Mittwoch, 22. Mai 2013

Мысли к семинару

Wolfgang, der Chef
Was schreibt man über Freunde und Kollegen, wenn man sich bereits verabschiedet hat? Das ist im Moment mein großes Problem, nachdem am Montag unser OLK-PLK-Seminar in Nowosibirsk geendet hat, für mich das vorläufig letzte Seminar im weiten Sibirien.
Rimma, die russische Seele
Neben den sehr interessanten Arbeitsstunden zum DSD I, die mir allerdings vorerst nichts mehr nutzen, habe ich mich aus dem sibirischen Team der ZfA verabschieden können. Praktisch jeden Abend, von Donnerstag bis Sonntag, haben wir in wechselnden Konstellationen zusammengesessen und über alles gesprochen.
Gabi, die Tanzkönigin
Für mich hieß das, noch einmal die letzten zwei Jahre Revue passieren zu lassen. Dabei habe ich wieder einmal festgestellt, dass die Erfahrungen des Russlandaufenthalts trotz aller Probleme und Misslichkeiten das vielleicht wichtigste Erlebnis meines bisherigen Lebens waren.
Auch wenn wir uns nicht allzu oft gesehen haben, war der feste innere Zusammenhalt unseres Teams die wohl beste Erfahrung, die ich mir denken kann. Genau diesen Zusammenhalt werde ich wohl, zumindest lange Zeit, sehr vermissen.
Christine, die Berlinerin
Nun heißt es aber vorausschauen und schon einmal an die Zukunft denken, denn in gerade einmal drei Wochen werde ich dieses unendlich weite Land auf unabsehbare Zeit verlassen, werde wieder in der guten, alten Heimat leben und von den vielen guten Erfahrungen zehren.  Jetzt will ich nur danken, dem "besten Team der Welt":
Ulrich, der Ruhepol
Hendrik, der Abenteurer
Alex, der Gemütliche
  • Unserem "Natschalnik", Wolfgang, in der sibirischen Hauptstadt Nowosibirsk
  • Seiner Mitarbeiterin in der ZfA, Rimma, die für die Verständigung mit den Russen sorgte
  • Der sächsischen Kollegin, Gabi, die auch in Nowosibirsk zwei Schulen betreut
  • Der Berlinerin, Christine, in der Kulturstadt Irkutsk am Baikalsee
  • Dem Kollegen aus Kemerowo, Ulrich, der aus Erlangen nach Westsibirien gekommen ist
  • Im fernen Jakutsk auch aus Sachsen kommend dem Abenteurer Hendrik
  • Und dem urgemütlichen Alex aus Halle, der jetzt in Tomsk sitzt und für Ordnung sorgt
Da bleibt mir nur Eines zu sagen:
Danke, 
Janke

