonnenuntergänge, die mir seit über zwei Monaten das Leben versüßen.
 
Das ist der tägliche Abendblick von meinem Fenster; Das Weiße sind hier Birken!
Wenn ich dann über Internet die deutschen Nachrichten (Tagesschau, was sonst?) sehe, dann kann ich immer nur lächeln: Liebe Landsleute, eure Nächte sind kälter als unsere! Und auch Tagsüber ist es in Mitteleuropa nicht so viel wärmer.
Aber ich will's ja nicht beschreien. Der Winter kommt bestimmt und wenn, dann auch mit reichlich Schnee und Frost. Nur - Das "Väterchen Frost" hat dieses Jahr länger geschlafen!

Sonntag, 23. Oktober 2011

Русские церковы

Die wohl schönste Kirche von Krasnojarsk
Wer nach Russland kommt, sollte unbedingt die hochinteressanten orthodoxen Kirchen besuchen und sich diesem ganz eigenen Flair übergeben.
Das orthodoxe Kreuz ist leicht zu erkennen
Ich habe noch nicht allzu viele von den Krasnojarsker Kirchen gesehen, aber doch schon einige Besonderheiten bemerkt. Da ist zum Ersten die fast völlige Abwesenheit von Sitzgelegenheiten. Die Gläubigen stehen im Gottesdienst - zum Teil über mehrere Stunden! Nur einigen älteren Mütterchen und Väterchen ist es gestattet, sich auf einer Bank am äußersten Rand des Raumes auszuruhen. Für Protestanten sehr gewöhnungsbedürftig ist der sehr starke Weihrauchgeruch, der auch den katholischer Kirchen deutlich übertrifft. Daran sieht man, dass in der orthodoxen Kirche nicht gegeizt wird. Während hinter dem katholischen Pfarrer ein kleiner Junge mal ein Weihrauchbecherchen hochhält, schwenken die Gehilfen des orthodoxen Popen wild qualmende Fässer. Während der katholische Priester mal ganz schüchtern ein paar Tröpfchen Weihwassers in Richtung der Gläubigen spritzt, kommt der orthodoxe Pope mit einem Eimer voll Weihwasser und verteilt dieses reichlich mit einer Art Besen über die Gläubigen. Da hat man dann schon mal ein wahrhaft geweihtes Gesicht! Auffällig im Vergleich zur Schlichtheit protestantischer Kirchen sind auch die vielen kunstvollen Ikonen tausender Heiliger, vor denen jeweils ein großer Kerzenhalter steht.
Wozu dieser Schrein dient, weiß ich (noch) nicht
 Wer nun einen besonderen Wunsch hat, der stellt sich vor die zuständige Ikone, entzündet seine Kerze und betet dann eben diese Ikone, also den entsprechenden Heiligen an. Ich habe leider bisher noch nicht verstanden, wer wofür zuständig ist. Auch hat mich einmal eine nette, ältere Dame auf einen schlimmen Fehler, den zu begehen ich im Begriff war, hingewiesen. In den Kerzenständern befindet sich mittig eine kunstvoll verzierte Wachsschale, in der ein Kerzendocht brennt. An eben diesem Docht wollte ich Frevler meine zuvor in der Kirche gekaufte Kerze anzünden, wurde aber glücklicherweise von der Tat abgehalten. Die Begründung habe ich leider nicht verstanden.
Diese Kirche befindet sich am Ufer des Jenisseij
Mir ist in den Kirchen besonders bei älteren Menschen eine tiefe Frömmigkeit aufgefallen. Schon vor dem Eingang bekreuzigen sich die Gläubigen mehrfach und nach Durchschreiten des Tores weitere Male unter Aufsagen verschiedenster Gebete. Diese Handlungen werden dann vor den Ikonen wiederholt. Hieran sieht man, wie wenig die Sowjetzeit auf diese Menschen gewirkt hat - jedoch bezweifle ich nach allem, was ich bisher gehört und gesehen habe, dass diese frommen Menschen eine starke Gruppe innerhalb der ganzen Gesellschaft stellen.
Besonders interessant war für mich die Holzkirche in Stolby, die zu Ehren der toten Alpinisten errichtet wurde. Im Innern bietet sich ein wenig verändertes Bild. Aber vor der Kirche ist eine große Ehrentafel mit den Namen all jener toten Kletterer der letzten zwanzig Jahre, die bei den Stolbysti eine Rolle gespielt haben. Tanja und Nadja haben mir denn auch ihre Bekannten darunter gezeigt. Aber interessant, das kann ich versichern, sind alle orthodoxen Kirchen!

