Montag, 27. August 2012

Столовая "Семь хлебов"

Nun habe ich schon so oft davon berichtet, wie ich ein richtig gutes Mittag zu einem sehr guten Preis in der "Solowaja" hatte, dabei aber nie so richtig den Begriff erklärt. Was also ist eine "Stolowaja"?
Farblich gut abgestimmt
Die im Duden angebotene Erklärung als russische Speisegaststätte ist sicher ebenso irreführend, wie die zweite dort enthaltene Bezeichnung als russische Imbissstube. Natürlich kann man die "cтоловая" etwas abschätzig als eine zur "Massenabspeisung angelegte Kantine oder Mensa" wie in der deutschsprachigen Zeitung Russland Aktuell vom 14.06.2006 bezeichnen, greift damit meines Erachtens aber zu kurz, obwohl das der Sache sehr nahe kommt.
Wer russische Kultur und das richtige Leben hier abseits der touristischen Shows kennen lernen will, sollte sich unbedingt einmal in eine dieser an fast jeder Straßenecke befindlichen "столоваи" verirren, denn nirgends sonst ist eine fremde Kultur auf so angenehme Weise zu erfahren, wie beim Essen! Viele der Stolowajas erinnern noch heute an sowjetische Zeiten, als selbst in großen Städten wie Moskau und Leningrad (heute: St. Petersburg) Restaurants, wie man sie bei uns gewohnt ist, eher etwas Besonderes waren. Heute sind diese "Kantinen" eine willkommene Möglichkeit für die große Masse der arbeitenden Bevölkerung, sich zu sehr moderaten Preisen in der Mittagspause ein gutes, warmes Essen zu genehmigen.
Über dem Tresen sind immer Sonderangebote zu finden.
In unserem Einkaufszentrum gibt es zwei fast direkt nebeneinander gelegene Stolowajas: das etwas teurere "Микс" und das "Семь хлебов", in dem die aus Plastik gefertigten, aber immer sauberen Tische und Stühle nicht eben zum langen Verweilen einladen. Beim Blick auf die Essensausgabe fällt einem aber sofort das vielfältige Angebot an unterschiedlichen Speisen und Getränken auf. Wichtig ist beim Besuch, dass man so ungefähr weiß, was man essen möchte, denn die Bestellung jeder einzelnen Komponente muss natürlich auf Russisch erfolgen - hier auf Englisch zu setzen, ist sehr riskant! Wenn man sich ein Tablett und Besteck bereit gelegt hat, kann man zuallererst einen Salat und ein Getränk auswählen. Dabei gibt es immer eine reichhaltige Auswahl an Salaten, die mir aber fast alle nicht wirklich schmecken, denn russische Salate sind für den deutschen Gaumen etwas fade. Eine Freundin sagte mir einmal, Salate in Deutschland hätten zu viel Essig und seien fast immer zu scharf oder zu salzig. Man drehe dieses Argument einfach um, und hat einen ungefähren Eindruck, wie russische Salate in Deutschland ankommen.
Auf der Theke steht Gebäck.
Was allerdings die Suppen angeht - die nächste Station am Tresen -, so sind die Russen echte Meister darin. Allgemein bekannt sind ja Soljanka und Borschtsch, aber auch Schtschi und Bouillon sind immer ein Gaumenschmaus. Daneben gibt es eine Vielzahl weiterer Süppchen, die im Allgemeinen als Vorsuppe mit Brot genossen werden. Weniger gern esse ich Okroschka, eine vorwiegend im Sommer gereichte kalte Suppe aus Kwas, Buttermilch oder Kefir, hartgekochtem Ei, Gurken, Kräutern und Kartoffeln, die mit Senf und Salz und Pfeffer abgeschmeckt wird.
Irischka an der Kasse
Im Allgemeinen fragt dann das Mädchen hinter dem Tresen nach dem "вторая блюда", also dem zweiten Gang. Man kann dann auswählen zwischen Reis, Kartoffelpürre (Salzkartoffeln habe ich hier noch nie gesehen), Bratkartoffeln und natürlich "гречка", der berühmten russischen Buchweizengrütze. Dazu gibt es unterschiedliche Gemüse, die oft ein wenig verkocht sind, und natürlich Fleisch in vielen Variationen. Da es das günstigste Fleisch ist, gibt es zumeist Hünchen auf verschiedene Weise zubereitet. Daneben kann man auch immer irgend eine Fischvariation finden. Vorsicht ist jedoch bei dem Begriff "котлета" geboten, denn trotz seiner sehr simplen Übersetzung mit "Kotelett" ist das mitnichten ein Stück Fleisch, sondern eine Art Frikadelle, die neben dem gängigen Hackfleisch auch aus Fisch bestehen kann. Überhaupt gibt es Gerichte aus Gehacktem und Zemahlenem in allen nur denkbaren Variationen.
Salate stehen kühl unter Glas.
Hat man dann alles beisammen - oft geht mir noch ein Syrnik oder eine andere Nachspeise in Form von Gebäck auf das Tablett - kann man nur hoffen, dass es an der Kasse möglichst schnell geht, denn leider ist das Essen oft kalt, bevor man seinen Tisch erreicht. Und dann sitze ich an einem Plastiktisch auf einem Plastikstuhl, genieße das günstige Vollwertessen und überlege, was ich wohl nach der Schule in Deutschland essen würde. Es gibt bisher in unserer Hankensbütteler Schule keine Mensa, und eine öffentliche Kantine ist natürlich reiner Wunschtraum.
In Hankensbüttel gäbe es dann wohl (wieder) einen Döner!