Sonntag, 12. Mai 2013

Природа пробуждает к новой жизни

Die Wachstumsperiode in Sibirien ist verdammt kurz, weshalb hier auch nicht alles wächst und weshalb die Landwirtschaft zum Teil sehr eingeschränkt ist und deshalb erfinderisch sein muss. Wenn dann aber erst die Natur zu neuem Leben erwacht, dann geht das atemberaubend schnell:
Wo gestern noch alles grau und scheinbar tot war, da grünt heute schon saftiges Laub - noch in Babygröße zwar, doch so frisch, wie man es nur träumen kann.
Draußen auf den Feldern wird diesem Aufbruch durch eine besondere Düngung noch nachgeholfen. Die nach dem Winter trocken liegenden Felder werden Ende April kontrolliert abgebrannt und schon ein bis zwei Wochen später ist alles grün.
Der viele Sonnenschein, der Sibirien auszeichnet, lässt die Temperaturen auch sehr schnell auf die 20°C steigen, und wenn dazu, wie in dieser Woche, noch der Regen hinzukommt, kann man beim Ergrünen zusehen.
Gestern zum Beispiel wollte ich unbedingt eine Wanderung in der Natur machen, weil an dem noch recht kalten Morgen die Sonne strahlte. Zum Glück konnte ich
dann nach dem Mittag in der Stadt meine Pläne noch schnell ändern, denn es wurde ziemlich schnell dunkel und fing an zu regnen. Heute war es, wie zu erwarten, wieder strahlend schön und ist es bis jetzt. Dieser schnelle Wechsel von Sonne und Regen - manchmal innerhalb einer Stunde zwei bis drei Mal - beschleunigt natürlich das Erwachen der Natur.
Jedenfalls habe ich heute meine gestern geplante Wanderung über die Tatishewa-Insel nachgeholt. Da wollte ich weit abseits des "Mainstreams" mal einige offenbar weitestgehend unbekannte Trampelpfade erkunden und konnte so ohne jegliche menschlische Belästigung mehrere Stunden lang die Natur beobachten und Blümchen zählen. Ja, noch ist die Zahl der wild blühenden Blumen sehr überschaubar, aber sie kommen - und zwar mit Macht!
Den Höhepunkt der Tour bildeten aber nicht frisch grünende Bäume und Gräser, nicht noch etwas verzagt blühende Blümchen, sondern die niedlichen kleinen "суслики".
Zu hunderten flitzten kleine Erdhörnchen über die Wiesen der Insel und beobachteten, was diese lärmenden Riesen in ihren bunten Fellen so trieben. Eigentlich sind die Viecher recht misstrauisch und verschwinden mit unglaublicher
Geschwindigkeit in ihren Erdlöchern, wenn sich ein randalierender Mensch zu sehr nähert. Die kleinen Racker sind aber auch wahnsinnig neugierig, was ich weidlich ausnutzte. Ich näherte mich im Zeitlupentempo, immer darauf bedacht, keine Geräusche zu machen. Dann, in der Hocke, nahm ich ein trockenes Blatt in die Hand und raschelte damit. Und siehe da, die niedlichen Erdhörnchen mussten einfach wissen, was das ist. Problematisch war zwar immer der Griff zur Kamera, aber mit viel Vorsicht gelangen auch einige der Fotos, während sie vor mir herumtänzelten. Eins der Viecher schnupperte sogar an meiner Hand!
Die "Skyline" von Krasnojarsk vom Fluss aus gesehen - die Wiesen sind schon richtig grün.
 Zusammen mit den Pflanzen kommt jetzt durch die Tiere richtig Leben in die Natur - und es muss sich beeilen, denn in etwa fünf Monaten ist alles wieder vorbei. Dann kommt der richtige Frost und der erste Schnee: Schlafenszeit für Eich-, Streifen- und Erdhörnchen!