Ежедневные мысли

Auf meinem Schulweg: eine der vielen Birkenalleen
Jetzt beginnt hier der Alltag, wie an meinen immer seltener werdenden Einträgen deutlich zu erkennen ist. Nicht, dass es jetzt nichts Neues mehr gäbe oder gar das Leben langweilig würde, aber das große Staunen, diese kindlichen Entdeckungen haben ein Ende.
Auch das ist Krasnojarsk: Ein Zicklein in Pudelgröße
Alltag pur: Mein allabendlicher Ausblick vom Balkon
Allein die Schule sorgt, ähnlich wie in Deutschland, dafür, dass mir nicht langweilig wird. Da passiert dann schon mal etwas Unvorhergesehenes. Interessant in diesem Zusammenhang sind die Subbotniks, die derzeit etwas häufiger angesetzt werden, weil natürlich das mittlerweile völlig abgefallene Laub weggebracht werden muss. Zudem soll am kommenden Freitag unsere nigelnagelneu renovierte Schule ganz offiziell - mit Vertretern der Stadt und dem hiesigen Fernsehsender "ТВК" - eingeweiht werden. Dafür sollen die Schule und das gesamte Gelände natürlich blitzen. Also hatte ich am Donnerstag mal einen kürzeren Tag (die Mädels putzten den Hof) und machte mich auf in die Stadt - ich wollte zu dem mir wärmstens anempfohlenen Buchladen "Еверест". Natürlich dachte ich bei einem Buchladen, der auch deutsche und englische Titel führt, an den größten Laden der Stadt. Aber dort hatte man an deutschen Büchern nur Schopenhauer in drei unterschiedlichen Exemplaren (allerdings immer das gleiche Werk). So fragte, nein radebrechte (oder radebrach?), ich mir meinen Weg durch die Stadt und fand nach langem Suchen in einer Seitenstraße ein Einkaufszentrum dieses Namens. Natürlich fand ich keinen Buchladen, musste also wieder radebrechen und ein sehr netter Verkäufer führte mich vor eine unscheinbare Hintertür, die allerdings verschlossen war. Die davor stehende junge Dame beteuerte allerdings, dass der Laden gleich aufmache, was auch fast im selben Moment geschah. In einem relativ kleinen und nicht natürlich zu beleuchtendem Raum standen Bücherregale, volgestopft mit deutschen, englischen, japanischen etc. Lehr- und Wörterbüchern. Literatur? Fehlanzeige! Nur die englische Abteilung hatte einige Taschenbücher - Massenware. Aber einen großen Erfolg hatte ich denn