Was soll man noch schreiben, wenn man, wie ich am letzten Sonntag, die Größe der sibirischen Natur gesehen hat? Eigentlich war diese Woche sehr interessant gewesen, aber irgendwie bin ich nach dem Blick auf die sibirische Wildnis sprachlos.
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Stillleben in der belgischen Bäckerei (ohne Brot) |
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Gestern hatten wir schon unseren zweiten sehr spannenden Lesezirkel zur Vorbereitung auf den diesjährigen Lesefuchswettbewerb und ich wollte darüber etwas schreiben. Aber wie, ohne Worte? Am Nachmittag bin ich dann in die Stadt zur belgischen Bäckerei gefahren und habe mir dort wieder einmal ein Tiroler Brot gekauft, denn auch wenn das russische Brot ganz gut ist, freue ich mich immer riesig darauf, in der belgischen Bäckerei Brot wie zuhause in Deutschland zu bekommen.
Dort traf ich nach Langem mal wieder Tanja und sie lud mich zu einem Kletterwettbewerb der Stolbisty in einer Sporthalle ein - zum Zuschauen, nicht zum Selbstklettern! Da ich am Sonntag sowieso in diese Gegend fahren wollte, sagte ich auch ohne lange zu überlegen zu.
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Ziemlich verrückt, das Ganze! |
So fuhr ich heute morgen also nach "Akademgorodok" hinaus, zum äußersten nordwestlichen Rand der Stadt, und schaute einige Zeit den Spezialisten an der Kletterwand zu. Jetzt verstehe ich auch, warum die Leute so problemlos auf die Felsen in Stolby klettern. In der Halle befand sich nicht etwa eine steile, gerade nach oben ragende Wand, sondern hier schloss sich ein Vorsprung an den anderen an - und die Leute kletterten hier scheinbar so leichtfüßig hoch, wie ich auf einen Hügel laufe. Da saß ich nun in einer Sporthalle - aber ich wollte doch eigentlich ein wenig durch die Winterlandschaft bis zum Ufer des Jenissej wandern!
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Zwei Wege ... |
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... im Novemberschnee |
So ging ich denn auch bald wieder und schlug mich durch das Akademiker-städtchen bis zum Steilufer des Flusses durch, immer in der Hoffnung auf eine Wiederholung des faszinierenden Ausblicks der letzten Woche. Nun hatte aber sich verstärkendes Schneetreiben eingesetzt und verschleierte den Blick zusätzlich zu dem Nebel, der über dem Jenissej-Tal hing: Ich sah kaum den Fluss! Also zurück und in einen Bus eingestiegen, der mich wieder in das Stadtzentrum brachte. Dort angekommen, ging ich erneut hinunter zum Fluss und hatte jetzt auch Glück, denn hier, direkt am Ufer, war die Sicht um ein Vielfaches besser - nur einzelne Schleier waberten in der kalten Luft.
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Kies, mitten im Flussbett und ... |
Aber wo war das Ufer? Unterhalb der lang gestreckten Uferpromenade erstreckte sich eine weiße Fläche, die ich anfangs noch als das zugefrorene, extrem flache Flussbett des Jenissej erkannte. Bald aber war auch die Eisfläche und mit ihr alles Wasser verschwunden, so dass ich meine Wanderung mitten im Kies des Flussbettes fortsetzen konnte. Schon lange beklagen die Krasnojarsker zwei Missstände, die der Bau des riesigen Wasserkraftwerkes mit sich gebracht hat.
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... mancherorts sogar Büsche im Fluss! |
Einerseits friert der Jenissej (zumindest der Hauptstrom) selbst bei dem allerstrengsten Frost nicht mehr zu, weil die Wassertemperatur auch im Winter immer zu hoch ist. Zum anderen, und das ist, wie ich heute sehen konnte, wahrhaft bedrohlich, nimmt der Wasserspiegel dramatisch ab. Als ich dort im trockenen Kies stand erinnerte ich mich fatal an das Tote Meer, das ich im Sommer 1997 von der Negev-Wüste in Israel kommend sah. Auch dort nimmt seit Jahren der Wasserspiegel bedrohlich ab, weil alle Anrainer, allen voran die Israelis, das Wasser des Jordanflusses zur Bewässerung ihrer Felder benutzen. Es besteht wohl kaum die Gefahr einer Wüstung in Sibirien, aber die zerstörerische Wirkung des Menschen ist hier wie dort überdeutlich.
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Hier ist der Fluss zugefroren, weil das Wasser nur noch eine Handbreit tief ist. |
Man kann nur hoffen, dass die Natur nicht mit voller Wucht zurückschlägt und die Staumauer so zerbricht wie die kleine Brücke, die ich in der letzten Woche am anderen Ende der Stadt gesehen habe.
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