Freitag, 10. Mai 2013

День Победы - День дружбы народов

Gestern war von allerhöchster Stelle für ganz Russland "Kaiserwetter" bestellt, damit die Reußen in gebührender Manier ihren wichtigsten Feiertag begehen konnten: den Tag des Sieges. Und zumindest hier in Krasnojarsk hielten sich die verantwortlichen Wettermacher auch an diesen Befehl, so dass ich den Tag für einen Gang über die Tatischewa-Insel und durch die Stadt nutzen wollte.
Also machte ich mich also gegen Mittag auf den Weg zum Bus. Nun ist es so, dass jeder Stadtbezirk zusätzlich zu der zentralen Feier im Zentrum auch noch sein eigenes Fest veranstaltet, und dass dieses Fest für den Kirowskij Rayon direkt vor meinem Haus stattfindet.
Daher konnte ich die kleine Parade schon am Vormittag von meinem Balkon aus genießen und dachte mir beim Aufbruch auch, 'du könntest ja auf der Festwiese erstmal ein Schaschlik zum Mittag essen.' Gesagt, getan: ich stellte mich also - keine 200 Meter von meiner Wohnung entfernt - in die Schlange am Schaschlikstand und  kaufte gleich zwei Portionen des leckeren Fleisches.
Mit dem dampfenden Festmahl setzte ich mich dann an einen der Party-Tische und mampfte still vor mich hin. Da "quatschte" mich einer der mit am Tisch sitzenden, schon gut betankten Russen mit
schwerer Zunge an. Da ich kaum eines seiner Worte verstand, gab ich gleich zu, dass ich als Deutscher kaum etwas verstand. Nun muss man wissen, dass die Russen am 9. Mai den Tag des Sieges über die "Hitlerfaschisten", nicht aber über die "Deutschen" feiern, weshalb ich mir bewusst war, dass der Hinweis auf meine Herkunft kein Problem sein würde.
Einer der jungen Männer fing dann auch gleich an, in einem wirren Gemisch aus Russisch, Deutsch und Englisch auf mich einzureden, während ein anderer mit schwerer Zunge versuchte, russische Sätze zu artikulieren. Die Leute begrüßten mich geradezu überschwänglich und wollten mit mir auch gleich auf den Frieden und die Freundschaft anstoßen, was ich natürlich keinesfalls ablehnen konnte.
Alexander und Anton bestanden dann auch darauf, dass ich das bei mir angefallene Alkoholdefizit aufzuholen habe, damit wir "auf Augenhöhe" den großen Sieg feiern könnten. Nun grauste mir natürlich vor dieser Verpflichtung (und ich legte mir auch gleich eine möglichst unauffällige "Exitstrategie" zurecht), aber ich durfte natürlich im Sinne der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft - äh, im Sinne der Völkerverständigung - nicht einfach ablehnen. So schafften wir es, innerhalb relativ kurzer Zeit eine ganze Flasche
"Beresowaja" zu leeren. Ja, was tut man nicht alles für die Völkerfreundschaft? Irgendwann schaffte ich es, mich unauffällig zu verabsentieren und ging, schon am frühen Nachmittag etwas unsicher, nach Hause. Ich wusste ja, dass ich am Abend noch eine wichtige Verabredung haben würde und packte mich deshalb auch noch einmal ins Bett, wo ich den lustigen Nachmittag Revue passieren lassen musste.
Pünktlich um 18.00 Uhr schaffte ich es aber, mich mit halbwegs klarem Kopf in die Stadt aufzumachen, wo ich mit Tanja und Nadja den Tag des Sieges bei einem gepflegten Essen im Bulgakows beschließen wollte. So gab es, im eleganten literarischen Ambiente, mit zwei schick gekleideten jungen Damen ein wahres Festmal, bestehend aus Forellenfillets mit unterschiedlichsten Beilagen und vielfältigem Getränk.
Irgendwann kam Tanja, oder war es Nadja?, auf den Gedanken, das wir uns das Feuerwerk anlässlich des höchsten Feiertages auch gebührend vom höchsten Platz der Stadt aus ansehen sollten. So kamen wir dann, etwas hektisch, gerade noch rechtzeitig  bei der berühmten Paraskjewa-Pjatniza-Kapelle an und konnten abschließend ein großartiges Feuerwerk genießen.
Ja, der 9. Mai - nicht etwa Weihnachten, Ostern oder der Tag der Russischen Einheit - ist der höchste Feiertag in Russland, und ich habe mir in diesem Jahr wahrhaft große Mühe gegeben, diesen Tag ganz im Sinne der Deutsch-Russischen Völkerfreundschaft zu feiern - auch unter Einsatz meiner Gesundheit.