doch: Die Verkäuferin und auch die mich zuvor ansprechende Dame sprachen beide gutes Englisch - Ich konnte mich mit den Leuten flüssig unterhalten! Die bereits erwähnte junge Dame hatte denn auch einige Zeit zu einem netten Plausch - und wir tauschten vor dem Auseinandergehen noch Telefonnummern aus. Was mich allerdings etwas stutzig machte, war die sehr nette Frage: "Are you married?" ... (!?)
Stadtansichten über den Jenisseij hinweg
Über diese Brücke geht jede Fahrt in die Stadt (vgl. 10-Rubel-Schein)
 Heute war ich dann im größten Einkaufszentrum von Krasnojarsk, in dem es einen "Hypermarkt" (so die eigene Werbung) namens "Окей" gibt. Ich wollte mal nach Weihnachtsgeschenken gucken, denn das Paket muss natürlich frühzeitig gepackt werden. Aber es ist gar nicht so einfach etwas Nettes und urtümlich Russisches zu finden, wenn die Läden noch nicht das geringste Anzeichen eines Weihnachstverkaufes zeigen. Während in Deutschland der Weihnachtskommerz ja schon Ende August beginnt, um den Leuten auch wirklich den letzten Groschen aus der Tasche zu ziehen, denkt hier noch keiner an das russische Weihnachtsfest - es ist ja auch erst am 7. Januar. Aber das war eigentlich auch gar kein Problem, denn dem touristischen Schnickschnack werde ich sowieso nicht auf den Leim gehen. Ich suchte eigentlich nur so Schnüsselkram, der auch die sehr strengen russischen Zollbestimmungen überlebt. Was verschenkt man, wenn ein Paket mit einem nicht zu hohen Gewicht durch den Zoll gelangen soll?
Nun, ich habe jetzt ein paar nette Sachen (hoffe ich), aber ganz zufrieden bin ich natürlich nicht: Die Sachen müssen durch den Zoll, dürfen nicht zerbrechlich und nicht verderblich sein, nicht zu schwer und typisch russisch. Soll ich Buchweizengrütze kaufen oder was? Nun, Weihnachten sollte sowieso nicht so sehr ums Schenken kreisen! Wer weiß heute denn noch, worum es bei Weihnachten geht? Und sollten nicht eigentlich alle Nichtchristen an diesem Tage arbeiten und damit etwas Sinnvolles tun?
So, jetzt ist aber Schluß mit dem Quatsch. Ich werde im November ein kleines Paket packen, damit dieses (hoffentlich) rechtzeitig zu Weihnachten zu Hause ist. Bücher werden jedenfalls nicht darin sein!