Sonntag, 26. August 2012

Идет дождь

Die Allee ist sauber ausgewaschen.
Der ist gut gerüstet.
Ich habe oft genug geschwärmt, hier in Sibirien scheine die Sonne praktisch jeden Tag den ganzen Tag. Nun, ich nehme das alles zurück und behaupte das Gegenteil, denn seit gestern "regnet es" fast ununterbrochen aus einem gleichmäßig grauen Himmel. Ich komme mir vor wie im falschen Film. Hat das Flugzeug etwa die falsche "Ausfahrt" genommen, und ich sitze jetzt in irgendeiner russischen Enklave in Norddeutschland, in irgendeiner Parallelwelt? Naja, jedenfalls ist die für dieses Wochende geplante Wandertour in Stolby buchstäblich ins Wasser gefallen und ich sitze die meiste Zeit zuhause und lese oder sehe irgendwelche Filme. 
Mein Mittag: Vorsuppe, Hauptgericht, Nachspeise und Getränk für nur 175 Rubel.
In der Bäckerei gibt es gutes Brot...
... und leckeren Kuchen!
Heute habe ich es allerdings nicht mehr ausgehalten und bin ins Stadtzentrum gefahren, um dort in der Stolowaja Mittag zu essen und noch ein Brot zu kaufen. Ja, ich fahre einen ziemlich weiten Weg für ein Brot, denn im Stadtzentrum gibt es eine belgische Bäckerei - eigentlich die einzige Bäckerei, die unseren ein wenig ähnelt. Dort bekomme ich das gute deutsche Brot, das mir hier ein wenig fehlt. So bin ich also zwei Stunden lang in der verregneten Stadt unterwegs gewesen, habe für nur ca. 4,50 € ein umfangreiches Mittagessen mit Borschtsch, Kohlroulade und Reis und einem Syrnik genossen, bin in der belgischen Bäckerei und in einem Buchladen gewesen und habe noch einen kleinen Spaziergang unternommen.
Trotz des vielen Regens hat der Jenissej recht wenig Wasser, wie hier an der Uferpromenade.
Ein schöner Nebeneffekt des Regens, den ich auch in Deutschland beobachtet habe, ist der, dass die Wälder und Wiesen viel grüner sind und die Luft viel sauberer! Also hat auch der Regen hier einige gute Auswirkungen.

Freitag, 24. August 2012

(Почти) единственно в школе

Noch ist es wunderbar ruhig in der Schule. Nur ein paar Kolleginnen tauchen von Zeit zu Zeit auf, so dass ich mit meinen sieben DSD-Schülern "(fast) allein in der Schule" bin. Diese ruhige Atmosphäre kommt uns aber gerade recht, weil wir damit unsere Zeit wunderbar ganz nach Begehr einteilen können.
Sascha, Nastja, Kristina, Artjom, Ira und Lisa - sie alle sprechen richtig gut Deutsch
Seit gestern sind fünf Mädchen und zwei Jungen schon ganz fleißig am Lernen, obwohl ja noch Ferien sind. Sie alle waren von April bis Juni in Deutschland und haben dort richtig gut Deutsch gelernt, aber jetzt schon zwei Monate wieder pausiert. Also haben wir uns gestern erst einmal ausführlich über ihre Erfahrungen in ihren Gastfamilien und den deutschen Schulen unterhalten. Als Deutscher ist es natürlich ganz besonders interessant zu erfahren, wie die russischen Schüler unser Leben und unser Schulsystem erleben. Da sie in der kurzen Zeit keine der vielfältigen Bildungsreformen erleben mussten, waren sie auch alle voll des Lobes für die deutschen Lehrmethoden. Aber es gab natürlich auch einige Kritikpunkte, die ihnen bei all den positiven Erfahrungen auffielen: Zu dicke Kinder, zu viele alte Menschen ... (Ich könnte weiter machen, will mich aber hier nicht verquatschen!)
Da wir jetzt jeden Tag fast vier Stunden (von 10.00 bis 14.00 Uhr) Super-Hardcore-Deutschlearning betreiben, muss die Arbeit natürlich auch aufgelockert werden. So passiert es, dass wir eben mal zwischendurch Tee, Kaffee und Gebäck einkaufen gehen und während des Kurses in lockerer Runde reden und uns eben nicht an irgendwelche Stundeneinteilung halten. Aber natürlich wird auch richtig hart gearbeitet. Heute haben wir dann angefangen, deutsche Jugendbücher in Vorbereitung auf den diesjährigen "Lesefuchs"-Wettbewerb zu lesen und zu besprechen.
Aber ich will hier nicht mit fachlichen Details langweilen, sondern einfach mal die Bilder sprechen lassen.