Montag, 6. Mai 2013

Красноярской ГЭС

Wenn man vom Süden aus dem Verlauf des Jenissej folgt, so kommt man kurz hinter den Städten Abakan und Minusinsk zum Krasnojarsker Stausee, der sich über eine Länge von 388 Kilometern bei einer Breite von bis zu 15 Kilometern erstreckt. Damit ist dieser Stausee mit einem Speichervolumen von ca. 73.300 Mio. m³ einer der größten der Erde.
Da verwundert es nicht, dass ich mir diesen riesigen See mit dem ebenso riesigen Kraftwerk unbedingt einmal ansehen musste, zumal das Krasnojarsker Wasserkraftwerk auch noch den Zehn-Rubel-Schein ziert. Aus diesem Grunde sind Micha und ich bei herrlichstem Sonnenschein zu einer kleinen Landpartie in das etwa 40 Kilometer südwestlich gelegene Diwnogorsk zum Kraftwerk aufgebrochen.
Iss schon imposant, oder?
Die ersten beiden Turbinen der riesigen Staumauer wurden 1967 pünktlich zum 50. Jahrestag der "Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" in Betrieb genommen. Heute hat das Wasserkraftwerk mit 12 Turbinen eine Leistung von 6.000 Megawatt und ist damit das großte Wasserkraftwerk Russlands.
Mit dieser Energieleistung könnte Krasnojarsk eine der saubersten Städte Russlands sein, denn der gesamte Energiebedarf der Stadt und des Umlandes wird klimaneutral am Jenissej bei Diwnogorsk erzeugt. Jedoch geht der allergrößte Teil der erzeugten Energie in die Alluminiumindustrie Krasnojarsks, was den positiven Effekt wieder umkehrt.
Ust-Mana ist richtig schnuckelig
Auf der Fahrt zum Kraftwerk wollten wir es uns dann auch nicht nehmen lassen, einen Aussichtspunkt hoch oben über dem Jenissej tal zu besuchen. Mit einem Blick weit über den Verlauf des Flusses könnte dieser Aussichtspunkt ein wahrer
Blick über das Jenissej-Tal
Touristenmagnet sein, ähnlich wie Stolby, die Jenissej-Inseln und die Stadt selbst. Aber wir waren uns beide schnell einig, dass hier wie überall in und um Krasnojarsk die touristischen Möglichkeiten leider nicht im Geringsten ausgeschöpft werden. Auch die folgenden kleineren Ortschaften, das so idyllisch an der Mündung der Mana gelegene Ust-Mana und die mitten in den Wald gebaute Kleinstadt Diwnogorsk haben nicht einmal im Ansatz das touristische Potenzial genutzt.
Micha!
Direkt am Kraftwerk stellten wir wieder einmal fest, dass in Russland alles eine Stufe größer ist als im Zwergenland Deutschland. Man steht vor dieser riesigen Staumauer und mag gar nicht daran denken, wie klein der einzelne Mensch im Vergleich zu diesen Dimensionen ist. Dabei kommt man, wegen eines sehr ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses der russischen Behörden, kaum in die Nähe der Staumauer, geschweige denn, man könnte, wie ich das gern getan hätte, den Fluss auf der Staumauer überqueren.
Also setzten wir uns wieder ins Auto und fuhren ein paar Kilometer auf die andere Seite des Stausees, um wenigstens einmal diese Wassermassen zu überblicken. Wie aber waren wir überrascht, dass der ganze Stausee nicht nur einzelne Eisschollen trug, sondern an diesem 5. Mai noch komplett mit Eis bedeckt war.
Eis auf dem Stausee am 5. Mai.
Da wollte Micha es sich auch nicht nehmen lassen, mal ein paar Meter auf den See hinauszulaufen. Wir sahen, dass die Eisschollen nur lose miteinander verbunden waren und damit trotz der Dicke von etwa 30 Zentimetern keinen sicheren Stand ermöglichten. An einer Stelle sehr nahe am Ufer entdeckten wir aber eine kleine Sandbank, auf die Micha ganz beherzt sprang. Wie erschrocken waren wir aber, als sich das Ganze in Bewegung setzte!
Der Sandhaufen hatte sich nur auf einer Eisscholle abgesetzt, auf der Micha nun mit schreckgeweiteten Augen über dem eiskalten Wasser trieb. Auch mir war erst einmal die Luft weggeblieben und ich vergaß (was mich heute noch ärgert), ein Foto zu machen. Glücklicherweise konnte Micha aber kurz darauf wieder zurück auf festes Land springen und wir konnten noch eine kleine Wanderung am Ufer des Sees unternehmen.

