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Angeblitzte Schneeflocken im Morgengrau |
Gestern abend saß ich an meinem Computer und schrieb in einer Mail nach Deutschland, es würde wohl noch etwa vierzehn Tage dauern, bis hier in Krasnojarsk der erste Schnee fallen würde. Währenddessen peischte ein erbarmungsloser Südostwind den schneidend kalten Regen über die Stadt. Wer hätte aber gedacht, dass sich dieser Regen noch in derselben Nacht in Schnee verwandeln würde und damit den 11. Oktober zum ersten Vorwintertag werden lassen würde? Ja wir hatten heute früh erstmals eine weißgetünchte Landschaft im Schneetreiben! Der kalte Wind ließ dabei die gefühlte Temperatur weit unter Null sinken, und selbst jetzt sind noch vereinzelte weiße Flecken zu sehen.
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Auf dem Weg zur Schule konnte ich dann einige blühende Blumen entdecken, die sich nur schwach in dem Frost aufrecht halten konnten. Und selbst die bunten und zum Teil sogar noch grünen Bäume ließen ihre Äste hängen. Durch den weißen Hintergrund kommen die herbstlichen Kontraste rot-gelb-grüner Laubbäume natürlich noch viel besser zur Geltung, aber das ist nur ein geringer Trost bei rotgefrorenen Fingern.
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Bewaffnet mit einem Fotoaparat machte ich auf meinem Schulweg noch eine interessante Beobachtung. Obwohl eigentlich nicht erlaubt, haben viele Familien in der Stadt einen sogenannten "
подвал", einen außerhalb des Hauses gelegenen "Keller", ein mit einem schweren Eisendeckel abgedecktes Loch in der Erde. Im Sommer und in der Übergangszeit dienen diese etwa zwei bis drei Meter tiefen "подвалы" als kühle Lagerstätte für Obst und Gemüse.
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Das sind die "подвалы". |
Im Winter werden sie dann zu dem berühmten sibirischen Kühlschrank umfunktioniert, in dem allerhand Tiefgefrorenes eingelagert werden kann. Ein ganz eiliger Besitzer eines solchen "Kellers" war schon heute, im allerersten Schneetreiben dabei, sein Erdloch zum Kühlschrank umzufunktionieren, obwohl der nötige tiefe Frost wohl noch länger auf sich warten lassen wird.
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In Deutschland gäbe es ein Warnschild. |
Gefährlich oder zumindest lästig wird jetzt leider jeder Gang auf den Straßen der Stadt. Da es keine hinreichenden Abflüsse auf den meisten Straßen gibt, bleibt selbst der seichteste Schneematsch längere Zeit erhalten. Die gestern noch regennassen Wege verwandeln sich in gefährliche Rutschbahnen und auch die Provisorien zur Umgehung der schlimmsten Pfützen sind nicht mehr sicher. Da sich auf dem Schulhof an einer Stelle, die ich zwingend passieren muss, der Regen fast dauerhaft in einer riesigen Pfütze staut, ist jemand auf die kluge Idee gekommen, eine Art Steg aus zwei Brettern auf Holzblöcken zu bauen, um so den See zu überbrücken. Wie erwartet ist die Feuchtigkeit darauf aber heute zu einer lustigen Rutschbahn gefroren.
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Meinen Schülern, die ja zumeist schon in Deutschland waren, konnte ich heute aber mal ganz anschaulich erklären, was Winter in Norddeutschland bedeutet. Sie alle haben Deutschland ja nur im Frühjahr und Sommer kennengelernt und daher ein etwas verzogenes Bild verinnerlicht. Welcher Sibiriak kann sich schon zwei oder drei Monate vorstellen, in denen das Wetter nicht weiß, ob es Winter sein soll oder doch lieber Herbst? Wie soll ein Sibiriak den Gedanken ertragen, dass die Sonne sich über Wochen schmollend hinter dicken Regen-Schnee-Matsch-Wolken zurückzieht?
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