Montag, 17. Oktober 2011

Столбы II.

Nachtessen in fröhlicher Runde in der Wanderhütte
Aljona war die Stimmungskanone des Abends
Jeder in Krasnojarsk kennt "Stolby" - so fing mein erster Eintrag zu diesem Naturpark an. Inzwischen konnte ich aus Gesprächen mit Schülern erfahren, dass es zwar jeder kennt, aber manche sind in ihrem Leben nie oder kaum jemals dort gewesen. Ich habe jetzt bereits die zweite Klettertour hinter mir und bin natürlich stolz wie Bolle, dieses Aushängeschild der sibirischen Natur mittlerweile so gut wie mancher Krasnojarsker zu kennen - und ich kenne nicht nur die Wege der Massen, sondern auch spezielle Pfade!
Frühstück: Tee, Brot, Wurst, Käse und Kekse (schon alle)
Beim letzten Mal hatten wir Rast in einer gefährlich am Berg hängenden Hütte gemacht und ich wollte schon damals gern in dieser Hütte übernachten. Diesmal war es so weit. Nach einem relativ späten Aufbruch am Samstag - die Schule endet bekanntlich auch samstags nicht viel zeitiger als in der übrigen Woche - kletterten wir in der Abenddämmerung durch den zunehmend dunkler werdenden Wald hoch zu der gemütlichen Wanderhütte. Dort empfing uns zu allererst ein ziemlich grummeliger junger Mann, ließ uns dann aber nach einigen Sätzen doch eintreten. Nun saßen wir im Dunkeln am grob behauhenen Tisch und warteten auf die anderen, die sich allerdings erst gegen Mitternacht angekündigt hatten. Doch dann ging die Tür doch schon gegen 21:00 Uhr auf und herein kamen zwei weitere junge Wanderelfen und setzten sich zu uns an den mit Kerzen erleuchteten Tisch. Die Tür ging auf, die Tür ging zu, und in der zunehmend heller mit Wanderlampen erleuchteten Hütte wurde es auch immer gemütlicher. Jeder legte, was er/sie an Essbarem dabei hatte, auf den Tisch und wir teilten ein herrlich abwechslungsreiches Abendessen. Die bereits sehr warme Hütte wurde so bis etwa 23:00 Uhr richtig voll, denn auch unsere Freunde schafften es früher. Und dann ging die Fete erst richtig los. Der Wein, ein wenig Wodka und vor allem der warme Tee ließ alle in bester Stimmung reden. Schweigen musste nur ich, da mein Russisch nicht ausreicht, um an solchen Gesprächen aktiv teilzunehmen. Dennoch war dies einer der besten Abende meines bisherigen Aufenthalts in Sibirien. Erst spät gingen wir dann in das Obergeschoss, wo zwei übereinander gestapelte Pritschen mit aufgelegten Matratzen genügend Platz für 14 Menschen (!) zum Schlafen bot.
Ich bin oben auf dem Felsen ...
Die Nacht allerdings war für mich nicht so erholsam, denn in der Hütte herrschten, nachdem den ganzen Abend der Kanonenofen bollerte, gefühlte 40°C und ganz mein Nebenmann auf der Pritsche liebte es, in unregelmäßigen Abständen leise und laute Grunzer, tief nachdenkliche Schnarcher und orkanartige Atemgeräusche von sich zu geben. So "erwachte" ich denn auch am nächsten Morgen etwas zerknittert und brauchte einige Zeit, um wieder ansprechbar zu sein. Aber schon das Frühstück - leider ohne richtigen Kaffee - brachte uns wieder auf die Beine, so dass wir nach einiger Zeit endlich zu der sehnlichst erwarteten Wander- und Klettertour aufbrechen konnten.
... und konnte dieses Foto von oben schießen ...
Die erfahrenen Stolbysti zog es denn auch gleich auf die erste und wahrscheinlich schwierigste Säule, die mir immer noch als unbezwingbar erscheint. Ich machte mich also lieber mit Dima und Olga auf den Weg zum weitaus leichteren "Löwentor", das mir allerdings beim letzten Mal auch unbezwingbar erschien. Dieses Mal raffte ich mich auf und - Hurra! - erreichte den Gipfel. Auch wenn mir der Ausblick von oben nicht geheuer war, fühlte ich mich dort oben schon gut. (Naja, für die erfahrenen Kletterer ist das "Löwentor" eher langweilig.) Nun hatte ich Blut gerochen und bestieg etwas später auch noch den "Opa" - na gut, es war nur seine Schulter, aber immerhin ...
... und dieses (von "Opas" Schulter aus) und ... (kommt später)
Diese Natur zu erleben und dabei auch noch den inneren Schweinehund besiegt zu haben, das ist schon eine tolle Sache! Wie gesagt, ich bin stolz wie Bolle.

Ach ja: Wenn ich weiter mit den Stolbysti unterwegs sein will, dann muss ich irgendwann einmal die erste Säule besteigen, denn das ist die Aufnahmeprüfung. Packen wir es also an - beim nächsten Mal, oder beim übernächsten oder ...