Mittlerweile hungrig geworden, beschlossen wir, den Tag mit einem ausgiebigen Essen im "Bulgakow's", einem ganz schicken Restaurant in Krasnojarsk zu beschließen. Und weil gestern in Russland gerade Ostern (nicht) gefeiert wurde, bekamen wir dort sogar noch zwei kleine "Kulitschi", die hier üblichen Osterkuchen, geschenkt. Und noch eine Entdeckung machte ich im "Bulgakow's": Man sagt ja, dass man das Niveau eines Restaurants am Zustand seiner Toiletten erkennt.
Nun ist diese Regel nach deutschen Maßstäben in Russland nicht immer anwendbar; gestern jedoch bestätigte sich der Spruch allemal. So altmodisch und auf eine interessante Art elegant, wie der Anspruch des ganzen Restaurants ist, so kommen auch die Toiletten daher. Besonders angetan war ich von den Waschbecken - vier mitten im Raum stehende uralte Blechschüsseln, in die das Wasser aus uralten Wasserhähnen lief, das Ganze hygienisch rein und mit viel Liebe gepflegt.

Sonntag, 5. Mai 2013

Закаты в Сибири

Auch wenn die meisten Leser es schon längst wissen, ich muss es immer wieder betonen: Die Sonne scheint praktisch jeden Tag in Sibirien! Es gibt nur ganz selten solche Tage, an denen das Grau dunkler Wolken vorherrscht, an denen der Himmel ähnlich tief zu hängen scheint wie in Deutschland. Gestern war einer dieser seltenen Tage. Nur in den frühen Nachmittagsstunden schaffte es die Sonne für kurze Zeit, ganz schüchtern ein wenig hinter den sonst dicken Wolken hervorzublinzeln. Aber sehr schnell verlor sie auch diesen Kampf. So kam es, dass der Tag früher als alle anderen enden wollte. Bereits vor 21.00 Uhr schien es unter den Wolken dunkel zu werden.
Doch dann geschah eines dieser sibirischen Wetterwunder, die man hier fast regelmäßig erlebt. Diesmal gab es keinen "blinden Regen" - also Regen aus einem wolkenlosen Himmel. Diesmal gewann die Sonne, kurz vor ihrem Untergang den lange erfolglosen Kampf gegen die Wolken und erleuchtete ganz unerwartet meine Wohnung. Ich hatte an diesem Tag schon recht zeitig Licht im Zimmer angeschaltet und war dementsprechend baff, als die brennenden Glühlampen ganz plötzlich völlig nutzlos waren. So ging ich hinaus auf den Balkon und konnte mit zusammengekniffenen Augen Fotos von einem Sonnenuntergang nach einem wolkengrauen Tag machen - Oben Wolken, dann die blendende Sonne und unten die in Schatten gehüllten Häuser Krasnojarsks.
... Ach, übrigens, heute scheint wieder den ganzen Tag die Sonne - ein herrlicher Tag, um mal wieder aus der Stadt rauszufahren. Jetzt warte ich wieder auf einen gold-glänzenden Sonnenuntergang.

Samstag, 4. Mai 2013

Ничего не происходит в России?

