Sonntag, 15. April 2012

Давайте христосоваться и есть куличи!

"Христос воскресе!" Mit diesen Worten begrüßt man heute einen Freund, worauf dieser antwortet: "Воистину воскресе!" Es ist nämlich Ostern in Russland, doch ist das für einen Außenstehenden zufälligen Beobachter nicht so einfach zu erkennen. Während in Deutschland der Osterkommerz oft schon im Januar - also kurz nach dem Weihnachtskommerz - losgeht, findet er hier erst gar nicht statt. Nirgends waren in den Supermärkten und Schokoladengeschäften irgendwelche besonderen Osterleckereien aufgebaut. Und auch die aufdringlich knallbunt gefärbten Eier, die in Deutschland allerorten herumliegen, sucht man hier vergeblich und das, obwohl Ostern auch heute noch zu einem der wichtigsten Feste in Russland gehört.
Der Ostergottesdienst ist ein farbenprächtiges Spektakel
Besonders ist das Osterfest natürlich für die orthodoxen Christen wichtig. Es beginnt auch lange vorher mit der Fastenzeit, in der kein Fleisch gegessen werden darf - selbst Restaurants bieten in dieser Zeit Fastenmennüs an. So richtig festlich wird es dann erst am Samstag gegen Mitternacht, wenn die Menschen in großer Zahl in die Kirchen für den Ostergottesdienst strömen. Oft sind dann die Kirchen derart überfüllt, dass es kaum noch einen Stehplatz gibt.
Kulitschi auf dem Markt...
Und hier verbinden sich religiöse und weltliche Traditionen miteinander: Viele der Besucher haben nämlich ihre Osterbrote "куличи" mitgebracht und lassen sie vom Popen einsegnen. Diese Osterbrote werden dann am Ostersonntag gemeinsam mit Freunden gegessen oder auch verschenkt.

... und bei mir zuhause
"Куличи" gehören unbedingt auf jede russische Ostertafel. Das sind oft sehr würzige Hefeteigbrote, deren Zubereitung eine Wissenschaft für sich ist. In den Hefeteig werden viele unterschiedliche Gewürze und zumeist auch Rosinen eingearbeitet. Dieser Teig wird dann in einer Eimerform gebacken, wobei man genau auf den Umfang und die Höhe des Osterbrotes achten muss, um danach die genaue Backtemperatur einzustellen. Nach dem Backen bestreicht man das abgekühlte Brot mit einer klebrigen Sahne-Zuckerguss-Mischung und streut oben noch bunte Streußel auf.

Wer einmal einen  "кулич" nachbacken will, sollte viel Zeit und Nerven haben - ein Rezept gibt es unter http://www.russlandjournal.de/russland/reiseinformationen/feiertage/ostern/ - und viel Spaß beim Ausprobieren. Ich habe mir auf dem Markt eines dieser Osterbrote gekauft (für 30 Rubel!) und es probiert. Es schmeckte ... Nun, sagen wir es war "interessant".
Das Osterei für die Zaren von Faberge
Wenn man auch in den Supermärkten keine bunten Eier findet, so ist doch die Tradition des Eierfärbens hier auch sehr lebendig. Bereits am vorhergehenden Samstag oder am Ostersonntagmorgen werden dann die gekochten Eier in Essiglauge bunt gefärbt. Traditionell allerdings machte man das Färben noch mit Zwiebelschalen, was zwar die Fülle der Farben stärker einschränkt, die Eier aber weitaus natürlicher erscheinen lässt. Dazu werden oft noch bunte Bildchen auf die Eier geklebt, so dass hier kleine Kunstwerke entstehen und manch einen an die sündhaft teuren Faberge-Eier erinnert. Mit den hart gekochten Eiern hängt eine weitere wichtige Tradition zusammen: das sogenannte Eierschlagen. Zwei Personen stellen sich mit jeweils einem Ei in der Hand gegenüber auf und sagen: "Давайте христосоваться!" Dann werden die beiden Eier gegeneinander geschlagen und derjenige, dessen Ei dabei kaputt geht, muss dieses an sein Gegenüber abgeben. Was passiert, wenn beide Eier zerschlagen werden, konnte ich nicht herausfinden.

Ebensowenig konnte ich abschließend herausfinden, wie die Terminierung des Osterfestes erfolgt und warum Weihnachten zwei Wochen später als im Westen liegt, während Ostern nur eine Woche später ist. Die Berechnung dieses Termins ist wiederum ein sehr komplizierte Angelegenheit, bei der auch das jüdische Pessach-Fest (in diesem Jahr zeitgleich mit dem katholischen Ostern) eine Rolle spielt. Der Termin für das russisch-orthodoxe Osterfest muss nach dem 3. April und nach dem jüdischen Pessach-Fest liegen.
Aber eigentlich ist das nicht so wichtig. Für die Russen ist es viel wichtiger, dass sie diesen Tag im Familienkreis verbringen und sich beim Essen auch ausgiebig mit ihren Freunden unterhalten können.

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