Nun habe ich schon so oft davon berichtet, wie ich ein richtig gutes Mittag zu einem sehr guten Preis in der "Solowaja" hatte, dabei aber nie so richtig den Begriff erklärt. Was also ist eine "Stolowaja"?
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Farblich gut abgestimmt |
Die im Duden angebotene Erklärung als
russische Speisegaststätte ist sicher ebenso irreführend, wie die zweite dort enthaltene Bezeichnung als
russische Imbissstube. Natürlich kann man die "cтоловая" etwas abschätzig als eine zur "Massenabspeisung angelegte Kantine oder Mensa" wie in der deutschsprachigen Zeitung
Russland Aktuell vom
14.06.2006 bezeichnen, greift damit meines Erachtens aber zu kurz, obwohl das der Sache sehr nahe kommt.
Wer russische Kultur und das richtige Leben hier abseits der touristischen Shows kennen lernen will, sollte sich unbedingt einmal in eine dieser an fast jeder Straßenecke befindlichen "столоваи" verirren, denn nirgends sonst ist eine fremde Kultur auf so angenehme Weise zu erfahren, wie beim Essen! Viele der Stolowajas erinnern noch heute an sowjetische Zeiten, als selbst in großen Städten wie Moskau und Leningrad (heute: St. Petersburg) Restaurants, wie man sie bei uns gewohnt ist, eher etwas Besonderes waren. Heute sind diese "Kantinen" eine willkommene Möglichkeit für die große Masse der arbeitenden Bevölkerung, sich zu sehr moderaten Preisen in der Mittagspause ein gutes, warmes Essen zu genehmigen.
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Über dem Tresen sind immer Sonderangebote zu finden. |
In unserem Einkaufszentrum gibt es zwei fast direkt nebeneinander gelegene Stolowajas: das etwas teurere "Микс" und das "Семь хлебов", in dem die aus Plastik gefertigten, aber immer sauberen Tische und Stühle nicht eben zum langen Verweilen einladen. Beim Blick auf die Essensausgabe fällt einem aber sofort das vielfältige Angebot an unterschiedlichen Speisen und Getränken auf. Wichtig ist beim Besuch, dass man so ungefähr weiß, was man essen möchte, denn die Bestellung jeder einzelnen Komponente muss natürlich auf Russisch erfolgen - hier auf Englisch zu setzen, ist sehr riskant! Wenn man sich ein Tablett und Besteck bereit gelegt hat, kann man zuallererst einen Salat und ein Getränk auswählen. Dabei gibt es immer eine reichhaltige Auswahl an Salaten, die mir aber fast alle nicht wirklich schmecken, denn russische Salate sind für den deutschen Gaumen etwas fade. Eine Freundin sagte mir einmal, Salate in Deutschland hätten zu viel Essig und seien fast immer zu scharf oder zu salzig. Man drehe dieses Argument einfach um, und hat einen ungefähren Eindruck, wie russische Salate in Deutschland ankommen.
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Auf der Theke steht Gebäck. |
Was allerdings die Suppen angeht - die nächste Station am Tresen -, so sind die Russen echte Meister darin. Allgemein bekannt sind ja Soljanka und Borschtsch, aber auch Schtschi und Bouillon sind immer ein Gaumenschmaus. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Süppchen, die im Allgemeinen als Vorsuppe mit Brot genossen werden. Weniger gern esse ich Okroschka, eine vorwiegend im Sommer gereichte kalte Suppe aus Kwas, Buttermilch oder Kefir, hartgekochtem Ei, Gurken, Kräutern und Kartoffeln, die mit Senf und Salz und Pfeffer abgeschmeckt wird.
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Irischka an der Kasse |
Im Allgemeinen fragt dann das Mädchen hinter dem Tresen nach dem "вторая блюда", also dem zweiten Gang. Man kann dann auswählen zwischen Reis, Kartoffelpürre (Salzkartoffeln habe ich hier noch nie gesehen), Bratkartoffeln und natürlich "гречка", der berühmten russischen Buchweizengrütze. Dazu gibt es unterschiedliche Gemüse, die oft ein wenig verkocht sind, und natürlich Fleisch in vielen Variationen. Da es das günstigste Fleisch ist, gibt es zumeist Hünchen auf verschiedene Weise zubereitet. Daneben kann man auch immer irgend eine Fischvariation finden. Vorsicht ist jedoch bei dem Begriff "котлета" geboten, denn trotz seiner sehr simplen Übersetzung mit "Kotelett" ist das mitnichten ein Stück Fleisch, sondern eine Art Frikadelle, die neben dem gängigen Hackfleisch auch aus Fisch bestehen kann. Überhaupt gibt es Gerichte aus Gehacktem und Zemahlenem in allen nur denkbaren Variationen.
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Salate stehen kühl unter Glas. |
Hat man dann alles beisammen - oft geht mir noch ein Syrnik oder eine andere Nachspeise in Form von Gebäck auf das Tablett - kann man nur hoffen, dass es an der Kasse möglichst schnell geht, denn leider ist das Essen oft kalt, bevor man seinen Tisch erreicht. Und dann sitze ich an einem Plastiktisch auf einem Plastikstuhl, genieße das günstige Vollwertessen und überlege, was ich wohl nach der Schule in Deutschland essen würde. Es gibt bisher in unserer Hankensbütteler Schule keine Mensa, und eine öffentliche Kantine ist natürlich reiner Wunschtraum.
In Hankensbüttel gäbe es dann wohl (wieder) einen Döner!
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