Sonntag, 9. Oktober 2011

Параскева Пятница и Шантй Бар

10 Рублей
Leider zieht die russische Staatsbank den 10-Rubelschein zunehmend aus dem Verkehr und ersetzt ihn gegen Münzen. Wer aber noch einen Schein ergattern kann, erkennt darauf wichtige Bauwerke aus Krasnojarsk - das Wasserkraftwerk, die Kommunalbrücke (2,3 km lang!) und das Wahrzeichen der Stadt, die "Paraskjewa Pjatniza"-Kapelle hoch oben auf dem Berg. Eben zu dieser Kapelle sind wir gestern Nachmittag gewandert.
Diese Kapelle ist das Wahrzeichen der Stadt
Der Heilige ist in göttliches Licht gehüllt
Die nach einer russischen Heiligen benannte Kapelle wurde 1804 auf dem Platz eines früheren holzernen Wachturms errichtet und etwa 50 Jahre später umgebaut. Zu Sowjetzeiten verfallen, restaurierte man die Kapelle nach dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums und nutzt sie heute als Wallfahrtsort und um hübsche Hochzeitsfotos zu schießen. So konnten wir in der Zeit unserer Anwesenheit auch gleich mehrere frischvermählte Pärchen in ihrem Glücke beobachten. Wenn man in die sehr enge Kapelle geht, öffnet sich der Blick auf die sonnenbeschienenen Ikonen wichtiger Heiliger. Auf der linken Seite verkauft ein älteres Mütterchen kleine Ikonen und Kerzen, die man bei seinem Wunschheiligen anzündet und plaziert. Der dabei ausgesprochene Wunsch soll dann in Erfüllung gehen.Werde ich nun zwei oder mehr absolut tolle und gesunde Jahre in Krasnojarsk haben?
12.00 Uhr Krasnojarsker Zeit = 06.00 Uhr in Deutschland
Vor der Kapelle steht, etwas unterhalb der Bergspitze eine kleine, funktionstüchtige Kanone, die jeden Tag um 12.00 Uhr einen Schuss abfeuert, so dass die Krasnojarsker danach ihre Uhren stellen können.
 Von hier aus wandten wir uns in Richtung Stadt und machten uns an den zum Teil sehr steilen Abstieg vom "Karaulnaja"-Berg. Aber nicht der Berg war gefährlich für uns, sondern die danach folgende vierspurige Straße, die es zu überqueren galt. Todesmutig sprang ich zur Unzeit zwischen die wütend fauchenden Stahlleiber der dahinrasenden Maschinen und fand dabei fast den Tod. Aber die heilige Paraskjewa Pjatniza hat mich doch beschützt, ebenso wie meine bedeutend umsichtigeren Begleiterinnen, die lange auf eine kleine Lücke zwischen den Autos warteten. 
Nadja hat noch nie Shisha probiert, fand aber Gefallen daran
All diese spannenden Erlebnisse wurden dann gekrönt von dem Abendessen in der Shanti-Bar mitten im Krasnojarsker Zentrum. Manch einer mag denken, als Vegetarier habe man in Russland keine Chance. Die Shanti-Bar belehrte uns jedoch eines Besseren - ein indisches Vegetarier-Restaurant der Spitzenklasse. Im Keller eines der typischen Blocks kommt man in eine matt erleuchtete Höhle von unbeschreiblicher Gemütlichkeit. Zwischen den Kissen auf niedrige Sofas geflätzt, genossen wir dann ein köstliches vegetarisches Mahl aus den kulinarischen Geheimgängen Indiens, dessen Namen wir - selbstredend - nicht aussprechen konnten. Hier waren meine russischen Freunde fast genauso verloren wie ich, zumal ich eine englischsprachige Karte bekam. Das war denn auch einer der Höhepunkte des Abends: Es war mir anfangs gar nicht bewusst, dass ich eine englische Karte hatte, und als ich die dazwischenliegende russischsprachige Weinkarte studierte, wurde mir nicht bewusst, dass ich in der Schriftsprache wechselte. Ist das jetzt der erste sprachliche Sprung? Nehme ich die kyrillische Schrift jetzt unbewusst auf? Als Tanja mich darauf aufmerksam machte, war ich natürlich stolz wie Bolle.
Der heilige Schrein der Shanti-Bar
Jetzt bemerkte ich, dass die nach dem Essen zu genießende "Shisha" in meiner englischen Karte "Hookah" genannt wurde, während in der russischen Karte "Калянь" stand. Alle drei bezeichnen denselben Zustand absoluter Entspannung im arabisch-asiatischen Raum: Man lässt sich zum fruchtigen Rauch der Wasserpfeife treiben. Dies war dann der krönende Abschluss eines köstlichen indischen Mahls in der Shantai-Bar.
Hier in Sibirien lässt sich die russisch-orthodoxe Kultur mit der arabisch-islamischen Kultur zu einem spannenden Abenteuer verbinden!

