Wenn man vom Süden aus dem Verlauf des Jenissej folgt, so kommt man kurz hinter den Städten Abakan und Minusinsk zum Krasnojarsker Stausee, der sich über eine Länge von 388 Kilometern bei einer Breite von bis zu 15 Kilometern erstreckt. Damit ist dieser Stausee mit einem Speichervolumen von ca. 73.300 Mio. m³ einer der größten der Erde.
Da verwundert es nicht, dass ich mir diesen riesigen See mit dem ebenso riesigen Kraftwerk unbedingt einmal ansehen musste, zumal das Krasnojarsker Wasserkraftwerk auch noch den Zehn-Rubel-Schein ziert. Aus diesem Grunde sind Micha und ich bei herrlichstem Sonnenschein zu einer kleinen Landpartie in das etwa 40 Kilometer südwestlich gelegene Diwnogorsk zum Kraftwerk aufgebrochen.
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Iss schon imposant, oder? |
Die ersten beiden Turbinen der riesigen Staumauer wurden 1967 pünktlich zum 50. Jahrestag der "Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" in Betrieb genommen. Heute hat das Wasserkraftwerk mit 12 Turbinen eine Leistung von 6.000 Megawatt und ist damit das großte Wasserkraftwerk Russlands.
Mit dieser Energieleistung könnte Krasnojarsk eine der saubersten Städte Russlands sein, denn der gesamte Energiebedarf der Stadt und des Umlandes wird klimaneutral am Jenissej bei Diwnogorsk erzeugt. Jedoch geht der allergrößte Teil der erzeugten Energie in die Alluminiumindustrie Krasnojarsks, was den positiven Effekt wieder umkehrt.
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Ust-Mana ist richtig schnuckelig |
Auf der Fahrt zum Kraftwerk wollten wir es uns dann auch nicht nehmen lassen, einen Aussichtspunkt hoch oben über dem Jenissej tal zu besuchen. Mit einem Blick weit über den Verlauf des Flusses könnte dieser Aussichtspunkt ein wahrer
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Blick über das Jenissej-Tal |
Touristenmagnet sein, ähnlich wie Stolby, die Jenissej-Inseln und die Stadt selbst. Aber wir waren uns beide schnell einig, dass hier wie überall in und um Krasnojarsk die touristischen Möglichkeiten leider nicht im Geringsten ausgeschöpft werden. Auch die folgenden kleineren Ortschaften, das so idyllisch an der Mündung der Mana gelegene Ust-Mana und die mitten in den Wald gebaute Kleinstadt Diwnogorsk haben nicht einmal im Ansatz das touristische Potenzial genutzt.
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Micha! |
Direkt am Kraftwerk stellten wir wieder einmal fest, dass in Russland alles eine Stufe größer ist als im Zwergenland Deutschland. Man steht vor dieser riesigen Staumauer und mag gar nicht daran denken, wie klein der einzelne Mensch im Vergleich zu diesen Dimensionen ist. Dabei kommt man, wegen eines sehr ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses der russischen Behörden, kaum in die Nähe der Staumauer, geschweige denn, man könnte, wie ich das gern getan hätte, den Fluss auf der Staumauer überqueren.
Also setzten wir uns wieder ins Auto und fuhren ein paar Kilometer auf die andere Seite des Stausees, um wenigstens einmal diese Wassermassen zu überblicken. Wie aber waren wir überrascht, dass der ganze Stausee nicht nur einzelne Eisschollen trug, sondern an diesem 5. Mai noch komplett mit Eis bedeckt war.
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Eis auf dem Stausee am 5. Mai. |
Da wollte Micha es sich auch nicht nehmen lassen, mal ein paar Meter auf den See hinauszulaufen. Wir sahen, dass die Eisschollen nur lose miteinander verbunden waren und damit trotz der Dicke von etwa 30 Zentimetern keinen sicheren Stand ermöglichten. An einer Stelle sehr nahe am Ufer entdeckten wir aber eine kleine Sandbank, auf die Micha ganz beherzt sprang. Wie erschrocken waren wir aber, als sich das Ganze in Bewegung setzte!
Der Sandhaufen hatte sich nur auf einer Eisscholle abgesetzt, auf der Micha nun mit schreckgeweiteten Augen über dem eiskalten Wasser trieb. Auch mir war erst einmal die Luft weggeblieben und ich vergaß (was mich heute noch ärgert), ein Foto zu machen. Glücklicherweise konnte Micha aber kurz darauf wieder zurück auf festes Land springen und wir konnten noch eine kleine Wanderung am Ufer des Sees unternehmen.
Mittlerweile hungrig geworden, beschlossen wir, den Tag mit einem ausgiebigen Essen im "Bulgakow's", einem ganz schicken Restaurant in Krasnojarsk zu beschließen. Und weil gestern in Russland gerade Ostern (nicht) gefeiert wurde, bekamen wir dort sogar noch zwei kleine "Kulitschi", die hier üblichen Osterkuchen, geschenkt. Und noch eine Entdeckung machte ich im "Bulgakow's": Man sagt ja, dass man das Niveau eines Restaurants am Zustand seiner Toiletten erkennt.
Nun ist diese Regel nach deutschen Maßstäben in Russland nicht immer anwendbar; gestern jedoch bestätigte sich der Spruch allemal. So altmodisch und auf eine interessante Art elegant, wie der Anspruch des ganzen Restaurants ist, so kommen auch die Toiletten daher. Besonders angetan war ich von den Waschbecken - vier mitten im Raum stehende uralte Blechschüsseln, in die das Wasser aus uralten Wasserhähnen lief, das Ganze hygienisch rein und mit viel Liebe gepflegt.
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