Обратно в России

Jetzt bin ich schon seit fünf Tagen "Zurück in Russland" und habe noch nicht einen Eintrag im Blog gemacht. Ja, ich muss ehrlich zugeben, dass ich einfach zu faul war/bin, denn passiert ist sehr viel - das muss ich jetzt alles nachholen. Deshalb werde ich mich jetzt kurz fassen müssen.
Moskau-Scheremetjewo bei Nacht
Am Sonntag bin ich also in Berlin gestartet, bei +35°C Hitze (!), und dann am Montag Morgen hier in Krasnojarsk angekommen. Mein erster Eindruck war die Bestätigung aller Klischees über Sibirien: "Mann, iss dat kalt hier." Das ist natürlich auch kein Wunder, wenn der Flugkapitän kurz vor der Landung 7°C ankündigt. Aber es ist immer das gleiche Lied: "Die Sonne scheint hier jeden Tag den ganzen Tag!" Und so wird es tagsüber auch recht angenehm warm.
Interessant war dann in diesem Jahr der "erste" Eindruck von Krasnojarsk. Ich habe die Stadt natürlich ganz anders als im letzten August wahrgenommen, weil mir die meisten Orte doch schon vertraut sind. Es war eine Art Nach-Hause-Kommen, als das Taxi (glücklicherweise) durch das Stadtzentrum fuhr und ich die bekannten Plätze, den großen Jenissej und endlich auch meinen Heimatbezirk sah. So aufgekratzt war dann auch eine Pflege des Jetlags nicht möglich, so dass ich mich gleich erst einmal häuslich einrichtete, einkaufen ging und meine Verbindungen hier vor Ort aktualisierte.
Irinas Hilfe war unersetzlich
Der Dienstag war dann der Registration vorbehalten, denn jeder Ausländer muss sich innerhalb von drei Tagen am Ort seines Aufenthalts offiziell anmelden. Tut er das nicht und wird dabei erwischt, dann wird auch der touristische Aufenthalt in Russland unangenehm teuer! Glücklicherweise tun das für Touristen im Allgemeinen die Hotels, und in meinem Falle habe ich ja nette Kolleginnen, denn mit der russischen Bürokratie zu kämpfen ... Aber das kennen wir ja auch aus Deutschland.
Ärzteplan in der Poliklinik
Spannend war dann der Mittwoch, an dem ich mit Irina gemeinsam zu den hier zwingend für Lehrer notwendigen Untersuchungen in die Poliklinik fahren musste. Dort warteten morgens um 08.00 Uhr bereits viele andere Damen und Herren auf die gleiche Prozedur, so dass ich schon fast entnervt mich auf mehrere Stunden Wartezeit einrichtete. Wenn man aber eine versierte Kollegin dabei hat, dann geht es schon mal recht schnell. Jedenfalls wusste Irina immer, wo wir lang mussten, in welchem Raum welche Untersuchung erfolgt, so dass ich ihr nur folgen brauchte. Ganz wichtig für mich waren natürlich Irinas Übersetzungen, denn natürlich stellten die Ärzte immer wieder Fragen oder Anweisungen, worauf eine angemessene Reaktion ohne Übersetzung mir oft nicht möglich war. Aber es ging auch ohne, denn die HNO-Ärztin machte mir einfach vor, was ich zu tun hatte, so dass ich gleich einem Kind nach Versuch und Irrtum reagierte.
Den vielleicht besten Kaffee hier bekommt man im "Кофеин"
Zum Lachen gab es dabei genügend Anlass, denn eine Ärztin dachte ich sei taubstumm und bräuchte deshalb eine Dolmetscherin, als die sich Irina angekündigt hatte. Natürlich dachte sie, ich könne nicht sprechen! Es ist schließlich fast immer ratsam, die Klappe zu halten, wenn man Nichts zu sagen hat. Ich schwieg also die allermeiste Zeit bei den Untersuchungen. Aber auch eine schmerzliche Erfahrung musste ich machen - man sollte mit nüchternem Magen, also ohne Frühstück (!), zu den Untersuchungen kommen. So wurde es seeehr spät, bis ich dann im "Кофеин" endlich eine Art "Frühstück" genießen durfte, was aber eine gute Erfahrung war, denn der Kaffee in dem Laden ist extrem gut und weckt auch Tote auf.
Seit gestern bin ich wieder in der Schule und arbeite mit den DSD-Kandidaten der 11. Klasse an der deutschen Sprache - aber das ist schon ein neues Kapitel!