Freitag, 7. Oktober 2011

Семинар в Новосибирске

Diese Kapelle steht mitten auf der Hauptstraße
Was macht man fünf Tage lang in Nowosibirsk? Ja, arbeiten natürlich!
Als hätte die Hauptstadt Sibiriens und drittgrößte Stadt Russlands nichts weiter zu bieten, keine Theater, keine schönen Parks und den Ob (einer der großen Ströme Sibiriens), haben wir uns getroffen, um die Arbeit im Bereich des größten ZfA-Bezirks der Welt zu organiseren. Von Nowosibirsk aus wird fast ganz Sibirien geführt, was diesen eben zum größten Bezirk der Welt macht. Es wird wohl auch kaum einen zweiten Bezirk geben, der seine Mitarbeiter geradezu zwingend mit dem Flugzeug anreisen lassen muss, da eine Zugfahrt zu lange gedauert hätte. Ich war denn auch derjenige, der die längste Reisedauer über sich ergehen lassen musste, denn die Irkutsker Kollegin flog die über 2.000 Kilometer vom Baikalsee an den Ob in Westsibirien.
Die Helden der Sowjetunion vor dem Theater
So trafen wir uns am Sonntagabend zu einer netten Kennenlernrunde und einem leckeren Essen, dessen Genuss mir allerdings nicht gut bekam. Jetzt weiß ich, dass Völlerei nicht gesund ist und kann auch begründen, warum dieselbige zu den Sieben Todsünden gehört. An den folgenden drei Tagen trafen wir uns denn auch jeden Morgen in einem Seitenflügel des deutschen Generalkonsulats von Sibirien, um dort sowohl Erfahrungen auszutauschen als auch völlig Neues zu lernen. Wir waren schon eine lustige Runde, so dass auch sehr trockener Stoff ohne Würgen geschluckt werden konnte. Dank meines "началъник" kam ich denn auch auf meine verdienten Pausen, um mir in diesen meine Lunge für kommende Aufgaben vorzubereiten, wobei mir der "Natschalnik" auch tatkräftig Unterstützung und so manch guten Rat unter vier Augen zukommen ließ. Trotz leichter Verzögerungen in dem straffen Ablaufplan gelang es denn doch unserem acht-köpfigen Sibirien-Team alles Wesentliche eingehend zu besprechen. Bei diesen Runden wurde mir denn auch immer mehr klar, in welchem sprachlichen und organisatorischen Paradies ich mich in Krasnojarsk befand.
Der Natschalnik hatte auch für Irkutsk gute Ratschläge
Ja, wir haben hart gearbeitet! Und ein derart geschundener Körper bedarf selbstredend der Ruhe, welche im Anschluss an das Seminar für die langen Abende organisiert wurde. Der Höhepunkt war ... Nein, es gab keinen Höhepunkt im eigentlichen Sinne, denn jeder Abend war für sich genommen einzigartig. Die offizielle Feier zum  Tag der Deutschen Einheit, die vom neuen Generalkonsul ausgetragen wurde, war trotz aller anstrengenden Offizität (mir fiel kein besserer Begriff ein) doch auch sehr interessant. Das Studium weiblicher Kleiderordnungen ist an deutschen Universitäten ja noch nicht eingeführt - es würde sich dort auch sicher kaum lohnen, da sich die gesamte Damenwelt an einen engen Kleiderkodex hält -; ich könnte jetzt aber schon das erste Praxissemester überspringen.