Es sind nun schon fast zwei Wochen seit meinem letzten Tagebucheintrag vergangen, und vielleicht hat sich schon mal der eine oder andere geneigte Leser gefragt: 'Warum schreibt der nix mehr? Was'n da los in Russland?' Allgemeiner formuliert könnte die Frage, wie der Titel, auch lauten: "Nix los in Russland?" Worauf ich natürlich nachdrücklich antworten müsste, dass dem mitnichten so ist. Vielmehr ruht der Blog aufgrund einer Verkettung unglücklicher Umstände und einer ziemlich undurchsichtigen Stimmungslage.
Blick auf die Stadt von der "Paraskjewa Pjatniza" aus (Oktober 2012)
Am 27.04. hatte ich mich mit Tanjusha verabredet, um ihr wenigstens nachträglich zum Geburtstag gratulieren zu können. Wir trafen uns erst in einem Café, wo ich ihre glänzenden Augen sehen konnte, als sie mein Geschenk in den Händen hielt. Dabei war es nur ein uraltes, deutsches Kochbuch mit guten Tipps zur deutschen Küche. Weil das Wetter so toll war,
zogen wir auch gleich weiter zur "Paraskjewa Pjatniza", der kleinen Kapelle oben auf einem Berg mitten in der Stadt und beendeten den Abend, als es schon dunkel war, in einem netten kleinen Restaurant. Über all das hätte ich sicher gern ausführlicher geschrieben, aber leider hatte ich an dem Tag meinen Fotoapparat vergessen.
Genau den hatte ich dabei, als wir, Tanja und ihre Alpinistenfreunde, uns am 30.04. trafen, um unter der Oktoberbrücke "Rope Jumping" zu betreiben. Nun ist dieses Herumklettern unter der riesigen Brücke und alles andere damit Einhergehende "eigentlich" verboten, aber wir wissen ja mittlerweile, wie das mit dem "eigentlich verboten" ist -
russische Freiheit eben! Mir stand allerdings meine Höhenangst im Wege, so dass mich die ganze Unternehmung einige Überwindung kostete. Während zwei Leute die hochkomplizierte Sicherung und alles vorbereiteten, kramte ich meinen Fotoapparat raus. Und siehe da; nach drei Fotos war die Batterie leer! Mir fallen da viele Schimpfwörter, in mindestens drei Sprachen, ein. Jetzt habe ich jedenfalls von beiden tollen Tagen keine Fotos und kann hier (fast) nur altes Material reinbringen.
Am 01.05., dem "Kampf- und Feiertag der Arbeiter- und Bauernklasse" (offizieller DDR-Duktus), wollte ich trotz des wie immer guten Wetters nichts Großes unternehmen, denn ich musste in Deutschland ganz offiziell unterschreiben, dass ich mich von jeder politischen Betätigung hier fernhalte. Und wer weiß schon, wo die
verstreuten Kommunisten oder auch andere Vertreter der "Arbeiter- und Bauernklasse" mit ihren Maidemonstrationen auftauchen. Wie schnell kann man da vereinnahmt werden, oder gerät als völlig Unbeteiligter zwischen die Fronten einer Straßenschlacht zwischen Arbeitern und Kapitalisten? Ich habe ja kein großes Interesse daran, hier auf meine letzten Tage auch noch ein russisches Gefängnis von innen kennen zu lernen - ich war im Krankenhaus, was eine hinreichend spannende Erfahrung ist.
In den letzten zwei Tagen bin ich auch ständig unterwegs gewesen und habe noch einige der mir bislang unbekannten Außenbezirken erforscht. Bei diesen Wanderungen ging es mir ebenso wie Hape
So grün ist es noch nicht!
Kerkeling, der in seinem (übrigens absolut nicht lustigen, aber philosophisch sehr interessanten) Buch "Ich bin dann mal weg" feststellte, dass nach dem fünften Foto von der gleichen Person auch vor immer wechselnden Hintergründen das Motiv nicht schöner wird. Leider werden die städtischen Landschaften Krasnojarsks auch nach dem fünften, zehnten oder fünfzigsten Foto nicht bunter. So bin ich dann sinnierend durch die Gegend gewackelt und habe den Fotoapparat im Rucksack belassen.
Diese Blumen gibt es auch noch nicht!
Heute nun bin ich wieder ohne Kamera losgestiefelt - nur ein kleiner Gang im näheren Bereich - und was sehen meine weit aufgerissenen Augen? Da steht doch tatsächlich auf der langsam ergrünenden Wiese ein einsames Blümelein mit bunter Blüte! Eine natürliche Blume, die in der Stadt - einsam zwar, aber immerhin - noch vor dem höchsten Feiertag, dem 9, Mai, zu blühen wagt! Welch ein Erlebnis, aber wieder einmal hatte ich keinen Fotoapparat dabei.
Es ist was los in Russland, aber meine Gedanken verweilen nun immer häufiger bei meiner Heimreise.