Heute habe ich in der Stadt auch einmal ein paar "Behinderte" gesehen - nein, nicht im Rollstuhl! Etwas derartiges zu erwarten, wäre denn doch ein wenig vermessen. Die vier jungen Damen unterhielten sich sehr angeregt, ohne dabei auch nur das kleinste Geräusch zu verursachen, wobei ich nicht sagen könnte, worüber sie sprachen, da meine Künste auf dem Gebiet der Gebärdensprache noch rudimentärer sind als im alltäglichen Russisch. Wahrscheinlich sprachen die Damen über die Geschichte und Kultur des Krasnojarsker Gebietes, denn sie standen, genau wie ich, in der Abteilung für indigene sibirische Kultur des Krasnojarsker Regionalmuseums.
Schon lange hatte ich vorgehabt, mich mal wieder in dieses Museum, das ich an einem meiner allerersten Tage in Krasnojarsk besucht hatte, zu begeben. Und genau wie damals im August 2011 hat mich wieder einmal die Geschichte und Kultur der sibirischen Urvölker am meisten beeindruckt.
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Innenraum einer chakassischen Hütte |
Heute wird Sibirien von etwa 25 Millionen Menschen besiedelt, hauptsächlich entlang der Transsibirischen Eisenbahn. Dahinter verbergen sich neben Russen eine Vielzahl größerer und
kleinerer Volksgruppen, die sechs verschiedenen indigenen Sprachfamilien
angehören. Trotz unterschiedlicher geschichtlicher und sprachlicher Hintergründe
gibt es unter den indigenen Völkern eine Vielzahl von kulturellen
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Ewenkin im typischen Zelt |
Gemeinsamkeiten, die vor allem auf den geographischen und klimatischen
Gegebenheiten basieren. So weisen sie in ihren Ursprüngen eine Wirtschafts- und
Lebensweise als Nomaden (Haltung von Schafen, Pferden und im Norden vor allem
Rentieren), Jäger oder Fischer auf. Nach dem Zusammentreffen mit den russischen
Eroberern im 16.Jh. setzte eine schrittweise
Auslöschung ihrer Kulturen ein, die
einen Höhepunkt unter der Diktatur Stalins fand. Viele sind trotz allem in ihrem
Kern erhalten geblieben und für einige dürfte es keineswegs zu spät sein für
ihre Rückbesinnung und Weiterentwicklung.
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Ein Dolgane im Schlittenhaus |
Zu den sogenannten "Großvölkern" zählt man beispielsweise die Tuwiner,
Jakuten, Altaier und Burjaten. Letztere sind mit circa einer halben
Million die größte ethnische Minderheit in Sibirien, südöstlich des Baikalsees ansässig. Zu den kleineren Naturvölkern zählen unter anderem die Chanten, Mansen, Ewenken, Tschuktschen und Nenzen. (Völker Sibiriens)
Im Museum ist recht anschaulich die Kultur und auch ein wenig die Geschichte der im Krasnojarskij Kraj ansässigen Völker (zu nennen sind die
Nenzen, Dolganen, Jakuten, Ewenken und
Chakassen als bedeutsame Völker) dargestellt. Dabei beeindruckte mich der zum Teil sehr selbstkritische Ton der Tafeln, die hier neben Russisch auch Englisch beschriftet sind. Zumindest was die (fast) Auslöschung der indigenen Völker Sibiriens angeht, ist man hier sehr ehrlich, was viele Ureinwohner darauf hoffen lässt, dass ihre Kutluren wieder belebt werden.
Neben den Menschen Sibiriens spielen auch die hiesigen Tiere eine wichtige Rolle - und wie einige Kulturen unwiederbringlich verloren sind, hat Sibirien auch einige Tiere für immer verloren. Beispielhaft dafür zeigt das Museum das beeindruckende Skelett eines Mammuts, das nach Aussage einer Wärterin aber zu einem recht kleinen Tier gehört. Mich mehr beeindruckt haben die gewaltigen Ausmaße und die Kraft des sibirischen Wollnashorns, welches direkt neben dem Mammut nachgebildet wurde.
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Leben in einem russischen Holzhaus. |
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Die Kinder schlafen auf dem Ofen. |
In der obersten Etage schließlich kann man die Geschichte und Kultur nach der Eroberung Sibiriens durch die Russen und natürlich auch die umwälzenden Ereignisse der Jahre 1917-1922 nachvollziehen. Allerdings habe ich hier vielfach das Problem, dass ich mit der Vielzahl der auf kleinstem Raum ausgestellten Exponate überfordert bin. Warum muss die in den Medien bis zum Exzess betriebene Reizüberflutung auch noch in Museen fortgeführt werden? Vielleicht sollten wir Europäer uns bei den indigenen sibirischen Völkern bedienen und mal von denen etwas lernen - wie wär's mit Ruhe und Einfachheit?
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Die Sonne bescheint ein unter dunklen Wolken liegendes Gebäude der Universität. |
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