Das Theater ist imposant - von innen wie von außen
Weitaus lockerer verlief dann der Dienstagabend, an dem wir uns in eine ur-russische Kneipe (Rimma sagte mir allerdings, das wäre eine Touristenfalle) verkrochen und das russische Essen bei Bier und "Самогон" genossen. Besonders das russische Gebräu namens "Самогон", einer Art offiziellen selbstgebrannten Schnapses mit einer unbekannten aber sehr hohen Prozentzahl, führte zu späterer Stunde dann auch zu einzelnen Koordinierungsproblemen und einer geringfügigen Erhöhung der Dezibelzahlen. Nun es war außerordentlich lustig!
Tomsker Erfahrungen für Nowosibirsker Schulen
Kultureller Höhepunkt war dann der Mittwochabend mit dem Ballett "Giselle" im Nowosibirsker Theater. Ich erinnerte mich dabei an eine etwas ungelenke Vorstellung eines französischen Ensembles in Deutschland und fand dabei wieder die alte Lehre bestätigt: Wer gutes Ballett sehen will, der komme nach Russland. Auf der Bühne schwebte ein graziles Mägdelein neben dem anderen; dabei kaum den Boden berührend. Die niedliche, kleine Giselle hätte einem Bären aus "Столбы" die Tränen der Rührung in die Augen getrieben. Und auch die etwas weniger grazile, wenngleich ebenso kunstfertige Männerwelt auf der Bühne beeindruckte das Publikum. Umso verwunderlicher war es dann, auf dem Parkett einige Kunstbanausen beim ersten Anzeichen des fallenden Vorhangs aufspringen und den Saal verlassen zu sehen. Versöhnlicher war da doch der Anblick des weiteren Publikums auf den Rängen, das auch nach der fünften Verbeugung der theatralischen Helden noch "Bravo" rief. Persönlich haben mich auch die vielen kleinen Kinder im Saal beeindruckt, die ohne jede negative Regung das zweistündige und zum Teil doch recht komplexe Geschehen auf der Bühne verfolgten. Versuche das mal einer in Deutschland! Die kleinen Russen und Russinen lernen somit sehr früh den direkten Kontakt mit der oft auch sehr schweren Kultur ihres Landes kennen. Vollgesogen mit diesen Eindrücken wurde das späte Abendessen in einem netten italienischen Restaurant dann auch sehr kulturell und in stiller Andacht eingenommen. Man speißte trefflich!
Gestern abend bin ich dann wieder mit der Transsibirischen Eisenbahn über Nacht nach Hause gefahren, aber wer dazu mehr wissen möchte, der blättere einfach ein Kapitel zurück (Für Computerfreaks: einfach runterscrollen!).
Was also macht man in Nowosibirsk? Nun, nicht nur arbeiten!
Das ist die sibirische Natur (in der Stadt) im Oktober: Wo ist denn der Schnee, denn es sonst immer gibt?

Ach ja, noch was: Die Nächte mit einem sich selbst ankündigenden Schnarcher sind gar nicht schlimm, wenn derselbe auf der Seite liegt. Man könnte dem Schnarcher auch die Hände seitwärts an einem Bein des Bettes kurzbinden. Wenn's alles nichts hilft, muss man wohl zum Kopfkissen greifen. Aber es war ja glücklicherweise gar nicht so schlimm, obwohl ...

Sonntag, 2. Oktober 2011

В поезд до Новосибирск

Ich kenne Menschen, die hier nicht durchpassen
Birken, Hunderttausende, nein Millionen von Birken habe ich heute gesehen! Na gut, gesehen habe ich nicht alle, weil der Zug der Transibirischen Eisenbahn von Krasnojarsk nach Nobosibirsk ein Nachtzug war. Aber nachdem es hell geworden war, sind wir noch weitere etwa drei Stunden durch riesige Birkenwälder gefahren - und zuvor war es sicher nicht viel anders: Birken und "Unendliche Weiten"! (Ich bin überzeugt, dass die Macher von "Raumschiff Enterprise" vor dem Dreh durch Sibirien gefahren sind, den die Anfangssätze "Unendliche Weiten ..." passen hier perfekt.) Und dabei habe ich nicht einmal einen minimalen Teil des Landes sehen können!
Die Transsibirische Eisenbahn auf dem Bahnhof
Meine verpupste Pofe am Morgen des 02. Oktober
Gestern Abend gegen 22.00 Uhr (Krasnojarsker Zeit) bin ich also in einen Schlafwagen der Transsibirischen Eisenbahn eingestiegen, um damit zu unserem Einweisungsseminar nach Nowosibirsk zu kommen. Ein Abenteuer der Extraklasse: Wie viele Menschen denken mal darüber nach, mit der Transsib zu fahren und wie wenige haben wirklich die Möglichkeit, ihren Traum zu verwirklichen? Allerdings muss ich sagen, dass ich ganz froh über die relative Kürze der Fahrt (ca. 1.000 Kilometer in 12 Stunden) bin, denn es ist schon nicht ganz leicht, auf dieser Enge zurechtzukommen. Der Gang vor den Kabinen lässt kaum genügend Platz, dass sich zwei magersüchtige Rehkitze aneinander vorbeidrängeln können. In den Abteils schlafen auf einer Grundfläche von ca. sechs Quadratmetern vier Menschen (immer zwei übereinander) und müssen dabei noch ihr Gepäck verstauen. Ich hatte aber mehrfach Glück, denn erstens hatte ich einen Platz im Parterre, was von Vorteil ist, wenn man im schwankenden Zug auf einem relativ schmalen Brett schlafen will. Zweitens stiegen in Krasnojarsk nur zwei Personen in das Abteil ein, so dass wir in relativer Ruhe unsere Betten fertig machen konnten. Und drittens war meine Mitpassagierin sehr nett - ein radebrecherisches "Gespräch" kam immer mal wieder in Gange, erstarb aber bei zu großen Hürden - und hatte zuvor keinen Knoblauch gegessen. Auch die Ausdünstungen der später in der Nacht zusteigenden zwei Männer hielten sich stark in Grenzen, so dass in unserem Abteil trotz der Hitze von vier schlafenden Personen das Atmen nicht einmal schwer fiel. Draußen im Gang war die Knoblauchfahne weiterer Passagiere in unserem Waggon schon stärker spürbar.
In Nowosibirsk scheint wie in ganz Sibirien täglich die Sonne!
Ich will mich also gar nicht beschweren, zumal ich morgens für meinen selbst mitgebrachten Tee zwar keinen Zucker erhielt, aber immerhin eine köstlich süße russische Praline. Selbst mitgebrachter Tee? Ja, in der Schule riet man mir, alles, was ich eventuell benötigte, mit einzupacken. Also hatte ich eine Tasse, vier Teebeutel, eine kleine Rolle Klopapier, ein paar Kekse etc. mitgenommen. In einem russischen Schlafwagen gibt es nur das heiße Wasser umsonst, alles andere kostet relativ viel und man ist vom Wohlwollen der Schaffnerinnen abhängig.
Jawoll, mit der Transsibirischen Eisenbahn zu fahren ist ein tolles Erlebnis, aber nur die härtesten Europäer und natürlich die Russen halten eine Tour von Moskau nach Wladiwostok (ca. 8 Tage und Nächte) aus und Lächeln am Ende noch. Jetzt, da ich hier in einem drittklassigen Nowosibirsker Hotelzimmer sitze und das frisch aufschreibe, denke ich bereits an die Rücktour: Spannend aber nicht ganz einfach!
Übrigens Nowosibirsk ist eine ganz schöne Stadt, soweit ich das bisher sehen konnte, aber davon in Kürze mehr.